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Jugendstudie Israel

25. Juni 2011

Zum dritten Mal hat das Tel Aviver Büro der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung eine Jugendstudie Israel vorgelegt. Ihr Fazit: die jüdischen Jugendlichen Israels sind unpolitisch und fröhlich und rechts-orientiert.

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Zwei junge Männer mit Kippa sitzen in einem Café in Tel Aviv. Im Hintergrund gehen zwei junge Frauen vorbei. Foto: dpa
Alles soll bleiben wie es istBild: picture-alliance/ dpa

Israelische Jugendliche verlieren das Interesse am Rechtsstaat, sie geben zunehmend demokratische Prinzipien auf und sie driften immer mehr nach rechts ab. Das sind Ergebnisse der 3. Jugendstudie Israel, die die sozialdemokratische Friedrich-Ebert-Stiftung in Auftrag gegeben hat. Die Erhebung wurde vom Macro Center for Political Economics in Tel Aviv durchgeführt. 1600 Jugendliche aus allen Schichten und Sektoren der Gesellschaft im Alter zwischen 15 und 24 Jahren der Gesellschaft wurden befragt. Ausgenommen wurden die Militärjahrgänge, die nach israelischem Recht nicht befragt werden können.

Die "sowohl-als-auch-Generation"

Die Einstellungen der jüdischen Jugendlichen Israels könne man paradox nennen, sagt Roby Nathanson vom Macro-Center. Die jungen Menschen seien ambivalent und unentschieden, sie wollten Vorteile aus allen Welten ziehen. Sowohl als auch sei ihr Motto. "Sie möchten den Friedensprozess, aber sie sind nicht bereit, einen Preis für den Friedensprozess zu bezahlen. Sie wünschen sich starke Führer, aber sie wollen auch Demokratie."

Jitzhak Rabin und HJassir Arafat reichen sich die Hände, während Bill Cinton zuschaut. Unterzeichnung des Friedensabkommens zwischen Israel und der PLO, am 13. September 1993 in Washington. Foto: ap
Ein Bild aus besseren Tagen: Unterzeichnung des Friedensbakommens 1993Bild: AP

Die Mehrheit der jüdischen Jugendlichen glaubt nicht mehr an einen Frieden mit den Palästinensern und will am Status Quo festhalten. Nur etwa ein Viertel setzt auf die Zweistaatenlösung, also auf die Schaffung eines palästinensischen Staates an der Seite Israels. Bei den arabischen Jugendlichen dagegen wünscht sich fast die Hälfte eine Zweistaatenlösung, 20 Prozent streben einen binationalen Staat mit gleichen Rechten für Juden und Palästinenser an.

Arabische Jugendliche ohne Lagerdenken

Große Unterschiede zwischen arabischen und jüdischen Jugendlichen gibt es auch bei der politischen Orientierung. Während eine steigende Anzahl von arabischen Jugendlichen sich nicht mehr den traditionellen politischen Lagern zugehörig fühlt, geht der Trend bei den jüdischen Jugendlichen klar nach rechts, sagt der Autor der Studie, Professor Ephraim Yaar von der Universität von Tel Aviv. Schon im Jahr 1998 hätten sich fast 50 Prozent als rechts definiert. Inzwischen sind es bei den jungen Erwachsenen 66 Prozent, bei den Jugendlichen 57 Prozent.

Jugendliche Siedler im April 2007 in Hebron haben eine Gebäude besetzt. Das Bild zeigt die Jugendlichen, die lachend und winkend vor dem Haus stehen. Foto: dpa
Jugendliche Siedler in HebronBild: picture-alliance/dpa

Nationalistische Einstellungen nehmen zu, das Vertrauen in die Demokratie schwindet. 46 Prozent sprechen sich dafür aus, den arabischen Mitbürgern politische Rechte vorzuenthalten. Für den Frankfurter Erziehungswissenschaftler Micha Brumlik sind diese Ergebnisse erschreckend. Er machte ein Experiment und schrieb überall, wo in der Studie Israel stand, wahlweise Venezuela, Zimbabwe oder Ungarn rein. "Würde es um diese Länder gehen, würde ich keinen Augenblick zögern und von einem präfaschistischen Syndrom zu sprechen", so der Wissenschaftler.

Die Stimmung unter den jüdischen Jugendlichen in Israel erinnere ihn an die Lage in Deutschland am Vorabend des Dritten Reichs. Damals hätten die Frankfurter Soziologen Adorno, Horkheimer, Marcuse und der Psychoanalytiker Erich Fromm die politische Stimmung bei Angestellten und Arbeitern untersucht und eine erschreckendes autoritäres Syndrom, vor allem bei den sozialdemokratischen Arbeitern festgestellt. Erich Fromm habe das Ergebnis der Studie so entsetzt, dass er Deutschland verlassen habe.

In Bezug auf Israel sei er in Anbetracht der Jugendstudie der Friedrich-Ebert-Stiftung pessimistisch. "Wenn man sich vorstellt, dass diese jungen Leute in zehn Jahren in die Führungen der politischen Parteien einrücken, dann kann ich mir weder vorstellen, dass der sogenannte Friedensprozess weitergeht, noch dass mögliche politische Initiativen, die Rechte von Minderheiten weiter zu beschneiden, gestoppt werden." Das Bild, das die Studie der Ebert-Stiftung ergebe, sei außerordentlich besorgniserregend.

Ein Funken Optimismus

Junge Israelis in farbenfroher und knapper Kleidung tanzen in Tel Aviv auf einer Wiese während der Schwulen-Parade. Foto: ap
Junge Israelis in Tel Aviv (hier bei der Schwulenparade) sind unpolitisch und lebenslustig.Bild: AP

Der Bielefelder Soziologe Matthias Albert ist Mitautor der Shell-Jugendstudie, die die Stimmung unter Jugendlichen in Deutschland untersucht. Er sieht deutliche Parallelen zwischen deutschen und israelischen Jugendlichen. Beide Gruppen seien optimistisch, was ihre persönliche Lage angehe. Frage man sie dagegen nach der politischen Zukunft ihrer Länder, stoße man auf eine pessimistische Einstellung, gepaart mit einer ausgeprägten Politikverdrossenheit. Große Unterschiede gebe es dagegen bei der politischen Orientierung. Im Unterschied zu ihren israelischen Altersgenossen definierten sich die meisten deutschen Jungendlichen als gemäßigt links. Trotz des düsteren Bildes empfiehlt Albert eine Portion Optimismus, denn dass eine hinsichtlich der Zukunftsaussichten eher pessimistische Grundeinstellung gerade bei Jugendlichen umschlagen und dann enorme politische Triebkräfte freisetzen könne, das habe man in den letzten Monaten in der Nachbarschaft Israels, in Ägypten und Tunesien erlebt.

Autorin: Bettina Marx
Redaktion: Peter Stützle