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Richter-Eklat beim Kambodscha-Tribunal

10. Oktober 2011

Nach monatelanger Kritik ist der deutsche Richter Siegfried Blunk beim UN-Sondergericht für Kambodscha zurückgetreten. Er spricht von Einmischung, sah sich aber schon länger internationalen Vorwürfen ausgesetzt.

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Siegfried Blunk (eccc.gov)
Rücktritt in Kambodscha nach nur zehn Monaten: Dr. Siegfried BlunkBild: eccc/public domain

Als Grund für seinen Rücktritt, um den Blunk rückwirkend zu Anfang Oktober bat, gab er am Montag (10.10.2011) anhaltenden "Druck seitens Regierungsvertretern" in Phnom Penh an. Der deutsche Jurist wertete dies als "versuchte Einflussnahme" auf seine Arbeit. Die Rücktrittsbitte habe er UN-Generalsekretär Ban Ki Moon inzwischen schriftlich übermittelt, sagte er.

Aufgetürmte Totenschädel der Khmer-Opfer (Foto: AP)
Geschätzte zwei Millonen Tote hinterließ die Herrschaft der Roten Khmer in den siebziger Jahren.Bild: AP

Die Richter am UN-Sondertribunal ermitteln seit 2006 wegen möglicher Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die während der Schreckensherrschaft der Roten Khmer 1975 bis 1979 begangen wurden. Unter dem Regime der Kommunisten wurden nach Schätzungen mehr als zwei Millionen Menschen getötet. Das Tribunal mit UN-Beteiligung hat als bislang einzigen Angeklagten den Leiter des berüchtigten Foltergefängnisses Toul Sleng zu 35 Jahren Haft verurteilt.

Regierung befürchtet Unruhen

Hintergrund des aktuellen Streites sind weitere Prozesse. Die kambodschanische Führung unter Ministerpräsident Hun Sen lehnt es derzeit ab, außerhalb der bereits eingeleiteten Verfahren gegen vier führende Vertreter des Pol Pot-Regimes noch gegen fünf weitere Verantwortliche zu ermitteln. Ihre Ablehnung begründet sie mit dem Argument, die Prozesse könnten für erhebliche Unruhen im Land sorgen. Blunk klagte jetzt, er sei deshalb nicht nur vom Regierungschef selbst, sondern auch von zwei Ministern unter Druck gesetzt worden.

Der Gerichtssaal in Phnom Penh (Foto: AP)
Ein Urteil fällte das UN-Sondertribunal in Phnom Penh bislang.Bild: AP

Menschenrechtsgruppen wie "Human Rights Watch" drängen aber auf weitere Untersuchungen. Sie werfen Blunk und seinem kambodschanischen Kollegen You Bunleng mangelnde Unabhängigkeit vor. Beide hätten versäumt, eigenständige, unparteiische und effektive Untersuchungen in zwei Fällen durchzuführen, erklärte Asien-Direktor Brad Adams. Dies sei schon schockierend bei einem gewöhnlichen Verbrechen, aber unglaublich, wenn es um einige der schlimmsten Gräueltaten des 20. Jahrhunderts gehe, sagte er.

Auch US-Juristen der renommierten "Open Society Justice Initiative", die den Prozess beobachten, stellten zuletzt "Kompetenz und Professionalität" ihrer beiden Kollegen öffentlich in Frage.

Autor: Gerd Winkelmann (dpa, afp, kna)
Redaktion: Martin Muno