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Unternehmen und Menschenrechte

19. Juni 2011

Unternehmen und Menschenrechte besser zusammenzubringen - das war der Auftrag des UN-Menschenrechtsrates an den amerikanischen Wirtschaftsprofessor John Ruggie. Jetzt wurde sein Konzept beschlossen.

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John Ruggie, UN-Sonderbeauftragter für Menschenrechte (Archivbild: picture alliance / dpa)
John Ruggie, UN-Sonderbeauftragter für MenschenrechteBild: picture-alliance/dpa

DW-WORLD.DE: Arbeiter schuften 13 Stunden und mehr in China, um Mobilfunktelefone zusammenzubauen, Frauen in Bangladesch nähen Kleidung für geringste Löhne und in Kolumbien werden Menschen von ihrem Land vertrieben, weil es für den Kohleabbau von Firmen in Besitz genommen wird - wer ist für diese Angriffe auf die Menschenrechte verantwortlich?

John Ruggie: Beide - Staaten und Unternehmen - sind verantwortlich. Aber was uns bislang gefehlt hat, ist ein klares Verständnis davon, was genau die Staaten tun sollten und was die Unternehmen. Die Unternehmen sagen normalerweise, wir halten uns an nationales Recht. Aber wenn das nationale Recht Lücken hat, ist das ein Problem. Und dies muss genau unter zwei Aspekten gelöst werden: zum einen soll der Staat entsprechende Gesetze machen und diese auch durchsetzen, zum anderen haben die Unternehmen eine eigene unabhängige Verantwortung, und müssen diese Rechte auch respektieren. Es ist eine duale Verantwortung zum Schutz der Menschenrechte.

In Europa fürchten die Menschen ihren Job zu verlieren, wenn sie gegen schlechte Bezahlung oder schlechte Arbeitsbedingungen protestieren. In Deutschland zum Beispiel verlieren Gewerkschaften gleichzeitig Mitglieder und Macht. Ist das nicht widersprüchlich?

Überall auf der Welt verlieren Gewerkschaften Macht. Es ist eine Folge der Globalisierung, dass Jobs ins Ausland verlagert werden und die damit verbundene Angst davor ebenso. Auch das ist ein Feld, auf dem wir handeln müssen. Natürlich kann man nicht erwarten, dass Bangladesch einen Mindestlohn in gleicher Höhe hat, wie Deutschland oder die Vereinigten Staaten, weil die Volkswirtschaften sehr unterschiedlich sind. Aber zugleich gibt es grundsätzliche Ansprüche in Punkto Menschenrechte, Gesundheit, Sicherheitsstandards und da sollte es zukünftig mehr Übereinstimmungen geben.

Die Regierungen sind dafür verantwortlich, ihren Bürgern die Menschenrechte zu garantieren, und sie müssen sicherstellen, dass Unternehmen die Menschenrechte respektieren, was aber oft nicht geschieht. Welche neuen Probleme sind durch die Globalisierung entstanden?

Es gibt Verschiedenes, was damit im Zusammenhang steht: Eines ist das Auslagern von Arbeitsplätzen, vor allem von einfachen Jobs an Orte, wo die Arbeit billiger ist. Auf der anderen Seite ist es ein wichtiges Mittel zur Armutsbekämpfung und die Entwicklung der ärmeren Länder. Und deshalb sollte man es auch nicht verhindern, aber in Zukunft besser regeln. Eine andere Folge der Globalisierung ist die Entstehung transnationaler Konzerne, die angesichts lokaler Gesetze oftmals mehr Handlungsmacht haben als sie es bei einem einzigen, globalen rechtlichen Standard hätten.

Sie haben ein Konzept zur Lösung dieser Probleme entwickelt - die Guiding Principles - wie sehen sie aus?

Die Guiding Principles - grundlegende Leitsätze - beinhalten die entsprechenden Schritte, die Unternehmen machen müssen um Rechte zu respektieren. Und mit Blick auf die Staaten heißt das - sie ordnen die gesetzlichen Verpflichtungen des Staates zum Schutz der Menschenrechte, einschließlich der Gerichtsbarkeit.

Sie beinhalten den Vorschlag, dass Unternehmen, die in Konfliktregionen tätig sind, zukünftig einer extra-territorialen Gerichtsbarkeit unterliegen sollten. Wenn Länder Unternehmen eine Unterstützung für Auslandsinvestitionen anbieten, sollten sie verlangen, dass die Menschenrechte mit der gebotenen Sorgfalt beachtet werden. Und mit Blick auf die Unternehmen führen wir das Konzept der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht der "Due Diligence" ein. Das beinhaltet auch die Beurteilung der Auswirkungen unternehmerischer Aktivitäten, die regelmäßige Beobachtung, die Beteiligung der betroffenen Bevölkerung in der Umgebung, und einen Beschwerdemechanismus, so dass diejenigen, die eine Beschwerde außerhalb von Gerichtsverfahren haben, eine Möglichkeit finden, ihre Anliegen vorzutragen. Es sind 27, 28 Schritte, die wir für beide entwickelt haben - für die Staaten und für die Unternehmen.

Es gibt bereits Initiativen für soziale Standards in transnationalen Unternehmen, wie zum Beispiel den "Global Compact" der UN oder den "Code of Conduct", den Verhaltencodex der OECD für multinationale Unternehmen. Was ist jetzt neu an dieser Initiative des Menschenrechtsrates?

Zunächst einmal handelt es sich um einen Auftrag der Staatengemeinschaft im Menschenrechtsrat. Der Global Compact war eine Initiative des UN Generalsekretärs. Das ist ein großer Unterschied. Zum zweiten beinhaltet das Mandat die Rolle der Staaten genauso wie die Rolle der Unternehmen und es beinhaltet sowohl Abhilfe als auch Prävention und ist deshalb breiter angelegt als der Global Compact. Es ist das erste Regelwerk sozialer Standards, das die UN jemals für die Wirtschaft in Sachen Menschenrechte gebilligt hat. Und drittens sind die gleichen Standards in verschiedenen Formen schon von anderen Institutionen aufgeschrieben worden, einschließlich der OECD und der "International Finance Corporation" (IFC, Mitglied der Weltbank) und sie sind auch in die ISO 26.000, eine Norm der Internationalen Standardisierungsorganisation über Sozialstandards, eingeflossen. Hinter den Guiding Principles - und das ist zukünftig der einzig autorisierte Standard in Sachen Menschenrechte - steht also eine große internationale Übereinstimmung.

Der Menschenrechtsrat wird die "Guiding Principles" noch einmal diskutieren. Was erwarten Sie - werden sie als verbindliches Instrument verabschiedet und vor allem werden sie dazu beitragen, dass Unternehmen in der Gesellschaft zukünftig eine positivere Rolle spielen werden?

Der Prozess und der Nachfolgeprozess im Menschenrechtsrat könnten weitere rechtliche Entwicklungen mit sich bringen - wir werden sehen wie es sich entwickelt. Es ist kein rechtlich verbindliches Instrument, aber es wird verabschiedet als Regierungspolitik und berührt Regierungs-Agenturen und ihre Aktivitäten.

Wird es weiterhin ein Mandat als "Sonderbeauftragter für Menschenrechte und Unternehmen" geben?

Nun, es wird einen Folgeprozess geben, das war auch mein Ziel und meine Hoffung. Zum ersten Mal haben wir ein verlässliches Regelwerk für menschenrechtliche Standards in der Wirtschaft, auf das wir aufbauen können. Das gab es in der Vergangenheit nicht, es gab hier und da Fragmente, einige haben diese gebilligt andere nicht. Aber jetzt haben wir eine einheitliche Plattform, eine einheitliche Grundlage auf der wir weiter vorangehen müssen und ich glaube, das ist ein sehr wichtiger Schritt. Geschichte entwickelt sich in kleinen Schritten, aber die Grundlage für zukünftige Entwicklungen zu legen - das ist glaube ich ein wichtiger, erster Schritt.

Das Interview führte Ulrike Mast-Kirschning.

Redaktion: Wim Abbink