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Cyber-Angriffe

8. Juni 2011

Seit der Stuxnet-Attacke gegen Irans Atomprogramm und den jüngsten Hackerangriffen auf Unternehmen hat das Thema Internetsicherheit Hochkonjunktur. In Tallinn diskutieren 400 Experten darüber.

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Internet im Visier von Hackern
Bild: Fotolia/Kobes

Das estnische Nationaltheater ist ein imposantes Gebäude, in weiß gehalten und im Jugendstil erbaut. Doch obwohl Tallinn in diesem Jahr europäische Kulturhauptstadt ist, werden die Hallen und Gänge diese Woche nicht von Theatergängern und Kulturbegeisterten gefüllt - stattdessen tummeln sich Computeringenieure, Sicherheitsexperten und Militärs in den altehrwürdigen Räumen. Zum dritten Mal schon hat das in Tallinn angesiedelte Cyberverteidigungszentrum der NATO zu einer internationalen "Conference on Cyber Conflict" eingeladen. Experten aus aller Welt sind der Einladung gefolgt.

Erfahrung mit Cyber-Attacken

Estlands Präsident Toomas Hendrik Ilves zeigt sich im Interview mit der Deutschen Welle befriedigt, dass Cyber-Sicherheit inzwischen auch jenseits von Expertenzirkeln als Thema ernst genommen wird. Ilves verweist auf die im vergangenen November in Lissabon verabschiedete neue NATO-Strategie. Die legt großes Gewicht auf die Sicherheit des Cyber-Raums. Auch bei der Münchner Sicherheitskonferenz in diesem Frühjahr waren die Gefahren digitaler Waffen wichtiges Thema.

Auch Estland hat bereits Erfahrungen mit Cyber-Angriffen gemacht. Das kleine baltische Land mit seinen 1,3 Millionen Einwohnern hatte nach der Unabhängigkeit von der ehemaligen Sowjetunion 1991 für seine wirtschaftliche Entwicklung stark auf den Ausbau der Telekommunikationsinfrastruktur gesetzt.

Estlands Präsident Ilves weiß um die Gefahr von Cyberangriffen
Estlands Präsident Ilves weiß um die Gefahr von CyberangriffenBild: DW

Estland gehört heute zu den am stärksten vernetzten Ländern der Welt. Internet-Zugang wird per Gesetz garantiert. Praktisch überall sind drahtlose Netze verfügbar. Selbst wer keinen eigenen Rechner hat, kann an einem von 700 Terminals kostenlos surfen. 97 Prozent aller Bankgeschäfte werden online getätigt. Und bei der Parlamentswahl 2010 wurde mit Hilfe des elektronischen Personalausweises ein Viertel der Stimmen online abgegeben.

Hervorragende Vernetzung birgt Gefahren

Gerade weil Estland voll auf das Internet setzt, wurde so hart getroffen, als Ende April 2007 eine Welle von Cyber-Angriffen auf das Land einsetzte: Die Webseiten von Banken, Ministerien, dem Parlament, von Zeitungen und Medien waren nicht mehr zugänglich. Bankautomaten gaben kein Geld mehr heraus, Notfallrufnummern funktionierten nicht mehr. All dies war die Folge eines sogenannten DDOS-Angriffes - der gezielten Überlastung von Servern durch eine Unmenge elektronischer Anfragen. Die Urheber wurden in Russland vermutet.

Ein Jahr später wurde in Tallinn das Cyber-Verteidigungszentrum der NATO gegründet. Rund 30 Experten aus neun Ländern sind in die Räume einer alten Kaserne eingezogen und verstehen sich als Denkfabrik der NATO in Sachen Internet-Sicherheit. Die "Cyber Conflict Conference" ist der jährliche Höhepunkt ihrer Arbeit. Und so wie das Thema an Bedeutung gewonnen hat, so haben sich auch die Teilnehmerzahlen entwickelt: stetig nach oben - mit heute knapp doppelt so viel Experten im Nationaltheater wie noch 2009.

Auch Entdeckung von Angriffen schwierig

Simulierter Hacking-Angriff: Per Mausklick zum Datendiebstahl
Simulierter Hacking-Angriff: Per Mausklick zum DatendiebstahlBild: Matthias von Hein

Unter den Sicherheitsexperten macht sich Nüchternheit breit. Die israelische Expertin Keren Elazari erklärte, inzwischen konzentriere man sich weniger auf die Abwehr von Angriffen. Man arbeite vielmehr daran, Angriffe und Einbrüche in Computernetzwerke und den Diebstahl von Daten überhaupt zu entdecken.

Neben vielen technischen Themen wird in Tallinn auch über mögliche Taktiken zur Abschreckung diskutiert – unter Einschluss militärischer Mittel. Allerdings lassen sich im Internet Spuren perfekt verwischen. Der eindeutige Nachweis, wer hinter einem Angriff steckt, ist nur schwer zu erbringen. Und so stehen auch völkerrechtliche Fragen in Zusammenhang mit Cyber-Krieg auf der Tagesordnung.

Diese Diskussion ist bitter notwendig: Ende dieser Woche will die NATO ihre neue Cyber-Sicherheitsstrategie vorstellen. Darin will das Bündnis die Basis legen für den Schutz ihrer eigenen Systeme und die Fähigkeit, auch auf Hightech-Angriffe zu antworten.

Autor: Matthias von Hein
Redaktion: Klaus Dahmann