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Die Mischung machts: Diversity an den Unis

30. August 2011

Jung, Abitur, kinderlos, deutschsprachig – das waren einmal die Attribute eines typischen Studenten. Inzwischen ändert sich das Bild. Aber mit der Vielfalt an den Universitäten wachsen auch die Herausforderungen.

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Sprachenvielfalt Symbolbild (Grafik: DW)

Wer sich früher an einer deutschen Hochschule einschrieb, hatte gerade sein Abitur gemacht, war jung, sprach deutsch, hatte keine Kinder und stammte aus einem bildungsbürgerlichen Elternhaus. So war das jahrzehntelang die Regel. Heute haben rund acht Prozent der Studierenden in Deutschland einen Migrationshintergrund. Hinzu kommen die vielen Studierenden, die aus dem Ausland für eine Weile zum Studium nach Deutschland kommen. Derzeit sind das rund 250.000 junge Frauen und Männer. "Die Initiativen zur Öffnung der Hochschulen und der Wandel Deutschlands zum Einwanderungsland verändern die Zusammensetzung der Studentenschaft erheblich", betont Volker Meyer-Guckel, Vize-Generalsekretär des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft.

Zwei Männer gehen händehaltend über die Straße (Foto: Fotolia)
Auch Homosexualtiät gehört zur "Diversity"Bild: Fotolia/carma49

Die Zusammensetzung der Studentenschaft verändert sich aber nicht nur mit Blick auf Nationalität oder Muttersprache. Heute studiert zum Beispiel auch der Handwerksmeister mit Berufserfahrung, der zwar kein Abitur hat, dafür aber zwei Kinder und einen Teilzeitjob, und der natürlich wesentlich älter ist als Deutschlands Durchschnittsstudent. "Es wird höchste Zeit, dass die Hochschulen darauf reagieren", fordert deshalb nicht nur Volker Meyer-Guckel. Denn die 20-jährige Studentin aus Bolivien und der 45-jährige Handwerksmeister aus Köln bringen unterschiedliche Voraussetzungen und Bedürfnisse mit an ihre Hochschule.

"Diversity" heißt das neue Zauberwort. Es bedeutet "Vielfalt" und beschreibt Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Menschen als Chance für das Zusammenleben und -arbeiten. Damit sich diese Vielfalt an den Hochschulen positiv entwickelt, hat der Stifterverband den Wettbewerb "Ungleich besser! Verschiedenheit als Chance" gestartet. Ein Wettbewerb, der Hochschulinitiativen unterstützt, die sich speziell der Vielfalt verschreiben. Acht Hochschulen gewannen jeweils 25.000 Euro für eine Projektförderung. Die Folkwang-Universität der Künste in Essen bekam das Geld für ein interkulturelles Mentoringprogramm, das ausländischen Studierenden den Start ins Unileben erleichtern soll.

Interkulturelle Onlineberatung für Erstsemester

Karoline Spelsberg (Foto: K. Spelsberg)
Karoline Spelsberg hatte die Idee für ein interkulturelles MentoringprogrammBild: Karoline Spelsberg

"Wir qualifizieren Tutoren, damit sie alle Erstsemester aus dem Ausland online betreuen können", erzählt Karoline Spelsberg, die das Konzept entwickelt hat. "Die Tutoren beraten die neuen Kommilitonen, wenn es ums Wohnen, Visum oder die Einschreibung geht, helfen ihnen aber auch in Fragen, die ihr Studienfach betreffen." Bei der Ausbildung der Tutoren hat Karoline Spelsberg auch neue Lernformate getestet. Die Studierenden hätten ihre Aufgabenergebnisse in einem e-Portfolio dokumentiert, erzählt sie. Die Dokumentation habe gezeigt, dass verschiedene Lösungswege gewählt wurden. "Menschen sind verschieden und das ist eine Stärke", betont sie.

Gruppenbild mit Tutoren in Essen (Foto: K. Spelsberg)
Studierende in Essen, die als Tutoren Erstsemester aus dem Ausland betreuenBild: Karoline Spelsberg

In vielen großen, internationalen Firmen gehören "Diversity-Konzepte" bereits zum Alltag. Der Trend zur Globalisierung führe dazu, dass der Aspekt Kultur und Diversity mehr und mehr in den Blickpunkt rücke, heißt es in einer Studie der Bertelsmann Stiftung zum "Diversity-Management". Viele Studien- und Weiterbildungsgänge bieten bereits Seminarreihen und Module dazu an, um Geschäftsführer und Personalmanager auf Anforderungen einer heterogenen Belegschaft vorzubereiten. An der Freien Universität Berlin etwa gibt es seit 2008 das viersemestrige Master-Programm "Gender und Diversitiy-Kompetenz". Jedes Jahr können 20 Studenten daran teilnehmen.

Vielfalt leben und unterrichten

Der Weiterbildungs-Studiengang kostet stolze 1500 Euro Studiengebühr pro Semester und richtet sich an Personalverantwortliche, Gleichstellungsbeauftragte in Verwaltungen und Mitarbeiter von Nicht-Regierungsorganisationen. Sie lernen Gesetze zur Antidiskriminierung kennen, diskutieren über "unsichtbare Diskriminierung" – die zum Beispiel stattfindet, wenn Menschen mit ausländischem Namen gar nicht erst zu Bewerbungsgesprächen eingeladen werden –, und überlegen, welche Entscheidungen und Strukturen in Firmen Benachteiligungen vermeiden oder begünstigen.

"Wir wollen hier Vielfalt leben und Vielfalt unterrichten", sagt die wissenschaftliche Mitarbeiterin des Studiengangs, Katharina Schiederig. Zwar haben die meisten Teilnehmer vorher Jura oder Betriebswirtschaft studiert. Ansonsten aber könnten die Studenten nicht unterschiedlicher sein. Es sind Frauen und Männer zwischen 30 und 60 Jahren. Ein Drittel von ihnen kommt aus dem Ausland. Denn Antidiskriminierung, Chancengleichheit und Toleranz sind auch in anderen Ländern ein wichtiges Thema. Die 29-jährige Juristin Ariadno Soto Murillo ist extra aus Bolivien gekommen, um mit einem Master in "Gender- und Diversity-Kompetenz" dorthin zurückzukehren. "Bei uns werden viele Leute, die vom Land kommen, benachteiligt", sagt sie. Genau das will sie ändern.


Autoren: Sabine Damaschke, Richard Fuchs
Redaktion: Svenja Üing