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Grenzübergang Rafah ist geöffnet

28. Mai 2011

Der Grenzübergang Rafah zwischen dem Gazastreifen und Ägypten ist nach vierjähriger Blockade geöffnet. Für die Menschen in Gaza ist das eine gute Nachricht, politisch lauern aber weiter Gefahren, meint Bettina Marx.

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Bild: DW

Zum ersten Mal seit Jahren öffnet sich die Tür zu ihrem Gefängnis, wenigstens einen Spaltbreit. Frauen, Kinder und Männer über 40 können nun ohne Visum Ägypten besuchen, einkaufen gehen, sich in ärztliche Behandlung begeben, zum Studium ausreisen und die Freiheit schnuppern. In Zeiten der Unsicherheit, der Spannungen und Aufstände in der arabischen Welt ist das ein Zeichen der Hoffnung.

Nach Jahren der vollständigen Isolation weht nun der Wind des Wandels vom Tahrir-Platz in Kairo hinein in den stickigen Gazastreifen. Jahrelang hatte Ägyptens Machthaber Hosni Mubarak, der im Westen als Garant des Friedens zwischen Israel und Ägypten galt und als Anker der Stabilität in dieser Region, sich dem Druck Israels gebeugt und die Menschen in Gaza in ihrem Gefängnis festgehalten. Selbst während der israelischen Invasion im Winter 2009/2010 durften nur ganz wenige Schwerstverletzte die Grenze nach Ägypten passieren, um dort in Krankenhäusern versorgt zu werden. Mubarak hatte damit gegen das internationale Recht, gegen die Menschenrechte und gegen die Menschlichkeit verstoßen.

Um seine eigene Macht zu stabilisieren hatte er sich zum Büttel der Israelis gemacht, unterstützt und gefördert von einer unkreativen europäischen und amerikanischen Politik. Proteste in seinem Land gegen die Abriegelung des Gazastreifens hatte er rigoros und brutal unterdrückt, Demonstranten, die ihre Solidarität mit den Menschen in Gaza zum Ausdruck bringen wollten, wurden zusammengeschlagen und in die Gefängnisse geworfen. Auch dies hat zur Unzufriedenheit und zum Protest in Ägypten beigetragen.

Nun also ist die Grenze für den Personenverkehr offen und die Palästinenser in Gaza erhalten endlich ein Recht, das in den Menschenrechtskonventionen festgeschrieben ist und das eigentlich selbstverständlich sein sollte: das Recht, ihr Land zu verlassen.

Doch die Öffnung der Grenze birgt auch Gefahren. Denn Ägypten, das selbst unter massiven wirtschaftlichen Problemen leidet, ist kaum in der Lage, große Mengen an Arbeitssuchenden aus Gaza aufzunehmen, sollten diese versuchen, sich dauerhaft im Nachbarland anzusiedeln. Auch der ungestörte Austausch zwischen Extremisten in Gaza und dem Sinai könnte die ohnehin unsichere Lage weiterhin destabilisieren.

Die größte Sorge aber betrifft die Zukunft des Gazastreifens. Es ist längst bekannt, dass Israel den überbevölkerten und verarmten Landstrich loswerden möchte und die Verantwortung für dieses besetzte Land gern an Ägypten abschieben würde. Nach dem Abzug der jüdischen Siedler im Jahr 2005 hatte Israel die Grenze zum Gazastreifen geschlossen.

Der Grenzübergang Erez, der jahrelang als Übergang für palästinensische Arbeiter gedient hatte, die in der israelischen Bauwirtschaft Arbeit fanden, wurde in einen internationalen Grenzübergang umgewandelt. Den wenigen Reisenden, die hier durch einen hypermodernen Terminal geschleust werden – Mitarbeiter von Hilfsorganisationen, ausländische Journalisten und ein paar wenige Geschäftsleute – werden seither Aus- und Einreisestempel in den Pass gedrückt. Israel erklärte den Gazastreifen sogar offiziell als nicht mehr besetzt - was allerdings von der internationalen Staatengemeinschaft nicht anerkannt wird.

Die Regierung in Jerusalem könnte nun versucht sein, die Öffnung der Grenze zu nutzen, um den Gazastreifen endgültig loszuwerden. Schon melden sich in Israel Politiker zu Wort, die fordern, den Gazastreifen vom israelischen Strom- und Wassernetz abzuhängen und an Ägypten anzuschließen. Bei der Bevölkerung in ihrem Land finden sie damit breite Unterstützung.

Die Öffnung von Rafah also ist ein Zeichen der Hoffnung für die Menschen im Gazastreifen. Die Gefahr der endgültigen Abtrennung des Gazastreifens von den palästinensischen Gebieten und die dauerhafte Spaltung der Palästinenser sollte man dabei aber nicht aus dem Auge verlieren.

Autorin: Bettina Marx

Redaktion: Sabine Faber