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Ansturm auf Uran

19. Juli 2011

Namibia ist der viertgrößte Uranlieferant weltweit. Die erste Mine nahm vor 35 Jahren den Betrieb auf. Nun beginnt ein neuer Ansturm auf den Rohstoff, doch die Bevölkerung nimmt kaum Notiz vom Uranabbau.

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Uranabbau in Namibia (Foto: Brigitta Moll)
Namibia könnte der zweitgrößte Uranproduzent weltweit werdenBild: DW

Die namibische Umweltaktivistin Bertchen Kohrs hat im Namen der Organisation Earth Life in Windhoek zu einem Filmabend geladen; rund 40 Gäste sind gekommen. In der Dokumentation geht es um eine Uranmine in Australien und darum, welche Schäden die Umwelt dort erlitten hat. Die anschließende Diskussion dreht sich schnell um die Uranminen im eigenen Land.

 

"Der Uranabbau wird kaum wahrgenommen"

 

Porträt einer blonden, kurzhaarigen Frau (Foto: Brigitta Moll)
Kohrs will die Bevölkerung über Uranabbau aufklärenBild: DW

Die 69-jährige Bertchen Kohrs kritisiert, dass der Uranabbau von der Bevölkerung kaum wahrgenommen wird. "Ich denke, die Armut spielt dabei eine wichtige Rolle", sagt Kohrs. "Wenn ich nichts zu essen habe, dann kümmere ich mich sicher nicht darum, was an der Küste passiert. Ich muss erstmal meine Familie ernähren."

 

Earth Life ist eine der wenigen Organisationen in Namibia, die sich mit den Gefahren des Uranabbaus befasst. Beim Uranabbau wird das Edelgas Radon freigesetzt. Es kann mit dem Wind von der Mine weggetragen werden und, wenn der Mensch es einatmet, Lungenkrebs hervorrufen. Uranhaltiger Staub ist neben der direkten radioaktiven Strahlung ebenfalls krebserregend. 

 

Täglich vier Tonnen reines Uran

 

Die derzeit operierenden Minen liegen in der Küstenregion im Westen Namibias. Die älteste Mine, Rössing, nahm vor 35 Jahren ihren Betrieb auf. Die neuere Langer Heinrich-Mine begann 2007 mit dem Abbau. Sie gehört dem australischen Unternehmen Paladin und beschäftigt rund 670 Menschen. Insgesamt arbeiten etwa 4000 Namibier in der Uranindustrie. Rössing und Langer Heinrich trugen im Jahr 2008 zu 3,2 Prozent der Staatseinnahmen bei.

 

Ein Mann mit Bauarbeiterhelm und gelber Warnweste (Foto: Brigitta Moll)
Duvenhage glaubt, dass die Nachfrage nach Uran steigtBild: DW

Werner Duvenhage ist der Geschäftsführer von Langer Heinrich. Seine Mine produziert täglich vier Tonnen reines Uran, mit einem Wert von 560.000 US Dollar. Er ist sich trotz der Reaktorkatastrophe in Japan sicher, dass weiterhin weltweit Atomkraftwerke gebaut werden. "Wenn man Energie mit wenig CO2-Ausstoß gewinnen will, muss man auf Kernenergie zurückgreifen", sagt Duvenhage. "Die Nachfrage nach Uran wird eher steigen." 

 

Der Ansturm auf Uran aus Namibia hat begonnen

 

Seit den neunziger Jahren ist die weltweite Nachfrage nach Uran höher als die Produktion. Dadurch ist auch das Interesse an namibischem Uran gestiegen. Der französische Konzern Areva nahm vor Kurzem eine Mine in Namibia in Betrieb, eine weitere ist genehmigt. 60 Erforschungslizenzen sind vergeben.

 

Langer Heinrich baut seine Produktion weiter aus. "Wenn alle neuen Minen und unsere Erweiterung umgesetzt werden, könnte Namibia der zweitgrößte Uranproduzent weltweit werden", sagt Werner Duvenhage. Dann fügt er hinzu: "Ich denke, Uran in Namibia wird für eine sehr lange Zeit ein Riesengeschäft sein."

 

Gemüse aus der Uranabbauregion

 

Porträt einer weißhaarigen Frau: Elke Erb (Foto: Brigitta Moll)
Lebt 70 Kilometer entfernt von der Mine: Elke ErbBild: DW

Etwa 70 Kilometer entfernt von der Mine Langer Heinrich lebt die 72-jährige Namibierin Elke Erb auf ihrer Farm. Früher baute sie dort Spinat und Spargel an. "Die Rössing-Mine holte damals Gemüseproben bei uns ab und schickte sie ein. Ich weiß aber nicht genau, was dabei herausgekommen ist. Rössing hat auch viele Jahre lang das Wasser hier getestet", erinnert sich Elke Erb.

 

Elke Erb baut heute kein Gemüse mehr an. Sie hält Kamele und verdient sich mit Kamelreiten für Touristen Geld zur Rente dazu. Auf den Feldern ihrer Nachbarn wächst heute noch für den Handel bestimmtes Gemüse. Der Spargel aus der Küstenregion ist besonders beliebt in namibischen Restaurants - obwohl zwei Minen in der Nähe Uran abbauen.   

 

Lange gab es keine unabhängige Kontrolle

 

Lange gab es keine unabhängigen Kontrollen darüber, wie sich der Minenbetrieb auf die Umwelt und die Gesundheit der Menschen in der Region auswirkt. 2010 erstellte das Ministerium für Bergbau und Energie eine Umweltstudie. Die kommt zu dem Ergebnis, das Grundwasser sei in Ordnung, die Strahlung in der Gegend liege unter den international festgelegten Höchstwerten.

 

Seit 2007 hat Namibia ein Umweltgesetz, demzufolge eine staatliche Aufsicht die Minen überwachen soll. Bis heute existiert diese Aufsicht nur auf dem Papier. Strahlengesetze gibt es nicht. Die Regeln für den Uranabbau haben die Unternehmen bislang weitgehend selbst aufgestellt: Der Verbund der Minenbetreiber, das "Uranium Stewardship Committee", hat sich verpflichtet, seine eigene Richtlinien zum Schutz der Arbeiter und der Umwelt einzuhalten.

 

Eigenes Atomkraftwerk bis 2018?

 

Noch wird daran gearbeitet, das Umweltgesetz umzusetzen. Die Minenbetreiber haben das so genannte "Uranium Institute" in der Küstenstadt Swakopmund gegründet, das ihre Interessen vertritt. Die Uranindustrie bildet dort Strahlenexperten aus und untersucht ihre Arbeiter im eigenen Ärztezentrum.

 

Bertchen Kohrs hat für Earth Life zu dem Umweltgesetz Stellung genommen. Sie will verhindern, dass die namibische Regierung ihr Vorhaben verwirklicht, bis 2018 ein Atomkraftwerk zu bauen. Sie hofft auf mehr Wissen unter der namibischen Bevölkerung - und auf deren Einmischung.

 

Autorin: Brigitta Moll
Redaktion: Beatrix Beuthner