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Ägpytisches Frauenradio

4. Oktober 2011

Mit deutscher Unterstützung kämpft der erste und einzige Frauensender Ägyptens im Internet für mehr Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen. Das ist eine Sisyphosarbeit – und außerdem gefährlich.

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Website der "Girls Only Radio Station" (Screenshot von http://www.banat9bass.com/, 29.9.2011)
Website der "Girls Only Radio Station"Bild: www.banat9bass.com/
Amani Eltunsi (Foto: DW)
Amani EltunsiBild: DW

Ein Mann ohrfeigte in aller Öffentlichkeit immer wieder seine Frau. Amani Eltunsi beobachtete die Szene fassungslos. "In Ägypten wird eine Frau immer noch als Hausfrau und Mutter und vielfach als Eigentum des Mannes gesehen", erzählt sie mit ausdruckslosem Gesicht und leiser aber bestimmter Stimme. Die Journalistin eilte der Frau zu Hilfe und beschloss daraufhin, den ersten und bisher einzigen weiblichen Radiosender, die "Girls Only Radio Station", zu gründen. Das war vor drei Jahren. "Ich habe einen Kredit aufgenommen und einen Antrag für das Radio gestellt". Über Politik, Sex und Religion will sie berichten, doch das wird ihr verboten. Sie widmet sich deshalb zunächst sozialen Themen wie Gewalt gegen Frauen, deren finanzieller Abhängigkeit von den Männern und der Gleichberechtigung.

Nach anfänglichen Startschwierigkeiten gewinnt das Internetradio Jahr für Jahr mehr Zuhörer. "Von 2008 bis 2010 hatten wir fünf Millionen Hörer", erzählt die Ägypterin nicht ohne Stolz. Das Team besteht inzwischen aus 25 Mitarbeiterinnen. Männer will sie nicht als festangestellte Kollegen haben. "Die sind zu oft gegen unsere Sache", sagt Eltunsi kurz und knapp.

Das Regime schlägt zurück

Der tägliche Kampf ums finanzielle Überleben und der politische Druck, der immer wieder auf die Radiomacher ausgeübt wird, haben Spuren hinterlassen. Eltunsis Haut ist fahl, die Augen sind müde, sie wirkt deutlich älter als 28 Jahre.

Proteste auf dem Tharir-Platz im Februar (Foto: dpa)
Proteste auf dem Tharir-Platz im FebruarBild: picture-alliance/dpa

Wochenlang begleitete die studierte Informatikerin in diesem Sommer den Umbruch auf dem Tahrir-Platz mit Kamera und Mikrofon. Während einer Demonstration wurde sie verhaftet, stundenlang verhört. Sie musste ihr Facebook-Passwort freigeben. Anstelle ihres Fotos setzte die Staatssicherheit eines von Präsident Husni Mubarak ein.

Sie lächelt, wenn sie davon erzählt - denn den Behörden gelang es damals nicht, die Website des Radiosenders zu sperren. So konnte sie innerlich triumphieren, weil sie merkte: Die Behörden haben keine Ahnung vom Internet und dem Umgang damit.

Der Schlag ins Kontor

Der autokratische Präsident Mubarak ist entmachtet, doch für Eltunsi ist der Leidensweg deshalb nicht vorbei. Während einer Gerichtsverhandlung gegen Mubarak wurden ihre Kollegen und sie brutal angegriffen. Eltunsi wurden die Zähne eingeschlagen, das gesamte Equipment wurde beschlagnahmt. "Wir denken, es waren Anhänger der alten Garde", sagt sie. Ihr Sender stand im August 2011 vor dem Aus. Doch nicht nur dieser Überfall war bitter für die junge Journalistin. Sie stellt auch fest, dass es starke radikal-islamische Strömungen gibt, denen selbstbewusste Frauen ein Dorn im Auge sind, die sie mit allen Mitteln bekämpfen wollen.

Der Befreiungsschlag

Hoffnung, dass es langsam wieder bergauf geht, hat Eltunsi durch die Hamburger filia-Stiftung erhalten. Die deutsche Gemeinschaftsstiftung hat dem Sender 5000 Euro gespendet. Damit konnten zunächst frühere Schulden beglichen werden. Eltunsi hofft, dass durch die außerdem gestartete Spendenaktion von filia weiteres Geld in die Kasse kommt, damit wieder Material gekauft werden kann. Auch die Deutsche Welle ist Kooperationspartner der "Girls Only Radio Station".

Sitzung in einem der vier Hamburger Zontavereine (Foto: DW/Kathrin Erdmann)
Sitzung in einem der vier Hamburger ZontavereineBild: DW

Doch derzeit hat die Crew die Live-Berichterstattung eingestellt, auf der Website sind nur noch vorproduzierte Sendungen zu hören. Vor allem für Frauen ist es in der unklaren politischen Situation gefährlich, sich öffentlich zu betätigen, sagt Eltunsi. Sie hofft mit den Wahlen auf einen zweiten arabischen Frühling, auf einen Befreiungsschlag, von dem dann auch die Frauen profitieren.

Darauf setzt auch filia-Geschäftsführerin Sonja Schelper. "Wenn man die Umbrüche in Ägypten gesehen hat, dann erkennt man die Chance, die jetzt schnell genutzt werden muss, um mehr für Gleichberechtigung zu tun". Eltunsi imponiert der deutschen Feministin. "Sie weiß was sie will, und sie hat Power". Und Mut, fügt die Äypterin an.

Autorin: Kathrin Erdmann

Redaktion: Dеnnis Stute