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Islambild Medien

2. Oktober 2011

Ist das Islambild in den Medien zu negativ? Warum hat die Islamfeindlichkeit in Deutschland zugenommen? Zu diesem Thema fand in Stuttgart eine Veranstaltung mit Politikern, Medienleuten und Religionsvertretern statt.

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Symbolbild Islam in den Medien (Foto: dpa/Montage: DW)
Bild: picture-alliance/ dpa / Fotomontage: DW

Muslime sehen sich und ihren Glauben durch deutsche Medien überwiegend negativ dargestellt. Ist das eine kollektive Wahrnehmung einer Minderheit oder tatsächlich Fakt? "Es ist tatsächlich so, dass Forschungen der letzten zwei Jahrzehnte ergeben haben, dass die Thematisierungsstruktur der Medien zu eng ist, wenn es um den Islam geht", erklärt Medienwissenschaftler Kai Hafez. Der Islam werde viel zu sehr mit negativen Themen wie Terror oder Frauendiskriminierung in Verbindung gebracht. Berichte mit neutralem oder positivem Charakter gebe es wenig. "Diese Form der Konstruktion einer Themenagenda erzeugt eine gewisse Schieflage in der öffentlichen Diskussion", so Hafez weiter.

Islamfeindlichkeit hat zugenommen

Eine solche Schieflage in der öffentlichen Diskussion könne zu Ängsten und einer Ablehnung des Islams führen. Zahlreiche Studien belegten, dass die Islamfeindlichkeit in Europa zugenommen habe. Im Gegensatz zu Großbritannien oder Frankreich sei die Islamophobie in Deutschland und den Niederlanden stärker ausgeprägt. Die Ursachen für diesen Rassismus seien vielfältig, erklärt der Medienwissenschaftler. Die Ausbreitung rechtsextremer Parteien in Europa, islamfeindliche Internetseiten wie "Politically Incorrect" zählten zum ideologischen Einflussbereich. Aber auch Wertedebatten seien entscheidend: In Gesellschaften wie den USA, wo die Religionsfreiheit ein hohes Gut ist, gebe es trotz der Islamfeindlichkeit weder Moschee- noch Kopftuchdebatten. "Sozioökonomische Faktoren können Islamfeindlichkeit verstärken", sie seien aber nicht kausal. Rassismus wachse immer dann, wenn Wohlstand schwindet.

Vermittlung des Islambildes ist entscheidend

Zur wachsenden Islamfeindlichkeit äußerte sich auch Bilkay Öney. Die Integrationsministerin des Landes Baden-Württemberg wünscht sich eine differenziertere Darstellung des Islams in den Medien, um der Islamfeindlichkeit entgegenzutreten: "Man muss zusehen, wie man dieses Thema in der Breite der Gesellschaft aufgreift und wie man gegen diese Islamfeindlichkeit vorgeht", sagt die Ministerin.

Bilkay Öney, Integrationsministerin des Landes Baden-Württemberg (Foto: Ulrike Hummel)
Bilkay Öney, Integrationsministerin des Landes Baden-WürttembergBild: DW

Die Vermittlung eines richtigen Islambildes sei entscheidend. "Da müssen Schulen ihren Teil leisten, die Politik muss ihren Teil leisten und in der Gesellschaft muss es eine differenziertere Darstellung geben. Die Medien haben hier eine besonders verantwortungsvolle Aufgabe", sagt sie weiter.

In einem Vortrag zur medialen Darstellung des Islams verweist Medienpädagogin Sabine Schiffer auf besonders markante Titelseiten, die zu Zerrbildern des Islams in der Gesellschaft beitragen. Mit Überschriften wie "Mekka Deutschland - die schleichende Islamisierung", unterlegt mit suggestiven Bildern, erzeugten viel gelesene Medien Zerrbilder des Islams in der Gesellschaft. Nachrichtenmagazine wie "Der Spiegel", "Focus" oder "Stern" waren ebenso in der Kritik wie namhafte Zeitungen, etwa die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" oder "Die Zeit". Die Religion des Islams werde vielfach mit negativen Frames wie Terror oder Frauenunterdrückung in Verbindung gebracht. Reale Aspekte - etwa die Unterdrückung von Frauen in Saudi-Arabien - würden medial vergrößert und auf die hier lebenden Muslime übertragen, erklärt Schiffer.

Die Medienpädagogin verweist dabei aber auch auf die positive Berichterstattung. Den richtigen Zeitpunkt hätten viele Medien allerdings verpasst, jetzt sei es möglicherweise zu spät. "Berichte über erfolgreiche Akademikerinnen muslimischen Glaubens lösen eher Konkurrenzängste aus als eine türkische Putzfrau mit Kopftuch", so Schiffer. Aber nicht nur die Medien haben eine Verantwortung - schließlich vermitteln sie die Inhalte, für die sich Mediennutzer interessieren.

"Bad news is good news", "schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten" sei noch immer ein Grundsatz, der funktioniert. "Wir kritisieren ja gerne die Medien, aber ob wir sie kaufen würden, wenn sie so unspektakulär wären, ist fraglich." Auch die Mediennutzer hätten eine Verantwortung. "Ich denke, wir müssten in der schulischen Ausbildung mehr daran arbeiten, dass wir uns über unsere Meinungsbildungsprozesse mehr Klarheit verschaffen", sagt Sabine Schiffer.

Sabine Schiffer, Medienpädagogin (Foto: Ulrike Hummel)
Medienpädagogin Sabine SchifferBild: Ulrike Hummel

Mehr differenzierte Berichterstattung

In Arbeitsgruppen zu verschiedenen Themen wurde diskutiert, kritisiert und neu nachgedacht, so etwa über die Verwendung des Begriffes "Islamismus". Einen religiösen Begriff mit Terrorismus in Verbindung zu bringen, sei unangebracht, so die Kritik. Man könne statt dessen auch von fanatischem Terrorismus sprechen, schlug ein Tagungsteilnehmer vor.

Für die ARD-Redakteurin Marjan Parvand bot nicht nur diese Anregung Denkanstöße, die sie mit in die Redaktion nehmen wird: "Wir haben über Pierre Vogel gesprochen. Und da fand ich einige Anregungen ganz interessant." Anstatt den islamistischen Prediger, der vom Verfassungsschutz beobachtet wird, einfach totzuschweigen, wünschten sich einige Zuhörer eine differenziertere Berichterstattung auch in Nachrichtensendungen. "Darüber kann man nachdenken", räumt Marjan Parvand ein.

"Islam in der öffentlichen Wahrnehmung" war die dritte landespolitische Veranstaltung der fünfjährigen Tagungsreihe "Gesellschaft gemeinsam gestalten". Veranstalter waren das Land Baden-Württemberg, die Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart sowie die Robert Bosch Stiftung. Ziel dieser Reihe ist es, den Dialog zwischen Muslimen, Kirchen und Kommunen weiter zu intensivieren.

Autorin: Ulrike Hummel
Redaktion: Christina Beyert