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Kult Frauenfußball

24. Mai 2011

Kann Frauenfußball einen ähnlichen Hype erzeugen wie Männerfußball? Kurz vor der WM in Deutschland wollen Fan- und Sportartikelhersteller es wissen und produzieren Devotionalien: von Trikots bis zu Panini-Stickern.

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TIPP-KICK-Spielerinnen_Spielszene.(Foto: (Foto: Edwin Mieg OHG/tipp-kick)
Bild: Tipp-Kick

Nirgendwo ist die kollektive Verehrung einer Sportlermannschaft so groß, so hemmungslos wie beim Fußball. Nirgendwo wird lauter gesungen als im Stadion, nirgendwo werden mehr Emotionen frei, nirgendwo trägt man auch im Hochsommer freiwillig Wollschals um den Hals. Fußball ist Religion, ist Kult, und ganz und gar nicht als "Nebensache" zu bezeichnen. Kein Sport hat so viele Superlative hervorgebracht wie der Fußball. Fußball ist unser Leben, denn König Fußball regiert die Welt.

Fans im Stadion (Foto: dpa)
Frohsinn im Stadion: Bei den Damen wird weniger gegröltBild: picture-alliance/dpa

Diesem König droht nun Konkurrenz. Seine kleine Schwester, anfänglich als lästiges Anhängsel belächelt, weil Frauen ja vermeintlich nicht Fußball spielen können, ist in seinem Schatten aufgewachsen und beginnt an König Fußballs Selbstbewusstsein zu kratzen. Denn der Frauenfußball hat sich vom grobschlächtigen Damengekicke zu einem eleganten Ballsport entwickelt, in dem die Spielerinnen mit gelungenen Spielzügen, guten Ideen und technisch einwandfrei agieren. Und so feiert die deutsche Nationalmannschaft der Frauen einen Erfolg nach dem anderen. Nun steht sie kurz vor der Weltmeisterschaft im eigenen Land und versucht den Hattrick: drei mal hintereinander Weltmeister zu werden. Das hat noch keine Männermannschaft geschafft – und somit hätte der Frauenfußball seinen ersten eigenen Superlativ.

Vermarktung brummt noch nicht

Natürlich gibt es auch Frauenfußball-Fans. Es sind allerdings beileibe nicht so viele wie beim Männerfußball. Unter ihnen geht es recht entspannt zu. Auf den Zuschauerrängen sind eher Familien mit kleinen Kindern und auch viele Ältere, die die friedliche Atmosphäre im Stadion sicherlich mehr genießen als das lautstarke Fangegröle bei den Herrenspielen. Statt großer Flaggen werden eher kleine Fähnchen geschwungen, Lieder oder gar Schlachtgesänge hört man nicht so oft. Und so ist es mit dem richtigen Kult beim Frauenfußball auch noch ein bisschen schwierig.

Steffi Jones, WM-Maskottchen Karla Kick und Franz Beckenbauer (Foto: DFB)
DFB-Dreigestirn: Steffi Jones, Karla Kick und Kaiser FranzBild: DFB

Da wäre zunächst das Maskottchen des DFB, Karla Kick, diese Mischung aus Katze und Braunbär, die sich niemand, aber auch wirklich NIEMAND freiwillig in die Wohnzimmervitrine stellen wird. Ein Verkaufsrenner wird das sicherlich nicht.
Ein wenig mehr Erfolg versprechen die kultigen Panini-Bilder. Das sind die kleinen Sticker mit den Porträts der Fußballstars, die man in ein Sammelalbum kleben kann. Zur WM 2006 war der Hype am größten: 160 Millionen Sticker wurden damals verkauft. Bei der WM in Südafrika waren es immerhin noch 90 Millionen. Jetzt ist die Freude des Verlags besonders groß, zur Frauenfußball-WM in Deutschland erstmals auch die Fußballdamen als Stickerbilder präsentieren zu dürfen. Das Sammelalbum soll 40 Seiten haben, auf denen die 16 teilnehmenden Nationen mit je 17 Bildern vertreten sein werden. Wie groß die Auflage ist, darüber schweigt sich der Verlag zurzeit noch aus. Immerhin: Jetzt wird es nicht mehr nur: "Tausche Özil gegen Podolski" heißen, sondern auch: "Tausche Prinz gegen Angerer".

Damen auch bei Tipp-Kick und Kicker

Fußball spielende Frauen haben nicht nur die Fußballplätze und Stadien erobert. Sie spielen mittlerweile überall mit, wo gekickt wird: Vor rund 90 Jahren wurde das Tipp-Kick-Spiel erfunden - ein Tischfußballspiel, bei dem der Stürmer per Knopfdruck auf den Kopf sein Bein bewegt und schießen kann. Der Torwart fällt per Knopfdruck nach links oder rechts.

Heim- und Auswärts-Trikot der deutschen Frauen-Nationalmannschaft (Foto: dpa)
Rot für Auswärtsspiele, weiß für Heimspiele - die neuen DamentrikotsBild: picture alliance/dpa

Nachdem der Frauenfußball immer populärer geworden ist, war es nur noch eine Frage der Zeit, bis die Firma das Marktpotential weiblicher Tipp-Kick-Figuren entdeckte. Anfang 2010 wurde die "Ladies Competition"-Ausgabe vorgestellt und unter anderem von Deutschlands Tipp-Kick-Rekordmeisterin Birgit Kirschner getestet. Spielerisch okay, allerdings von der Größe her den männlichen Gegnern leider unterlegen, konstatiert sie, außerdem habe die Figur "klischeehaft lange Haare, aber sonst wenig weibliche Attribute. Sie hat zu wenig Oberweite und dafür ein zu breites Becken. Die Frau sollte weiblicher sein." Stimmt. Ihr Mund ist ein kurzer roter Strich, die dunklen Haare hängen lang über die Schultern. Die Brüste sind nur sanft angedeutet. Doch Firmenchef Mathias Mieg wiegelt ab: "Tipp-Kick darf nicht sexistisch sein." Daran hat sich auch der Schweizer Bildhauer Beat Künzler gehalten - er hat die Tipp-Kick-Damen in Überlebensgröße nachmodelliert. Die stehen jetzt zur WM in der Empfangshalle des Stuttgarter Flughafens.

Auch am Kickertisch gehen Verfechter der Gleichberechtigung von Frauen im Fußball nicht mehr leer aus - tatsächlich gibt es weibliche Kickerfiguren mit entsprechender Oberweite und einem klitzekleinen Pferdeschwanz.

Damentrikot als Männerversion

Der Renner zur WM 2011 wird - wie soll es anders sein - das Trikot werden. Extra für diese Weltmeisterschaft im eigenen Land haben die Designer des Sportartikelherstellers "adidas" ein Trikot entworfen, in dem die deutschen National-Elfen auf dem Platz eine gute Figur machen sollen. Grundfarbe weiß, mit schwarz-rot-goldenen Farbakzenten; Rückennummern und Schrift sind verspielter als bei den Männern. Während Frauen natürlich auch Männertrikots anziehen (was blieb ihnen bisher auch anders übrig?) ist es für Männer dagegen nicht ganz einfach in die Formen eines Damentrikots zu schlüpfen. Auch da hat "adidas" mitgedacht: Für die Frauen-WM 2011 gibt es extra für Männer ein Trikot der gleichen Machart, allerdings mit einem männlichen Schnitt. Ob sich ein Mann allerdings den Namen "Prinz" hintendrauf prägen lässt, sei dahingestellt.

Mittelstürmerin Lira Bajramaj feiert (Foto: ap)
Vor dem Spiel frisch aufgetragen: Lira Bajramaj's knallroter NagellackBild: AP

Das Beste, was dem Image des deutschen Frauenfußballs passieren konnte, sind zweifellos die Spielerinnen selbst. Es sind attraktive junge Frauen - wohl mit muskulösen Fußballbeinen, bitte schön, das gehört dazu - aber auch schonmal mit Nagellack und Lippenstift. Sie trainieren hart, sind technisch auf hohem Niveau. Sie sind fröhlich ohne Starallüren. Sie können ganze Sätze sprechen. Sie lassen sich in Modezeitschriften mit ihren Lieblingsklamotten ablichten und drehen Videos, in denen sie den Männern ganz klar zeigen: Wir drehen unser Ding hier selber! Sie sind selbstbewusst - und sie sind zäh. Solche Qualitäten dringen mehr und mehr an die Öffentlichkeit und machen neugierig. Und so können die Organisatoren der WM 2011 schon jetzt fröhlich verkünden, dass sämtliche WM-Spiele mit deutscher Beteiligung bereits ausverkauft sind. Mehr als 600.000 Karten sind schon jetzt weg - und man ist sicher, dass während des Turniers noch mehr Karten verkauft werden. Fahnen werden sicher nicht so gut gehen - die sind von der letzten WM noch im Schrank. Es sei denn, die Marketing-Strategen erfinden noch eine extra Frauen-WM-Flagge. Man darf gespannt sein.

Autorin: Silke Wünsch
Redaktion: Petra Lambeck