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Etappensieg im Kampf gegen EHEC-Erreger

2. Juni 2011

Deutsche und chinesische Forscher haben das Erbgut des EHEC-Darmbakteriums entschlüsselt. Doch bis zu einer wirksamen Therapie für die Patienten wird es nach Einschätzung der Experten noch lange dauern.

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Elektronenmikroskopische Aufnahme von EHEC-Bakterien (Foto: dpa)
Elektronenmikroskopische Aufnahme von EHEC-BakterienBild: picture-alliance/dpa

Auf dem Weg zu einer Therapie gegen das gefährliche Darmbakterium EHEC haben Ärzte einen wichtigen Schritt nach vorn gemacht: Sie kennen nun das Erbgut des Bakteriums. Experten am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) konnten mit Hilfe chinesischer Kollegen das Genom des grassierenden Erregers entschlüsseln. Bakteriologe Holger Rohde sagte am Donnerstag (02.06.2011) der Nachrichtenagentur dpa: "Es handelt sich um eine so noch nie gesehene Kombination von Genen."

Allem Anschein nach haben dafür zwei Bakterien Teile ihrer Erbsubstanz miteinander ausgetauscht. In der Summe entstand ein Escherichia coli (E. coli)-Bakterium, welches das Hämolytisch-Urämische Syndrom (HUS) auslösen kann, erläuterte Rohde. Etwa 80 Prozent - Rohde spricht vom "Mutterschiff" - stammten vom E. coli-Stamm O104. Die übrigen 20 Prozent wurden von einem anderen Bakterium übernommen. In diesem Teil des Genoms sind Erbanlagen zur Produktion des gefährlichen Shigella-Toxins, das den Patienten Probleme bereitet.

"Daraus ergibt sich, dass wir unsere Diagnostik kurzfristig optimieren und für den Nachweis für diesen spezifischen Erreger maßschneidern können", sagte Rohde weiter. Die Arbeiten seien noch nicht abgeschlossen. Er hoffe, dass durch das Wissen über das Erbmaterial dieses Erregers künftig verständlich werde, warum er ein solches schweres Krankheitsbild verursachen könne. "Und möglicherweise können wir dann in ferner Zukunft auch neue Strategien für die Therapie von Patienten entwickeln", erklärte Rohde.

17. Todesfall in Deutschland

Der Vorstandschef des Universitätsklinikums Eppendorf Jörg Debatin (Foto: dpa)
Der Vorstandschef des Universitätsklinikums Eppendorf Jörg Debatin (l.)Bild: picture-alliance/dpa

Rund drei Wochen nach dem Auftreten der ersten EHEC-Fälle gibt es ansonsten noch keinerlei Hinweise für eine Entwarnung. "Bei uns ist die Lage nach wie vor angespannt", sagte Professor Jörg Debatin, UKE-Vorstandschef. Zur Zeit würden in der Klinik 102 Patienten mit dem HUS behandelt. In der Nacht zum Donnerstag war eine 81 Jahre Frau im Hamburger Universitätsklinikum an den Folgen der Infektion gestorben. Es ist der 17. EHEC-Todesfall in Deutschland. Die Zahl der gemeldeten Infektionen und Verdachtsfälle liegt inzwischen bei rund 2000. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO haben insgesamt zehn Länder EHEC-Fälle gemeldet.

Unterdessen bekräftigte Spanien seine Forderung nach Schadenersatz für die Millionenverluste, die seinen Landwirten infolge der EHEC-Krise entstanden sind. Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero übte in diesem Zusammenhang scharfe Kritik am Krisenmanagement der deutschen Behörden und der Europäischen Union. Die deutschen Stellen hätten einen "eklatanten Fehler" begangen, als sie spanische Gurken mit der Ausbreitung der Infektionen in Verbindung gebracht hätten. Die EU-Kommission wiederum habe zu langsam reagiert und sei nicht energisch genug gegen die Importverbote einzelner EU-Staaten für spanische Agrarprodukte vorgegangen.

Bauern in Valencia sauer auf Deutschland

Spaniens Ministerpräsident Zapatero (Foto: AP)
Verärgert über Deutschland und die EU: Spaniens Ministerpräsident ZapateroBild: AP

Aus Protest gegen das Vorgehen der deutschen Behörden warfen etwa 50 spanische Bauern rund 300 Kilogramm Obst und Gemüse vor dem Konsulat der Bundesrepublik in Valencia auf die Straße - Gurken, Tomaten, Kartoffeln, Paprikas, Aprikosen und Pflaumen. Wie der Bauernverband La Unió de Llauradors mitteilte, hatte das Obst und Gemüse in Deutschland keine Abnehmer gefunden. Zwei südspanische Agrarbetriebe, auf deren Gurken in Hamburg EHEC-Erreger entdeckt worden waren, kündigten Schadenersatzklagen in Deutschland an. Laboranalysen ergaben, dass die entdeckten Keime nicht zu der Art gehörten, die die Welle von Infektionen ausgelöst hatte. Spanische Bauernverbände beziffern die den Landwirten entstehenden Verluste auf 200 Millionen Euro pro Woche.

Als unverhältnismäßig kritisierte unterdessen die EU-Kommission das russische Einfuhrverbot für Gemüse aus der EU. "Wir verlangen von Russland eine Erklärung", sagte der Sprecher von EU-Gesundheitskommissar John Dalli in Brüssel. Moskau hatte wegen des EHEC-Keims das Importverbot für frisches Gemüse, das zuvor nur für Ware aus Deutschland und Spanien gegolten hatte, auf alle 27 EU-Länder ausgeweitet.

Autor: Stephan Stickelmann (afp, dapd, dpa, rtr)
Redaktion: Marko Langer