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Interview

20. Juni 2011

Als Staatsminister im Auswärtigen Amt ist Werner Hoyer einer der wichtigsten Berater von Außenminister Westerwelle. In einem Interview der Deutschen Welle spricht er über den deutschen Einsatz für Menschenrechte.

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Staatsminister im Auswärtigen Amt Werner Hoyer (Foto DW/Peter Hille)
Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen AmtBild: DW

DW-WORLD.DE: Herr Staatsminister, die Bundeswehr soll in Afghanistan die Menschenrechte und den Demokratisierungsprozess sichern. Die Lage ist brisant - es hat gerade wieder einen Anschlag der Taliban mit verletzten Bundeswehrsoldaten gegeben. Ist der Preis, den wir zahlen, für den Einsatz für Menschenrechte in Afghanistan zu hoch geworden?

Werner Hoyer: Der Preis ist sehr hoch. Wenn die Bundeswehr Verluste erleidet, wenn Menschen zu Schaden kommen, ist das ein sehr hoher Preis. Aber wir haben einen Auftrag in Afghanistan, den wir bewältigen müssen. Der lautet, Afghanistan dazu zu bringen, selber in der Lage zu sein, für die Sicherheit zu sorgen und den Menschen eine zukünftige Sicherheit unter Wahrung der Menschenrechte zu gewährleisten. Das ist ein sehr langer Weg, aber wir müssen aufpassen, dass wir nach den jetzt schon über zehn Jahren der Anstrengung in Afghanistan nicht ausgerechnet die Menschenrechte unter die Räder kommen lassen. Von daher ist der Preis sehr hoch, aber die Anstrengung ist es wert.

In einem anderen Konfliktfall, Libyen, ist die Bundesregierung sehr viel zurückhaltender. Sie beteiligt sich nicht an dem militärischen NATO-Einsatz in dem Land. Es gab deswegen viel Kritik. War die Entscheidung aus heutiger Sicht richtig oder falsch?

Die Bundesregierung hatte sich das sehr wohl überlegt. Wir waren uns einig - Kanzleramt, Verteidigungsminister, Außenminister - dass dieser Einsatz wohl doch nicht vom Ende her durchgedacht war, und deswegen sind wir auch der Auffassung, dass diese Entscheidung richtig war. Aber das heißt im Umkehrschluss nicht, dass wir neutral wären, dass es uns egal wäre, was dort passiert. Unsere Verbündeten, unsere Freunde haben eine andere Entscheidung getroffen als wir, und wir wünschen ihren Erfolg. Das heißt zunächst einmal, dass der Schutz der Zivilbevölkerung, der ja in der Weltsicherheitsrats-Resolution vorne steht, auch tatsächlich gelingt. Und darüber hinaus hoffe ich auch, dass am Ende des Tages allen Beteiligten klar wird, dass eine Zukunft Libyens mit Gaddafi nicht denkbar ist.

Trotzdem sagen viele Kritiker, Deutschland habe sich damit international isoliert und seinem Einsatz für den Kampf um Menschenrechte geschadet. Wie geht das Auswärtige Amt mit diesen Vorwürfen um?

Ich glaube, dieser Vorwurf ist schlicht falsch. Ich glaube, dass wir Belehrungen über Menschenrechte nicht brauchen, dass wir dort eine saubere Bilanz haben - übrigens auch was Libyen angeht. Die Geschichte der europäisch-libyschen Beziehungen hat ja nicht erst im Januar dieses Jahres begonnen, sondern geht über eine lange Zeit. Die Bundesrepublik Deutschland war im Hinblick auf das Thema Menschenrechte gegenüber der libyschen Regierung immer aktiv und hat sich immer besonders eingesetzt - zu Zeiten als Gaddafi in anderen Hauptstädten Europas sein Zelt aufgeschlagen hat. Von daher glaube ich, sollten wir eine innenpolitische Diskussion darüber, welche die richtige Entscheidung gewesen wäre, nicht dazu missbrauchen, das Menschenrechtsthema negativer auszumalen als es sich die Bundesregierung ausmalen muss.

Das Problem in der Menschenrechtspolitik ist ja sehr oft, dass man im Spannungsfeld steht zwischen Realpolitik und den Ansprüchen, Menschenrechten genüge zu tun. Wie geht das Auswärtige Amt mit Vorfällen um wie jetzt in China, wo der Künster Ai Wei Wei verhaftet worden ist?

Staatsminister im Auswärtigen Amt Werner Hoyer im Interview mit Ralf Bosen (Foto DW/Peter Hille)
Werner Hoyer im Gespräch mit Ralf Bosen von der Deutschen WelleBild: DW

Das ist in der Tat ein ganz besonders schwieriger Fall weil hier bei Ai Wei Wei ja versucht worden ist, die Menschenrechtspolitik des Westens geradezu vorzuführen. Deswegen muss man auch konsequent bleiben und an diesem Fall dranbleiben und darf sich nicht beirren lassen. Ansonsten haben Sie schon recht, steht man ständig vor der Abwägung zwischen einer möglichst lauten, demonstrativen Menschenrechtspolitik und einer Menschenrechtspolitik, die am konkreten Ergebnis im Einzelfall interessiert ist. Diese Abwägung muss man vornehmen. Das macht die Sache nicht immer sehr leicht, aber es lohnt sich, auch mal auf die laute Stimme oder auf die große Schlagzeile zu verzichten, wenn man im konkreten Menschenrechtsfall tatsächlich helfen kann.

Also mehr die diplomatische Linie?

Ja, selbstverständlich. Wir wollen im konkreten Fall etwas erreichen und nicht sozusagen den eigenen Feelgood-Faktor erhöhen. Man mag sich dann wohler fühlen, wenn man sehr laut aufgetreten ist. Man hat aber Menschen, die in Not sind, möglicherweise konkret nicht geholfen. Das ist eine schwierige Abwägungsentscheidung - jedes Mal wieder.

In Zeiten der Globalisierung hat eine grenzenüberschreitende Menschenrechtspolitik an Bedeutung gewonnen. Gibt es eine klare Strategie der Europäischen Union?

Eigentlich ja. Wir haben dadurch, dass wir das Menschenrechtsthema auch über die Grundrechte-Charta in der Europäischen Union besonders fest verankert haben, uns eine gewisse Vorbildfunktion vorgenommen. Das heißt dann auch: Man muss in Fragen von Menschenrechten, von Grundrechten, auch dann tatsächlich das leben, was man sich selber in die Papiere geschrieben hat. Deswegen ist es wichtig, dass die Europäische Union wie ihre Mitgliedstaaten in Menschenrechtsfragen in der gesamten Welt glaubwürdig ist. Das bedeutet dann auch, dass sie nach innen glaubwürdig sein muss, zum Beispiel wenn es darum geht, elementare Freiheiten wie Pressefreiheit, Meinungsfreiheit auch tatsächlich nach innen zu schützen. Das ist dann immer der entscheidende Test für eine Union, die sich ein so hehres Ziel auf die Fahne geschrieben hat.

Drei Tage lang wird hier in Bonn auf dem Global Media Forum über Menschenrechte, Globalisierung und Medien diskutiert. Was erhoffen Sie sich von der Konferenz als Botschaft?

Ich glaube, dass die Menschenrechtsfrage jetzt ganz besonders aktuell ist, weil bei zunehmender Geschwindigkeit des Globalisierungsprozesses die Gefahr besteht, dass Menschenrechtsfragen etwas unter die Räder geraten. Und zwar deshalb, weil im Gegensatz zu den letzten Jahrzehnten, als die aufgeklärten, rechtsstaatlichen Demokratien auch wirtschaftlich sehr erfolgreich waren, wir es jetzt mit einer ganzen Reihe von wirtschaftlichen und politischen Polen in dieser Welt zu tun haben, die ökonomisch recht erfolgreich sind, in der Globalisierung mittlerweile eine ganz wichtige Rolle wahrnehmen, aber im Hinblick auf innere Freiheitsrechte, auf Menschenrechte, doch sehr bedenkliche Entwicklungen aufzeigen. Von daher ist es wichtig, dass wir gerade dann, wenn autoritäre Systeme ökonomisch erfolgreich sind, die Menschenrechtsfrage immer wieder aufwerfen.

Wie sehen Sie dann die Rolle der Deutschen Welle, die sich ja in ihrem Selbstverständnis als Stimme der Menschenrechte sieht?

Das ist ein großes Wort, und ich hoffe, dass die Deutsche Welle diesem Anspruch gerecht wird. Ich sage einfach, die Deutsche Welle ist die mediale Visitenkarte der Bundesrepublik Deutschland, und sie ist insofern natürlich bei aller Anerkennung und Wahrung der journalistischen Unabhängigkeit ein Instrument der deutschen Außenpolitik. Es ist also die Aufgabe der Deutschen Welle, auch die Menschenrechtsorientierung der deutschen Politik und Gesellschaft nach draußen zum Ausdruck zu bringen. Das tut die Deutsche Welle, glaube ich, ausgezeichnet.

Werner Hoyer (59) ist FDP-Politiker und Staatsminister im Auswärtigen Amt. Er nimmt als Gast an dem von der Deutschen Welle veranstalteten Global Media Forum in Bonn teil. Die Konferenz vom 20. bis 22. Juni beleuchtet die Bedeutung der Medien für die Durchsetzung der Menschenrechte in einer globalisierten Welt.

Das Interview führte Ralf Bosen
Redaktion: Marko Langer