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EU-Finanzminister in Wroclaw

15. September 2011

US-Finanzminister Timothy Geithner will die europäischen Finanzminister bei ihrem Treffen im polnischen Wroclaw zu eiligem Handeln drängen. Die EU-Finanzminister sind nicht begeistert über den ungebetenen Rat.

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Timothy Geithner, Finanzminister der USA, vor der US-Flagge (Foto: picture alliance/dpa)
Geithner an Europa: "Ihr solltet mehr tun"Bild: picture alliance/dpa

Die Europäische Union und besonders Deutschland könnten mehr tun, um die Schuldenkrise zu lösen und Gefahren von der Weltkonjunktur abzuwenden, glaubt man in Washington. In Wroclaw (Breslau) hatte die polnische Ratspräsidentschaft der EU für Freitag (16.09.2011) eigentlich zum Nachdenken über Wege aus der Schulden- und Eurokrise eingeladen. Dann kündigte der amerikanische Finanzminister sein Kommen an, um an den informellen Beratungen teilzunehmen. Das gab es noch nie.

Geithner hat eine diplomatisch verpackte, aber klare Botschaft im Gepäck. Dem Fernsehsender CNBC sagte er vor seiner Abreise nach Polen: "Die Europäer sind absolut engagiert, und sie haben die finanziellen Kapazitäten, die wirtschaftlichen Kapazitäten, um das Nötige zu tun." Zuvor hatte Geithner am vergangenen Wochenende in einem anderen Interview gesagt, die Europäer bewegten sich zu langsam, besonders die großen Staaten - gemeint war Deutschland - könnten mehr tun.

Flankiert wird der Auftritt Geithners in Wroclaw durch Äußerungen der neuen Chefin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde. Die ehemalige französische Finanzministerin sagte in Washington, die Krise in der EU wirke sich negativ auf die Weltwirtschaft aus. Eine offizielle Antwort der EU-Finanzminister steht noch aus, aber von EU-Diplomaten in Wroclaw hieß es, die USA suchten offenbar einen Sündenbock für eigene Versäumnisse. Die USA seien selbst überschuldet und würden die Weltkonjunktur so belasten.

Widerstand gegen Rettungsfonds

Der Marktplatz von Wroclaw in Polen (Foto: transit-Archiv)
Malerische Kulisse für das Treffen der EU-Finanzminister: Der Breslauer MarktplatzBild: transit-Archiv

Die Finanzminister der 17 Staaten mit der Gemeinschaftswährung Euro und später alle 27 EU-Finanzminister werden beraten, ob die Werkzeuge, die sich die Eurozone zur Lösung der Krise gegeben hat, ausreichen. Die Europäische Zentralbank drängt darauf, dass der Rettungsfonds der Euro-Staaten (EFSF) möglichst schnell den Aufkauf von Staatsanleihen aus überschuldeten Staaten wie Italien und Spanien übernimmt. Dazu müssen in zahlreichen Staaten noch Gesetze verabschiedet werden. In Deutschland will der Bundestag Ende September abstimmen.

Nicht nur in Deutschland gibt es inzwischen politischen Streit über den Umfang der Rettungsmaßnahmen für klamme Staaten. Auch in Finnland, Österreich, den Niederlanden und der Slowakei gibt es noch Bedenken. Finnland besteht zum Bespiel auf materiellen Sicherheiten für weitere Kredite an Griechenland. Diese Garantien könnten auch die Niederlande fordern. Die Bundesregierung lehnt dies ab.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wird seinen Kollegen aus der Euro-Zone sicher noch einmal die Haltung der Bundesregierung zur Rettung Griechenlands erläutern müssen. Während der FDP-Chef und Wirtschaftsminister Philipp Rösler die Insolvenz Griechenlands für möglich hält, lehnt Bundeskanzlerin Angela Merkel eine - wie sie sagt - ungeordnete Staatspleite Griechenlands ab. Die Werkzeuge für eine geordnete Insolvenz werde es von 2013 an geben, so Merkel in einem Hörfunkinterview. In einem Telefonat mit dem griechischen Premierminister Giorgos Papandreou sagte die Bundeskanzlerin, Griechenland solle in der Euro-Währungsunion bleiben.

Gemeinsame Dollar-Spritze der Zentralbanken

Die gemeinsame Aktion der Zentralbanken, die Europäische Zentralbank eingeschlossen, US-Dollar nach Europa zu pumpen, wird die Finanzminister ebenfalls beschäftigen. Der überraschende Schritt der Notenbanken, mit dem die Banken in Europa liquide gehalten werden sollen, zeigt, dass sich die Lage der Banken verschlechtert hat. Schon seit einigen Wochen gibt es Gerüchte, dass die Banken in Europa sich gegenseitig zu wenig Geld leihen, weil das Vertrauen fehlt. Angeblich arbeitet das Bundesfinanzministerium in Berlin bereits an einem Plan, wie Banken gerettet werden könnten, die ihre griechischen Staatsanleihen abschreiben müssten.

Bis drei zählen

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble kratzt sich skeptisch das Kinn, im Hintergrund das Wort Finanzen (Foto: dapd)
Wird sich Fragen der Kollegen stellen müssen: Finanzminister SchäubleBild: dapd

Wenn Griechenland bis Mitte Oktober nicht acht Milliarden Euro neue Hilfskredite von der Euro-Zone erhält, ist der Staat zahlungsunfähig. Zurzeit prüft eine Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds, ob Griechenland die notwendigen Auflagen erfüllt. Ein Ergebnis soll Ende September vorliegen. Bundesfinanzminister Schäuble dementierte nicht, dass sich Deutschland auf den Fall einer griechischen Pleite vorbereitet. "Eine Regierung muss sich auf Katastrophen vorbereiten, alles andere wäre fahrlässig", sagte Schäuble in einem Fernsehinterview.

Obwohl sich die Börsen in Europa nach der Rettungsaktion der Zentralbanken in dieser Woche wieder ein wenig erholt haben, wissen die Investoren, dass die Schuldenkrise in Europa nicht vorbei ist. Sie erwarten Antworten von den Finanzministern in Breslau. Der Wirtschaftszeitung "Handelsblatt" sagte der Analyst Robert Halver von der Baader Bank: "Vorübergehend scheinen die Märkte davon auszugehen, dass die Kuh vom Eis ist, also eine unmittelbare Pleite Griechenlands nicht bevorsteht." Halver betonte, dass sei keine dauerhafte Entspannung, denn "jeder, der fehlerfrei bis drei zählen kann, weiß, dass Griechenland nicht zu retten ist. Nur ein Wunder kann Griechenland in der Eurozone halten."

Autor: Bernd Riegert
Redaktion: Hans Sproß/Ursula Kissel