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Holger Ehling im Gespräch

17. Oktober 2011

Gelassenheit tut Not, meint Buchmarktexperte Holger Ehling. Der Journalist und Autor beobachtet schon seit Jahren den internationalen E-Book-Markt. Gerade ist sein erstes eigenes E-Book erschienen.

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Holger Ehling (Foto: dpa)
Holger EhlingBild: picture-alliance/dpa

DW-WORLD.DE: Holger Ehling, wenn man die Branchenpresse liest und sich mit dem Programm der Buchmesse beschäftigt, hat man das Gefühl, dass es sich mehr um eine Elektronikmesse handelt. Von paid content ist da die Rede, von enriched oder enhanced books, transmedialem Storytelling, von Apps und Plattformen – nicht mehr um das Buch geht es, sondern um das "Prinzip Buch". Ist die Zukunft schon da? Hat der geneigte Leser etwas verschlafen?

Eine Frau hält das 'Kindle'-Lesegerät für elektronische Bücher von Amazon in der Hand (Foto: dpa)
Handlich: E-Book-LesegerätBild: picture alliance/dpa

Holger Ehling: Der geneigte Leser tut im Moment wahrscheinlich noch ganz gut daran, die Augen geschlossen zu halten, denn alles, was da mit großer Geste und beeindruckendem Business-Denglish verkauft wird, ist eigentlich nur sehr laues Wasser. Wir haben tatsächlich eine Situation, in der in einem einzigen Land der Welt, nämlich in den USA, der Verkauf von e-Büchern tatsächlich wirtschaftlich eine Relevanz erreicht hat. Ganz egal, wo man sonst guckt, ob das nun in Frankreich, Spanien, Deutschland, England, Holland oder auch in den technikverrückten Ländern wie Südkorea oder Japan ist: Der E-Book-Verkauf ist weltweit marginal, er erreicht allenfalls Größenordungen von einem Prozent im Buchhandelsumsatz. Insofern darf man durchaus die Frage stellen, ob es legitim ist, dass das größte Branchentreffen der Welt, das ja durchaus die Marktrealitäten abbilden soll, gut beraten ist, seinen Fokus einzig auf diese Marginalentwicklung im Markt zu richten. Oder ob es nicht auch angezeigt wäre, ein bisschen Aufmerksamkeit auf Themen zu richten, die den buchhändlerischen und verlegerischen Alltag und auch den Lesealltag betreffen.

Sie selbst sind – um es mal neudeutsch zu sagen – ja auch digital unterwegs. Sie sind vor allem ein kundiger Beobachter des Buchmarktes. Wo funktioniert das E-Book denn, oder wo könnte es funktionieren? Wo hat es sich bewährt?

Verschiedene Bücher übereinander gestapelt (Foto: dpa)
"P-Bücher" aus PapierBild: picture alliance/dpa

Ich bin selber ein gutes Beispiel für einen durchschnittlichen E-Book-Leser, wie man ihn vor allem in den USA findet. Dort werden zehn bis zwölf Prozent des Buchhandelsumsatzes mit E-Books gemacht. Ich lese als E-Book mittlerweile vor allem Krimis und Unterhaltungsliteratur, wenn ich irgendwo unterwegs bin, im Hotel oder so, und mich nicht belasten will mit Bücherstapeln. Das ist ein Leseverhalten, das tatsächlich zu beobachten ist. Ich war vor kurzem eine ganze Reihe von Wochen in den USA unterwegs, und dort sah man tatsächlich, ob das nun in Flughäfen war, in Hotels, am Swimmingpool, am Strand: Gut ein Drittel der Leute, die gelesen haben, taten das mit E-Book-Readern.

Also in der Tat eher im Unterhaltungsbereich?

Es ist tatsächlich so, dass der Unterhaltungsbereich in den USA boomt, was den E-Book-Absatz und E-Book-Umsatz angeht. Man hatte ja lange Zeit erwartet, dass vor allen Dingern die Fachliteratur und die wissenschaftliche Literatur das ganze Thema befeuern würde – dem ist aber nicht so.

Und in Deutschland: Kann man da schon was sagen?

In Deutschland kann man sagen, dass tatsächlich auch die Unterhaltungsliteratur im Kommen ist. Wie gesagt, wir reden von ganz ganz geringen Marktanteilen. Aber es ist so, dass tatsächlich auch mit der Einführung von besseren und billigeren Lesegeräten die Neigung des Lesers, sich damit zu beschäftigen, wächst.

Man darf auf der anderen Seite auch nicht vergessen: Ein Leser, der so wie ich einen E-Book-Reader kauft, der ja einiges an Geld kostet, der muss schon ganz kräftig an der Lesenadel hängen, der ist lesesüchtig. Und insofern tun Buchhandel und Verlage gut daran, solche Intensivkunden auch angemessen zu bedienen.

Ist der Tablet-PC, wie zum Beispiel das iPad, da ein Durchbruch?

Ein iPad liegt auf einer Zeitung (Fotos: Fotolia/dpa / DW-Montage)
Alternative: Tablet-PCBild: Fotolia/Henri Schmit/picture alliance/dpa/DW Fotomontage

Der Tablet-PC ist tatsächlich eine Technologie, die über das reine Lesegerät hinausverweist. Es ist ja nicht einsehbar, dass ich irgendwann mit einem ganzen Fuhrpark an Elektrogeräten unterwegs sein soll, ob es nun das Handy ist oder das E-Book-Lesegerät und dann noch der Laptop, um damit zu arbeiten. Da lassen sich viele Dinge in solchen Tablet-Computern vereinen. Es gibt Geräte, mit denen man lesen kann, mit denen man surfen kann, mit denen man auch telefonieren kann. Das ist sicherlich gar nicht dumm und ist auch lebenspraktisch gedacht. Der reine Reader, der nichts anderes kann als lesen, ist sicherlich nur eine Übergangstechnologie.

Wie kann man denn die Leser auf diesen Weg mitnehmen? Die sträuben sich ja noch…

Es gibt in Deutschland im Moment so gut wie gar keine Bemühungen um die elektro-affinen Leser. Der Leser muss sich selbst durchfinden, der Leser muss seine Sachen selber suchen und dann irgendwie einen Trick finden, wie er das Ganze auch noch kaufen kann. Es gibt mittlerweile einige Portale, die sich darauf spezialisieren, E-Books anzubieten. Das sind natürlich die großen von Apple und Amazon, auch von der Deutschen Telekom, aber aus der buchhändlerischen Linie gibt es Angebote von Thalia, Weltbild und anderen, die werden aber eher marginal wahrgenommen. Es gibt keine wirklich intensive Publikumswerbung, was auch verständlich ist, denn 99 Prozent des Geschäfts macht der Buchhandel mit gedruckten Büchern, und es wäre wirtschaftlich wenig rentabel, große Ressourcen einzusetzen, um tatsächlich solch einen marginalen Markt über die nächsten zwei, drei Jahre unter Einsatz von großen Geldmitteln aufzubauen. Der wird schon irgendwann entstehen, er wird sicherlich irgendwann mal in den Bereich von acht bis zehn Prozent Marktanteil kommen. Wann das sein wird, ob das 2015, 2018, 2020 sein wird, das lässt sich jetzt noch nicht sagen, das hängt von verschiedenen Marktentwicklungen ab, vor allen Dingen hängt es von den technischen Entwicklungen ab, mit denen die Leute konfrontiert werden.


Das Gespräch führte Gabriela Schaaf
Redaktion: Claudia Unseld



E-Books verkaufen – aber richtig! Von Holger Ehling (Hg.) mit Beiträgen von Richard K. Breuer, Jens Klingelhöfer, René Kohl, Ralph Möllers und Cao Hung Nguyen
eBook-Ausgabe Oktober 2011, ca. 50 Seiten, 4,99 Euro. EPUB, ISBN 978-3-9801932-9-0