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Labyrinth

25. Oktober 2011

Verehrte Freunde Zamoniens! Mit diesem Buch halten Sie einen weiteren Meilenstein aus der Feder des Hildegunst von Mythenmetz in den Händen. Unsere Expertin für zamonische Literatur, Eksün Schwil, mit einer Empfehlung.

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Walter Moers: Buchcover: Das Labyrinth der Träumenden Bücher © 2011 Knaus Verlag, München
Bild: Knaus Verlag, München

Der knapp 300 Jahre alte Lindwurm Hildegunst von Mythenmetz ist schon zu Lebzeiten der größte Dichterfürst Zamoniens. Seine Bücher haben ihn so berühmt gemacht, dass er im Verlauf seiner Karriere satt, fett und größenwahnsinnig geworden ist. Und sich dessen später, als er das "Labyrinth der Träumenden Bücher" verfasst, auch durchaus bewusst ist:

"Ich konnte keine belebte Straße entlang gehen, ohne einen Volksauflauf zu verursachen. Kein Buch schreiben, das nicht umgehend zum Klassiker erklärt wurde. Kurzum: Ich war zu einem von Literaturpreisen und Publikumsgunst verhätschelten Popanz verkommen, dem jede Fähigkeit zur Selbstkritik und nahezu alle natürlichen künstlerischen Instinkte abhanden gekommen waren."

Auf dem Zenit seiner Karriere angekommen, fällt Mythenmetz tatsächlich nichts mehr ein. Seine Bücher verkommen zu trivialster Durchschnittsliteratur. Zum Frühstück liest er gelangweilt seine immer noch gewaltige Fanpost, suhlt sich in den Komplimenten und Glückwünschen, als ihn eines Morgens ein Brief jäh aus seiner Selbstgefälligkeit reißt. Er endet mit dem Satz: "Hier fängt die Geschichte an." Diese Worte hat er vor 200 Jahren zum letzten Mal gehört, vom geheimnisvollen Schattenkönig, der bei einem verheerenden Brand umgekommen ist.

Höchst alarmiert, aber auch voller Freude über eine Abwechslung, macht sich Mythenmetz auf den Weg nach Buchhaim, der Stadt, die vor 200 Jahren niedergebrannt wurde. Die bedeutendste Literaturmetropole Zamoniens ist mittlerweile wieder zum pulsierenden Treffpunkt der zamonischen Bücherwelt geworden. Dort will Mythenmetz die Spuren aus seiner Vergangenheit wieder aufnehmen.

Hildegunst von Mythenmetz aus Walter Moers: Das Labyrinth der Träumenden Bücher © 2011 Knaus Verlag, München
Lindwurm Hildegunst von Mythenmetz wartet in seiner Schreibstube auf eine kreative EingebungBild: Knaus Verlag, München

Überbringer zamonischer Literatur

Wie Sie sich bestimmt schon denken können, ist nicht der Lindwurm Mythenmetz der Verfasser dieser Romane. Es ist der Zeichner und Autor Walter Moers, der die Romane aus dem "Zamonischen" übersetzt und mit erklärenden Fußnoten versieht.

Moers ist zunächst durch seine Comics um "Das kleine Arschloch" und "Adolf, die Nazisau" bekannt geworden. Später schlossen sich die Romane aus der "Zamonien"-Reihe an. Den Anfang machten "Die 13 ½ Leben des Käpt'n Blaubär". Hier haben wir den Kontinent Zamonien kennengelernt und damit auch die schier unbegrenzte Phantasie seines Schöpfers Walter Moers. Er erfindet die schrillsten Wesen und Pflanzen, die absurdesten Landschaften und Naturerscheinungen.

Viele seiner Protagonisten erinnern an echte Charaktere, vor allem aus der Weltliteratur. So gibt er ihnen die Anagramme berühmter Dichter als Namen. Ojahnn Golgo van Fontheweg ist einer der oft zitierten Literaten – verdreht man die Buchstaben ein wenig, kommt Johann Wolfgang von Goethe heraus. Die Anagramme sind immer wieder eine Herausforderung für Tüftler und Literaturkenner. Auch Moers' Zeichnungen sind bemerkenswert: Er illustriert seine Bücher selber, und zwar liebevoll bis ins kleinste Detail. An seinen Federzeichnungen muss Moers Stunden, wenn nicht Tage gesessen haben. Genau so detailverliebt ist der Autor bei seinen Beschreibungen – zum Beispiel als Mythenmetz durch den alten Stadtkern von Buchhaim bummelt:

"Und auch hier gab es Läden mit geschnitzten Marionetten. Ferner Antiquitäten, die auf unterschiedlichste Art mit dem Druckgewerbe zu tun hatten: Alte Lesebrillen und Lupen, aus Büchern ausgelöste und gerahmte Stiche, vergoldete Lesezeichen und welche aus hauchdünnem Elfenbein, kostspielige Pflegemittel für antike Ledereinbände, aufwändig mit Ornamenten beschnitzte Buchstützen, ausrangierte Druckbuchstaben aus Holz und Blei, uralte Setzkästen und sogar komplette antike Druckmaschinen aus Gusseisen und Messing.“

Ein zweiter Teil von mindestens dreien

Bei allem Spaß an den stimmigen Bildern, Metaphern und Anagrammen, an den Zitaten und Verbeugungen vor den wichtigsten Dichtern und Figuren der Weltliteratur: "Das Labyrinth der Träumenden Bücher" ist ein Fortsetzungsroman. Eines der Sorte Bücher, die man nicht lesen sollte, wenn man nicht den ersten Teil der Geschichte kennt.

Der deutsche Autor und Comic-Zeichner ('Das kleine Arschloch') Walter Moers, aufgenommen am 29. Juli 1994. (dpa)
Walter Moers 1994Bild: picture-alliance/dpa

Mythenmetz' Rückkehr in die Bücherstadt ist eine Zwischenstation. Hier ergeht er sich in langen Geschichten über die Geschehnisse der letzten 200 Jahre in Buchhaim, schier endlosen Beschreibungen langer Theaterstücke und ermüdenden Notizen. Insgesamt wenig Handlung, und leider auch nur wenig Spannung. Dafür entschuldigt sich sogar der "Übersetzer" dieses Buchs, Walter Moers, im Nachwort: "Ich musste, so leid es mir tut, den Roman aus Gründen seines Umfangs und seiner Komplexität in zwei Bücher aufteilen. Dies hängt hauptsächlich mit den massiven Kürzungen zusammen, die ich auch diesmal – wie fast immer bei Mythenmetz - an den oft fast absurd umfangreichen Prosatexten vorzunehmen hatte. So entstand die Idee aus der Not eine Tugend und aus einem Buch zwei zu machen.“

Moers verspricht, in Kürze den nächsten Teil der Übersetzung zu liefern. Als Cliffhanger muss der Satz herhalten, der auch schon nach dem ersten Buch Lust auf die Fortsetzung machte: "Hier fängt die Geschichte an."

Ich verzeihe dem sich offenbar immer noch in einer Schaffenskrise befindlichen Mythenmetz seine Ausschweifungen, die an die Spannung im ersten Teil der Buchhaim-Saga nicht heran kommen. Ich gebe Mythenmetz alias Walter Moers eine Chance mit dem kommenden Buch aus dieser Reihe. Bis dahin lege ich den Mantel des Schweigens über dieses so schön gestaltete und großformatige Stück zamonischer Trivialliteratur und empfehle Ihnen den ersten Teil, "Die Stadt der Träumenden Bücher". Denn damit kann ich ihnen eins garantieren: Hier fängt die Geschichte an.

Autorin: Eksün Schwil (Alias: Silke Wünsch)
Redaktion: Ferba La Schagai (Alias: Gabriela Schaaf)

Buchangaben:
"Das Labyrinth der Träumenden Bücher". Autor: Walter Moers,
Knaus Verlag, 432 Seiten, gebunden,
ISBN: 978-3-8135-0393-7
24,99 Euro

Hörbuch-Ausgabe:
"Das Labyrinth der Träumenden Bücher", Autor: Walter Moers,
Gelesen von: Andreas Fröhlich
der Hörverlag, 12 Audio-CDs, Laufzeit: 882 Minuten
ISBN: 978-3-86717-771-9
39,99 Euro