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Schule ohne Rassismus

19. November 2011

Das Netzwerk "Schule ohne Rassismus" trägt nicht nur zur Integration bei. Es soll auch helfen, Extremismus aller Art zurückzudrängen. Nach Aufdeckung der rechtsextremistischen Mordserie wird diese Arbeit noch wichtiger.

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Am Eingang der Schule 'Nikolaus August Otto Berufskolleg' in Köln hängt das Schild 'Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage' (Foto: Armin Ahlheim)
Bild: Armin Ahlheim

Sanem Kleff leitet das europäische Projekt "Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage". Gerade vor dem Hintergrund der jetzt aufgedeckten rechtsextremistischen Morde an Menschen mit ausländischen Wurzeln in Deutschland wird ihrer Meinung nach deutlich, wie wichtig es ist, extremistischen Haltungen entgegen zu treten.

Verlust von Vertrauen in die Sicherheit

Kleff wie auch ihre Kolleginnen und Kollegen, die sich seit Jahren mit Rechtsextremismus und Rassismus in Deutschland beschäftigen, sind erschüttert über die Dimension der Verbrechen. Sie fordern die "absolute Aufklärung all dessen, was in den Jahren zuvor ganz offensichtlich schief gelaufen ist - auf der Ebene der Sicherheitsdienste, des Verfassungsschutzes, der Länderregierungen und wer noch immer dafür zuständig ist."

Sanem Kleff (Foto: dpa)
Sanem KleffBild: picture-alliance/ZB

Heute müsse sie darum bangen, so die türkischstämmige Sanem Kleff, dass genau die Schülerinnen und Schüler, die potentielle Opfer von Rassismus sein könnten, ein Stück weit ihr Vertrauen in das Sicherheitsgefühl in Deutschland verlieren könnten. Das wäre fatal, sagt Kleff, denn: "Wenn ich mein Vertrauen in die Institutionen dieses Staates, in dem ich lebe, verliere, fühle ich mich nicht mehr als Teil dieser Gesellschaft, sondern habe dann das Bedürfnis, mich ein Stück weit zurückzuziehen."

Solidarisierung mit den Opfern

Schüler und Lehrkräfte seien deshalb aufgerufen, in der Schule offen über ihre Ängste und Befürchtungen zu kommunizieren. Es wäre verheerend, so Kleff, angesichts dieser schrecklichen Ereignisse, jetzt zu einer Haltung zu kommen, als ob sich die ganze Gesellschaft nur aus Rassisten zusammensetze: "Dieses ist nicht der Fall." Umso wichtiger sei es, dass alle klar erkennen könnten, wer auf wessen Seite steht.

Mit einer Mahnwache gedenken Mitglieder der Türkischen Gemeinde vor dem Brandenburger Tor in Berlin mit Mahntafeln (Foto: Soeren Stache/dpa)
Mahnwache für Opfer rassistischer Gewalt in BerlinBild: picture-alliance/dpa

Jetzt seien alle aufgerufen, "sozusagen Gesicht zu zeigen, Flagge zu zeigen und sich uneingeschränkt zu solidarisieren mit den Opfern von Rassismus." Kleff selbst hatte Mitte November 2011 an der Mahnwache vor dem Brandenburger Tor teilgenommen. Dort ging es darum, öffentlich Solidarität mit den Opfern zu zeigen. Zu der Veranstaltung hatten der Türkische Bund Berlin-Brandenburg und die Türkische Gemeinde in Deutschland aufgerufen. Auch Politiker von SPD, Grünen und Linken waren dabei.

Ähnliche Projekte in europäischen Staaten

Die Idee für "Schule ohne Rassismus" ist vor 15 Jahren in Belgien entstanden. Aufgrund der rassistischen Stimmung, die damals im Lande herrschte, wollten Lehrer nicht zulassen, dass sich diese Stimmung an den Schulen breitmacht und stellten sich dem entgegen. In Deutschland ist die Idee für "Schule ohne Rassismus" vor mehr als zehn Jahren angekommen. Ähnliche Projekte gibt es auch in fünf weiteren europäischen Staaten. Sanem Kleff nennt das gemeinsame Ziel: "Uns ist sehr wichtig zu betonen, dass wir uns gegen jede Form von menschenverachtender Ideologie, Extremismus und Diskriminierung einsetzen."

"Kultur des Hinguckens" entwickeln

Teilnehmen können am Netzwerk "Schule ohne Rassismus" alle Schulen, an denen mindestens 70 Prozent der Schüler, Lehrer und anderen Mitarbeiter drei Punkte aus dem Selbstverständnis des Netzwerks unterschreiben, erklärt Sanem Kleff. Es gehe um den persönlichen Einsatz gegen Diskriminierung und Gewalt an der Schule.

Schülerin mit Kopftuch in einem Klassenzimmer (Foto: dpa)
Schulklasse in LeipzigBild: picture-alliance / dpa

Das Wichtigste sei es, bei Diskriminierung nicht wegzuschauen, sondern eine "Kultur des Hinguckens", also der Verantwortung, zu entwickeln und Lösungen für ein besseres Miteinander zu finden.

Mindestens einmal im Jahr wird von den Schulen im Netzwerk erwartet, dass sie ein Projekt zum Thema Rassismus an der Schule durchführen. Nahezu 1000 Schulen in Deutschland haben sich dazu verpflichtet.

Klima der Wertschätzung schaffen

Ziel des Netzwerks "Schule ohne Rassismus" ist es, an den Schulen modellhaft einen Klimawechsel herbeizuführen, indem sie dafür sorgen, "dass ein Klima der Wertschätzung, des Respekts gegenüber einem jeden Menschen dort zur Alltagskultur wird, dass Partizipation, Mitwirkung, Anerkennung und Aktivierung der Individuen im Zentrum des Tuns stehen."

Wenn solche Haltungen und Kompetenzen von kleinauf eingeübt, gelernt und erfahren werden, dann "werden sich diese jungen Menschen auch später im Leben aktiv dafür einsetzen, dass keine Diskriminierung, keine Gewalt und keine solchen schrecklichen Vorfälle, wie wir sie jetzt zu beklagen haben, stattfinden", da ist sich Sanem Kleff sicher.

Autorin: Sabine Ripperger
Redaktion: Andrea Grunau