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Finanztransaktionssteuer

30. August 2011

Totgesagte leben länger. So ist es auch mit der Finanztransaktionssteuer. Von der Politik wurde sie oft abgetan. Gerade wird sie als Wunderwaffe gefeiert. Über die Durchführbarkeit und Wirkung sind Experten uneins.

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Einer Kreditkarte liegt in einem Haufen von Cent-Münzen (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/Daniel Karmann

Die Idee der Finanztransaktionssteuer ist nicht neu. Erste Überlegungen darüber gab es bereits in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts von John Maynard Keynes. Der bedeutende Ökonom aus Großbritannien sah in einer solchen Steuer ein wirksames Instrument gegen Spekulationen. 40 Jahre später griff sein amerikanischer Kollege James Tobin diese Idee auf und schlug eine weltweit einheitliche Steuer auf Devisentransaktionen vor. Eingeführt wurde diese sogenannte Tobin-Steuer bekanntlich nicht.

2002 sorgte dann die Studie eines deutschen Wissenschaftlers für Aufsehen. Paul Bernd Spahn, damals Professor für öffentliche Finanzen an der Goethe-Universität in Frankfurt, überprüfte im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung die Machbarkeit der Tobin-Steuer in Europa. Obwohl er zu einem positiven Ergebnis kam, konnte sich die Politik nicht dazu durchringen. Heute sagt Spahn: "Die Politik steht natürlich auch unter dem Einfluss der Finanzinstitutionen, die eine solche Steuer im Allgemeinen als störend für ihre Tätigkeiten ablehnen." Zudem hätte es damals auch keinen Anlass gegeben, darüber weiter nachzudenken. "Wir hatten keine wesentliche Krise im Markt", so Spahn gegenüber DW-WORLD.DE.

Nur Geldbeschaffungsmaschine?

Prof. Wolfgang Gerke, Präsident des Bayerischen Finanz Zentrums (Foto:dpa)
Prof. Wolfgang Gerke, Präsident des Bayerischen Finanz ZentrumsBild: picture alliance/dpa

Aber das hat sich in der Zwischenzeit geändert. In einer Zeit, wo eine Krise die nächste jagt, ist das Thema Finanztransaktionssteuer nicht nur salonfähig, ja sogar mehrheitsfähig geworden. Nicht nur Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy haben sie empfohlen. Zuvor hatte sich schon das EU-Parlament für eine solche Steuer ausgesprochen. Die EU-Kommission sieht darin sogar eine der Maßnahmen zur Vermeidung künftiger Finanzkrisen. Finanzexperte Wolfgang Gerke kann das nicht nachvollziehen: "Die Finanztransaktionssteuer wird keine Finanzkrisen verhindern. Finanzkrisen entstehend dadurch, dass die fundamentalen, wirtschaftlichen Verhältnisse nicht stimmen."

Gerke vermutet, dass die diskutierte Steuer, die nicht mehr nur für Devisentransaktionen, sondern für alle Finanzgeschäfte gilt, in erster Linie der öffentlichen Finanzierung dienen soll: "Der Staat sucht mal wieder zusätzliches Geld, statt dass er effizienter wird und an den geeigneten Stellen spart und so für einen Schuldenabbau sorgt."

Prof. Paul Bernd Spahn, Emeritus der Goethe-Universität Frankfurt (Foto: privat)
Prof. Paul Bernd Spahn, Emeritus der Goethe-Universität FrankfurtBild: privat

Die EU erhofft sich Einnahmen von bis zu 20 Milliarden Euro pro Jahr, die die Finanztransaktionssteuer einbringen soll. Dabei wird jedes einzelne Börsengeschäft mit einer Abgabe von bis zu 0,05 Prozent belastet. Eine vertretbare Höhe, findet Paul Bernd Spahn: "Wenn Sie mal die Transaktionskosten von vor zehn Jahren vergleichen mit den heutigen, wo wir computergesteuerte Transaktionen tätigen, dann ist diese Steuer nur ein Bruchteil der sonstigen Transaktionskosten."

Wen wird es treffen?

Langfristige Anleger, die nur einmal im Jahr umschichten, wird diese Steuer nicht sonderlich schmerzen. Bei Spekulanten sieht es schon etwas anders aus. Ganz empfindlich treffen wird die Steuer den sogenannten "High Frequency Trading-Bereich", "wo in Sekundenschnelle Orders aus Handelssoftware heraus abgeschossen werden", sagt Wolfgang Gerke. Dieser Bereich werde teilweise durch eine Finanztransaktionssteuer zum Erliegen kommen. "Und da streiten sich dann die Geister. Für die einen geht dem Markt wichtige Liquidität verloren; für die anderen werden so die hohen Tagesschwankungen am Markt etwas geglättet." Wissenschaftlich beweisen könne keine Seite ihre Auffassung, so Gerke zu DW-WORLD.DE.

Europäischer Alleingang - mit oder ohne London?

London Stock Exchange (Quelle: Wikipedia)
Das Finanzzentrum London stemmt sich gegen eine Finanztransaktionssteuer

Auch streitet man sich darüber, ob ein Alleingang auf der EU-Ebene den europäischen Finanzplätzen große Schäden zufügen würde. Eine aktuelle Studie des UBS-Analysten Arnaud Giblat liefert den Gegnern dieser Steuer Munition. Demnach erlitt die schwedische Börse in den 90er Jahren wegen einer solchen Steuer einen Umsatzrückgang von 85 Prozent. Das schwedische Beispiel taugt nicht, meint der emeritierte Finanzprofessor Spahn: Schließlich sei Schweden eine relativ kleine Wirtschaft. Da möge eine solche Steuer dazu führen, dass die Investoren auf einen anderen Markt ausweichen. "Andererseits haben wir das Gegenbeispiel Großbritannien. Das Land fährt eine 'stamp tax', also eine Börsenumsatzsteuer und hat keinerlei Abwertungstendenzen, weil einfach der Markt so wichtig ist", sagt Spahn weiter.

Diese Börsenumsatzsteuer gibt es seit über dreihundert Jahren, fällt allerdings nur auf Aktien von Unternehmen an, die ihren rechtlichen Sitz in Großbritannien haben. Gegen eine auf alle Finanztransaktionen erhobene Steuer hat sich London bisher gesperrt. Angela Merkel und Nicolas Sarkozy ließen offen, ob sie die Finanztransaktionssteuer notfalls nur für die Eurozone einführen wollen.

Auch wenn die Briten ihre Blockadehaltung aufgeben würden und die Steuer EU-weit Geltung hätte, sind Ökonomen wie Wolfgang Gerke skeptisch: "Es ist heute ein Mausklick und ich habe meine Orders statt in Frankfurt an der New Yorker Börse durchgeführt." Für ihn macht eine solche Steuer nur Sinn, wenn sie überall gilt. Doch danach sieht es im Moment nicht aus.

Autorin: Zhang Danhong
Redaktion: Rolf Wenkel