1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

DSO in Japan

27. Oktober 2011

Musiker des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin haben auf ihrer Japan-Tournee in der vom Tsumami verwüsteten Stadt Natori ein Streicherkonzert aufgeführt, um Solidarität mit den Einwohnern zu zeigen.

https://p.dw.com/p/12zzG
DSO-Chellistin in Natori (Copyright: Martin Oetting)
Ankunft in NatoriBild: Martin Oetting

Weites, schlammiges Land. Zerstörte Häuser, die sich in der Einöde verlieren. Autowracks, aufgetürmt zu Skulpturen aus Blech. Ruinierte Fabrikhallen, eingestürzte Dächer, verbeulte Tore, zersplittertes Glas: So sieht es aus in der Umgebung von Natori, der 72.000-Einwohner-Stadt in der Nähe von Sendai, zwei Stunden nördlich von Tokio. Das Erdbeben und der Tsunami vom 11. März dieses Jahres haben nicht nur die Atomkatastrophe von Fukushima verursacht, sondern auch ganze Landstriche im Norden Japans verwüstet, innerhalb kürzester Zeit Straßen und Siedlungen zerstört und Lebensläufe für immer verändert.

Neues Leben

Autowracks in Natori(Copyright: Christine Anderson)
Zerstörung so weit das Auge reichtBild: Christine Anderson

Doch Japaner lassen sich nicht so schnell unterkriegen. Schon blühen wieder neu gepflanzte Blumen auf den Gehwegen frisch geteerter Straßen, die allerdings häufig noch ins Leere führen. Etwas von diesem Selbstbehauptungswillen liegt auch in dem aufrechten Gang und dem festen Blick der rund 200 Einwohner von Natori, die am Mittwoch in das Performing Arts Center ihrer Stadt gekommen sind.

Dieses Kulturzentrum besteht eigentlich aus drei Sälen. Zwei davon hat das Erdbeben zerstört, nur der kleinste ist noch benutzbar. Jetzt lauschten die Einwohner dort einem Solidaritätskonzert von Mitgliedern des Deutschen Symphonie-Orchesters (DSO) Berlin. Eintritt mussten sie keinen zahlen, denn es ging darum, ein Zeichen der Solidarität zu setzen.

Die Botschaft

Die Musiker befinden sind gerade mit dem japanischen Dirigenten Yutaka Sado auf einer dreiwöchigen Japan-Tournee. In Matsumoto, Fuji, Yokohama und der NHK Hall in Tokio waren sie schon. Auch Sendai stand ursprünglich auf dem Programm, doch die dortige Konzerthalle ist ebenfalls ein Opfer der Katastrophe geworden; das Dach ist eingestürzt. Die DSO-Musiker wollten trotzdem in der Region auftreten, um den Bewohnern zu zeigen: Ihr seid nicht aus der Welt, auch bei euch gibt es wieder kulturelles Leben, mit dem so etwas wie Normalität zurückkehren kann.

Das Deutsche Symphonie-Orchester in Japan (Copyright: Martin Oetting)
"Musik baut Brücken, die kein Wasser und kein Wind zerstören kann" (Michael Mücke)Bild: Martin Oetting

Brücken bauen

So entstand die Idee zu diesem kleinen großen Nachmittagskonzert. Ein Ensemble aus 25 Streichern ist nach Natori gekommen. "Dieser Auftritt ist vielleicht der wichtigste unserer Tournee, er ist eine Herzensangelegenheit für uns", sagte Orchestervorstand Michael Mücke zum Publikum, während eine Dolmetscherin übersetzte. "Wir wollen etwas von der Wärme und Güte zurückgeben, die wir auf früheren Gastspielen in Japan erfahren durften." Musik baue Brücken, so Mücke, die kein Wasser und kein Wind zerstören könne.

Trotz und Optimismus

Mozarts "Eine kleine Nachtmusik" ist so eine Brücke: der ganzen Welt vertraut, der ganzen Welt verständlich, als Einstieg hervorragend geeignet. Die zehnte Streichersymphonie h-Moll von Mendelssohn-Bartholdy und Tschaikowskys Streicherserenade sind einerseits wehmütige, melancholische Stücke, stecken aber andererseits voller Trotz, Stolz und Optimismus. Und das Publikum, so schien es, fühlte sich davon auch direkt angesprochen. Als Zugabe erklang das Air aus der dritten Orchestersuite D-Dur von Bach, kaum weniger bekannt als Mozarts Nachtmusik.

Ein Heilungsprozess

Zuhörer beim DSO-Konzert in Japan (Copyright: Martin Oetting)
Andächtige ZuhörerBild: Martin Oetting

Man spürte die Dankbarkeit im Saal darüber, dass diese Stücke wieder erklingen konnten - hier in Natori. Isoo Sasaki, der Bürgermeister, erzählte, dass komplette Dörfer ausradiert wurden; nicht von dem Erdbeben, aber von der anschließenden Flutwelle. Die Atomkatastrophe von Fukushima, 90 Kilometer entfernt, dominiert die ausländische Wahrnehmung. Für viele Japaner aber war der Tsunami weitaus schlimmer und folgenreicher. "Wir können Ihnen gar nicht genug danken, dass Sie gekommen sind", sagt Sasaki. "Dieses Konzert ist Teil eines Heilungsprozesses."

Autor: Udo Badelt
Redaktion: Suzanne Cords