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Merkel weist Kohl-Kritik zurück

25. August 2011

Der Bundesregierung fehle der Kompass für ihre Politik, hat Altbundeskanzler Helmut Kohl Kanzlerin Merkel vorgehalten. Doch den Schuh zieht sie sich nicht an. Die Zeiten hätten sich geändert, kontert sie.

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Altbundeskanzler Helmut Kohl (Foto: dapd)
Beklagt den Politikwandel unter seinen Nachfolgern: Altbundeskanzler Helmut KohlBild: dapd

Es war schon starker Tobak, den Altbundeskanzler Helmut Kohl (CDU) da öffentlich rauchte. "Deutschland ist schon seit einigen Jahren keine berechenbare Größe mehr – weder nach innen noch nach außen" hatte Kohl in einem Interview mit der Zeitschrift "Internationale Politik" beklagt, das am Mittwoch (24.08.2011) veröfentlicht wurde. Er frage sich, wo Deutschland heute eigentlich stehe und wohin es wolle. Diese Frage stellten sich auch die Verbündeten.

Deutschland laufe Gefahr, "beliebig und unberechenbar zu werden". Damit bezog er sich auf Entscheidungen wie die Ablehnung des Irak-Kriegs durch die rot-grüne Bundesregierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder, aber auch auf die Enthaltung von Schwarz-Gelb im UN-Sicherheitsrat bei der Abstimmung über die Libyen-Intervention.

Kohl beklagt fehlende Orientierung deutscher Außenpolitik

Zerfallender Euro und EU-Fahne (Foto: DW)
Zerfällt Europa?Bild: picture alliance / Bildagentur-online/Ohde

Kurz gesagt: Kohl, der Deutschland von 1982 bis 1998 regierte, vermisst eine klare Position der deutschen Außenpolitik: "Wenn man keinen Kompass hat" und auch "keinen Führungs- und Gestaltungswillen, dann hängt man auch nicht an dem, was wir unter Kontinuität deutscher Außenpolitik verstehen, ganz einfach, weil man keinen Sinn dafür hat".

Wenn Deutschland die Grundpfeiler deutscher Außenpolitik wie die transatlantischen Beziehungen, das geeinte Europa, die deutsch-französische Freundschaft verlasse, habe das "katastrophale Folgen": Die Vertrauensbasis ginge verloren, Unsicherheiten breiteten sich aus. Dass US-Präsident Barack Obama bei seinem jüngsten Europabesuch nicht nach Deutschland gekommen sei, wäre früher unmöglich gewesen.

Kohl warnte auch vor einer Spaltung Europas im Zuge der Eurokrise. Die Griechenlandhilfe sei nötig und ohne Alternative. Die Fehler seien früher gemacht worden. Unter ihm wäre Griechenland nicht in die Eurozone aufgenommen worden. Das geschah zur Regierungszeit von Bundeskanzler Schröder (SPD). Auch die Verstöße gegen den europäischen Stabilitätspakt hätte es mit ihm nicht gegeben.

Die Zeiten ändern sich

Bundeskanzlerin Angrela Merkel (Foto: AP)
Besteht auf einer eigenen Politik: Bundeskanzlerin Angela MerkelBild: AP

Die Reaktion von Bundeskanzlerin Angela Merkel - ebenfalls CDU - kam umgehend: "Jede Zeit hat ihre spezifischen Herausforderungen. Die christlich-liberale Bundesregierung arbeitet daran, die Herausforderungen unserer Zeit zusammen mit anderen Partnern in Europa und der Welt entschlossen zu meistern", sagte die Kanzlerin der "Süddeutschen Zeitung" (Donnerstagsausgabe).

Noch deutlicher wurde Guido Westerwelle, als Außenminister zuständig für die von Kohl kritisierte Politik. Wie Merkel verwies er auf die Verdienste des Altkanzlers für die deutsche Einheit und Europa. Aber: Für die amtierende Bundesregierung sei es nicht nur entscheidend, alte Partnerschaften zu pflegen, sagte Westerwelle im ZDF. In der Welt des 21. Jahrhunderts sei es auch notwendig, die neuen Zentren der Welt ernst zu nehmen und neue strategische Partnerschaften aufzubauen. Derzeit werde eine neue Weltarchitektur geschmiedet, "mit neuen Kraftzentren, erfolgreichen Ländern in Asien, Lateinamerika, in Afrika". Deutschland als Exportnation lebe von internationaler Vernetzung. Dies sei kein Kurswechsel, "sondern das ist die schliche Erkenntnis einer neuen Zeit".

Westerwelle verteidigte erneut die Libyen-Entscheidung der Bundesregierung. Deutschland habe mit seiner Sanktionspolitik politische Maßnahmen bevorzugt, die nicht zu unterschätzen seien. Zugleich betonte der FDP-Politiker, dass er Kohls Kritik an der Aufweichung des europäischen Stabilitätspaktes unterstütze.

Autor: Gerhard M Friese (afp, dpa, dapd, rtr)
Redaktion: Julia Elvers-Guyot