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China Deutschland

11. Juni 2011

In diesem Jahr werden zum ersten Mal mehr deutsche Investitionen nach China fließen als in die europäischen Nachbarländer. Umgekehrt wird auch der Standort Deutschland für chinesische Investoren immer attraktiver.

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Zwei junge chinesische Geschäftsleute (Foto: picture alliance)
Bild: picture alliance/imagestate/Impact Photos
Moritz Freiherr Schenk von KPMG (Foto: DW)
Moritz Freiherr Schenk von KPMGBild: DW

Die Hälfte der chinesischen Investitionen in Europa entfällt auf Deutschland. Das liegt nicht nur an der zentralen Lage Deutschlands in Europa. "Der Standort bietet Zugang zu großen, internationalen Kunden, Zugang zu Technologie und Zugang zu erfahrenen Mitarbeitern", sagt Moritz Freiherr Schenck von der Beratungsgesellschaft KPMG. Noch besteht die Mehrzahl chinesischer Investitionen aus Vertriebstöchtern und Niederlassungen. Doch trauen sich immer mehr Investoren aus Fernost, deutsche Unternehmen zu erwerben.

Dabei hatten sie zuerst deutsche Firmen im Visier, die in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckten. Doch die Chinesen hätten oft nicht üver die nötige Kompetenz verfügt, um das Blatt zu wenden, berichtet Schenck. Aber das Bild hätte sich in den letzten anderthalb Jahren gewandelt: "Chinesische Unternehmen fangen an, solide und sehr gute deutsche Unternehmen mit entsprechender Technologie und Kundenzugang zu kaufen." Da seien die Erfahrungen im Schnitt auch wesentlich besser als in der Vergangenheit, so Schenk gegenüber DW-WORLD.DE.

Chinesisch-fränkische Erfolgsgeschichte

Die Coburger, bayerische, deutsche und chinesische Fahne sind vor der Firmenzentrale von Waldrich Coburg zu sehen (Foto: Waldrich Coburg)
Vor der Zentrale der Firma Waldrich Coburg weht auch die chinesische FahneBild: Waldrich Coburg

Als Paradebeispiel für eine erfolgreiche Übernahme gilt der Kauf von Waldrich Coburg durch Peking Nummer eins Ende 2005. Der Umsatz des fränkischen Maschinenbauers hat sich seitdem mehr als verdreifacht. Die Zahl der Mitarbeiter ist um 50 Prozent gestiegen. Dieses Jahr machte die Übernahme des Automobilzulieferers Preh durch Ningbo Joyson Investment Holding Schlagzeilen. Gerade schickt sich der chinesische Computerhersteller Lenovo an, den deutschen Elektronik-Riesen Medion zu schlucken.

Es ist kein Geheimnis, dass der chinesische Staat die Auslandsaktivitäten seiner Unternehmen politisch und finanziell unterstützt. Manche Beobachter befürchten Wettbewerbsverzerrungen. Wang Wei, der China-Spezialist bei KPMG, geht jedoch davon aus, dass sich die marktwirtschaftliche Logik durchsetzen wird: "Der Staat kann das unternehmerische Handeln nicht ersetzen. So viel Geld hat er wiederum auch nicht, um alle Akquisitionen mit Cash zu unterstützen." Die Unternehmen müssten schon selber entscheiden, vor allem bei allen Transaktionen, die nicht mit Rohstoff zusammenhängen, sagt Wang Wei zu DW-WORLD.DE.

Das sind die Transaktionen, die von Chinesen in Deutschland durchgeführt werden, mit Sicherheit nicht. Zu den bevorzugten Branchen der Asiaten zählen Technologie, Automobil und Maschinenbau.

Europäische Märkte erschließen

He Dongdong, Sany-Deutschlandchef (Foto: DW)
He Dongdong, Sany-DeutschlandchefBild: DW

Der Baumaschinenhersteller Sany hat den weiten Weg nach Köln gewagt, nicht um sich einen Konkurrenten einzuverleiben, sondern um europäische Märkte zu erschließen. In der Nähe von Köln wurde für 100 Millionen Euro eine Produktionshalle aufgebaut. Betonpumpen verschiedener Typen werden dann für europäische Kunden gefertigt. 150 Ingenieure und Facharbeiter hat Sany Germany GmbH bisher angeheuert, rund 80 Prozent davon sind Deutsche. Gegen Vorurteile müsse er ankämpfen, sagt Firmenchef He Dongdong: "Wenn ein Deutscher von einem guten deutschen oder auch japanischen Unternehmen eingestellt wird, dann werden kaum Fragen von der Familie und Freunden gestellt." Aber wenn er für eine chinesische Firma arbeite, dann gebe es jede Menge Fragen, erzählt He.

Vorurteile gegenüber Investoren aus Fernost

Wang Wei, China-Experte bei KPMG (Foto: DW)
Wang Wei, China-Experte bei KPMGBild: DW

Dass es hierzulande Vorbehalte gegenüber chinesischen Investitionen herrschen, kann Wang Wei von KPMG nur bestätigen. Ein typisches Vorurteil: "Die Chinesen sind nur an der Technologie interessiert. Sie übernehmen unser Werk, transferieren alles nach China und machen das Werk zu." In der Praxis finde man aber kein einziges Beispiel.

Auch wenn chinesische Investitionen in Deutschland um mehr als 20 Prozent jährlich wachsen, machen sie nur einen Bruchteil der Investitionssumme aus, die deutsche Unternehmen im Reich der Mitte tätigen. Ein Ausverkauf Deutschlands an China sei daher nicht zu befürchten, sagt Moritz Freiherr Schenck: "Jeder chinesische Investor entdeckt, dass der Mehrwert die Mitarbeiter sind, die ich hier kaufe. Die verpflanze ich nicht nach China, sondern die nutze ich hier, in Deutschland." Von daher glaubt er nicht an einen Ausverkauf, es sei nur ein weiterer Schritt zu einer noch globaleren Wirtschaft.

Autorin: Zhang Danhong
Redaktion: Henrik Böhme