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"Menschliche Bombe" beunruhigt US-Behörden

11. Juli 2011

Eine Warnung wie aus einem Science-Fiction-Film: Die US-Regierung warnt Fluggesellschaften vor "Körper-Bomben". Terroristen könnten sich Bomben in den Körper einpflanzen lassen und damit in ein Flugzeug gelangen.

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Auf dem Bildschirm eines Körperscanners ist eine Person von vorne und hinten abgebildet. Auffälliges stellt der Scanner gelb markiert dar. (Foto: dpa)
Eine "menschliche Bombe" würde ein Körperscanner nicht erkennenBild: DPA

Versuche, Bomben an Bord eines Passagierflugzeugs zu schmuggeln, hat es viele gegeben: ob im Frachtraum in einer Drucker-Toner-Kartusche oder im Passagierraum versteckt in Unterwäsche oder im Schuh des Terroristen. So ziemlich alle denkbaren Verstecke wurden ausprobiert. Doch jetzt scheinen die Terroristen ein neues gefunden zu haben – den menschlichen Körper. So haben Geheimdienste festgestellt, dass Terrorverdächtige im Internet seit einigen Monaten über den Einsatz von "Körper-Bomben" diskutieren. Zudem versuchten sie, Ärzte zu akquirieren, die die Bomben implantieren könnten.

Bei einer "Körperbombe", auch "menschliche Bombe" genannt, handelt es sich um den Versuch, Sprengstoff im Körper eines Menschen zu transportieren und ihn am Zielort direkt im Körper zur Explosion zu bringen. Dabei gibt es mehrere Möglichkeiten, den Sprengstoff im Körper zu transportieren.

Transportbehälter menschlicher Körper

ARD-Terrorismus-Experte Joachim Hagen sagt im Interview mit DW-WORLD.DE, dass Terroristen den Sprengstoff in Kondome verpackt schlucken könnten – ähnlich wie man es von Drogenkurieren kenne. Nach Medienberichten könnte der Sprengstoff auch mittels Zäpfchen in den menschlichen Körper gebracht werden. Zudem könnte er auch chirurgisch unter der Haut eingepflanzt werden. Als "Vater" der Idee, Sprengstoff im menschlichen Körper zu transportieren, gilt der international gesuchte Top-Terrorist Ibrahim Hassan al-Asiri. Er kommt aus Saudi-Arabien und soll einer der führenden Köpfe Al-Kaidas auf der arabischen Halbinsel sein.

Eine Sicherheitsbeamtin des US-Flughafen Phoenix, Arizona, schaut auf den Bildschirm eines Körperscanners (Foto: ap)
Die Mitarbeiterin der US-Flugsicherheitsbehörde TSA würde eine "Körperbombe" auf dem Scanner nicht erkennen...Bild: AP

Der menschliche Körper hat für die Terroristen den Vorteil, dass dort untergebrachter Sprengstoff von den routinemäßigen Sicherheitskontrollen am Flughafen nicht erfasst wird. So sagte Nicholas Kimball, Sprecher der US-Flugsicherheitsbehörde TSA, der Los Angeles Times, dass mit den bisherigen technischen Möglichkeiten unter der Haut implantierter Sprengstoff nicht nachweisbar sei. Ähnlich äußerte sich auch der frühere israelische Flugsicherheitschef Ravi Ron beim US-amerikanischen Nachrichtensender CNN: "Wir haben die uns zur Verfügung stehende Technologie zum Bombenaufspüren ausgeschöpft. Wir können nicht entdecken, wenn ein Mensch eine Bombe im Körper trägt."

Auf der Suche nach der "Körper-Bombe"

Um Bomben im menschlichen Körper erkennen zu können, würde einen hohen Aufwand bedeuten, der zudem noch mit deutlichen Nachteilen verbunden wäre. Denn mit den aktuell eingesetzten Kontrollsystemen könne man nicht unter die Haut schauen, erklärt ARD-Terrorismus-Experte Joachim Hagen im Interview mit DW-WORLD.DE: "Nacktscanner können das natürlich nicht, weil die nur bis unter die Kleidung gucken können mit ihren Strahlen." Mit anderen Geräten ginge das, erklärt der Terrorismus-Experte: "Man kann das natürlich mit Röntgengeräten rauskriegen. Aber da ist die Strahlenbelastung relativ hoch. Das werden sich die Passagiere nicht gefallen lassen."

Auf dem Bildschirm eines Körperscanners ist ein Mann von vorne und von hinten zu sehen(Foto: ap)
...denn ein Körperscanner schaut unter die Kleidung, nicht aber unter die Haut.Bild: AP

Auch andere Verfahren wären sehr aufwändig. So könnten Wattestäbchen über die Haut der Passagiere gestrichen werden, die dann in ein Gerät eingeführt werden, das auch kleinste Sprengstoffpartikel nachweisen könnte. Zudem könnten Spürhunde eingesetzt werden.

Die US-Behörden reagieren auf die aktuelle Bedrohungslage derzeit mit einer Verschärfung der bisherigen Maßnahmen. Greg Soule, ein weiterer Sprecher der US-Flugsicherheitsbehörde TSA, sagte der New York Times, dass sich Flugpassagiere mit dem Ziel USA auf verstärkte Kontrollen einstellen müssten. So könnten bisherige Maßnahmen wie das gezielte Befragen von Fluggästen und das Abtasten nun ausgeweitet werden. "Diese Maßnahmen sollen unvorhersehbar sein. Passagiere sollten also nicht an allen internationalen Flughäfen dieselbe Art von Aktivität erwarten", erklärt Soule.

Anschlagswahrscheinlichkeit

Die Konstruktion einer "Körper-Bombe" ist sehr aufwändig, sagt ARD-Terrorismus-Experte Joachim Hagen. Entweder müssten größere Mengen Sprengstoff in Kondome verpackt und geschluckt werden. Diese müssten dann aber irgendwie in Kontakt mit einem Zünder gebracht werden, was im menschlichen Körper äußerst schwierig sei. Die andere Möglichkeit, das Implantieren von Sprengstoff unter die Haut, sei ebenfalls problematisch. Auch hier gebe es das Problem, wie man den Zünder mit dem Sprengstoff verbindet. Zudem ist so eine Operation sehr aufwändig. Ein Selbstmordattentäter müsste die Operation erstmal gut verkraften und genesen sein, bevor er ein Flugzeug besteigen könne. Daher sei die Durchführung eines Anschlags mittels "menschlicher Bombe" eher unwahrscheinlich.

Hinweisschild auf einen Körperscanner am Flughafen Schiphol in den Niederlanden
Hinweisschild auf einen KörperscannerBild: AP

Zudem haben Terroristen mit einer weiteren Schwierigkeit zu kämpfen, wenn sie den menschlichen Körper als Bombenbehältnis nutzen. "Das Problem ist, wenn so ein Sprengstoff im menschlichen Körper ist, dann kann sich ein Großteil seiner Wucht gar nicht entfalten, weil der menschliche Körper relativ weich und relativ flexibel ist", erklärt Joachim Hagen. "Und deswegen sagt man, dass man eine sehr große Menge an Sprengstoff bräuchte, um zum Beispiel ein Flugzeug zum Absturz zu bringen." Und solche Mengen könne ein Mensch kaum aufnehmen.

Darüber hinaus spricht gegen einen Anschlag mit "Körper-Bomben", dass es keine Beweise gibt, dass weltweit jemals ein Anschlag dieser Art stattgefunden hat. "Es gibt zwar immer wieder Gerüchte, dass in Saudi-Arabien auf den Vize-Innenminister so ein Anschlag verübt worden ist, der angeblich mit Sprengstoff im Körper des Attentäters funktioniert hat. Aber das ist nie bestätigt worden", erklärt Terrorismus-Experte Hagen. "Und inzwischen heißt es, der Mann habe den Sprengstoff in seiner Unterwäsche versteckt."

Reaktion der Behörden

Die US-Behörden zeigen sich wachsam, aber unaufgeregt. So erklärte der Sprecher des Weißen Hauses, Jay Carney: "Die Idee, dass Terroristen nach Wegen suchen, Kontrollen an Flughäfen zu umgehen, überrascht überhaupt nicht." Weiter erklärte er, die neuen Informationen "haben aber nichts mit einer unmittelbaren und spezifischen Bedrohung zu tun."

Jay Carney spricht im Presseraum des Weißen Hauses (Foto: ap)
Jay Carney, Sprecher des Weißen Hauses, hat keine Hinweise auf konkrete BedrohungenBild: AP

Auch die deutschen Behörden sehen keine unmittelbare Bedrohung. Auf Anfrage von DW-WORLD.DE teilte das Bundesministerium des Inneren mit: "Die jüngsten Berichte über Erwägungen zu neuen Anschlagsformen haben im
Ergebnis keinen verändernden Einfluss auf die schon bisher bestehende Gefährdungseinschätzung. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Sicherheitsbehörden mit den von ihnen ergriffenen Maßnahmen fortlaufend versuchen, alle in Betracht kommenden Tatausführungsformen wirksam zu verhindern. Die Luftsicherheitsmaßnahmen befinden sich seit Jahren auf einem sehr hohen Niveau."

Bleibt die Frage, warum die US-Behörden das Thema in die Öffentlichkeit gebracht haben. "Da ist sicherlich eine Intention, die hinter dieser ganzen Veröffentlichung steckt, dass man versucht vorzubereiten, dass die Kontrollen noch schärfer werden", glaubt ARD-Terrorismus-Experte Joachim Hagen. "Die Frage ist natürlich, was die Fluggesellschaften dazu sagen und was die Flugpassagiere dazu sagen, also wie groß der Widerstand ist. Insofern könnte man sagen, das ist ein erster Anlauf, eine Art Luftballon, den man steigen lässt, um auszuprobieren, wie hoch der Widerstand wäre."

Autor: Marco Müller (mit dpa, afp)
Redaktion: Thomas Latschan