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Neuanfang bei den Liberalen

14. Mai 2011

Der neue FDP-Vorsitzende will seiner Partei ein sympathischeres Image verpassen: mehr Teamgeist, weniger wirtschaftspolitische Ideologie. Röslers Programm ist stark geprägt von seiner eigenen Vita.

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Der neue FDP Parteivorsitzende Philipp Rösler hält am Samstag (14.05.2011) beim Bundesparteitag der FDP in Rostock seine Grundsatzrede (Foto: dpa)
Der neue FDP-Chef Philipp RöslerBild: picture-alliance/dpa

Die Zahl 95 könnte noch zur Belastung werden für Philipp Rösler. Denn 95 Prozent Ja-Stimmen bei seiner Wahl zum Vorsitzenden der kriselnden Regierungspartei FDP sind mehr als ein überwältigender Vertrauensbeweis der liberalen Basis. Sie sind zugleich Ausdruck großer Erleichterung über das Ende der Ära Westerwelle, verbunden mit der nahezu verzweifelten Hoffnung auf bessere Zeiten. In Scharen haben sich die Wähler von der FDP abgewandt. Bei den jüngsten Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz flog sie aus dem Parlament. In Baden-Württemberg blieb sie zwar knapp drin, landete aber in der Opposition.

Philipp Rösler soll und will diesen Trend nun stoppen. In seiner Jungfernrede als FDP-Chef versuchte er das mit einer Mischung aus Demut und Optimismus. Man habe sich zu viel gestritten und das Vertrauen vieler Menschen verspielt. Aber es werde gelingen, dieses Vertrauen zurückzugewinnen. "Das geht nicht von heute auf morgen, aber es geht durch Verlässlichkeit, Berechenbarkeit und Entschlossenheit in der Sache", glaubt Rösler.

Was der neue FDP-Chef unter Freiheit versteht

Der neue FDP-Chef Philipp Rösler (l) mit Blumen, sein Amtsvorgänger Guido Westerwelle (r) geht aus dem Bild... (Foto: dpa)
Rösler mit Blumen, Amtsvorgänger Westerwelle geht...Bild: picture alliance/dpa

Ohne seinen Amtsvorgänger, Außenminister Guido Westerwelle, persönlich für den schlechten Zustand der FDP verantwortlich zu machen, bemängelte der neue Vorsitzende die programmatische Verengung auf das Thema Steuersenkung und Wirtschaftsliberalismus. Röslers Thema ist der Freiheitsbegriff in einem viel weiter gefassten Sinn. Deshalb sinnierte der 38-jährige über den demokratischen Umbruch in Europa 1989, den er tief beeindruckt als Teenager am Fernseh-Apparat erlebt hat, ebenso wie über die aktuellen revolutionären Umbrüche in Nordafrika. Freiheit bedeutet für ihn jedoch auch so wenig Staat wie möglich, aber so viel wie nötig.

Immer wieder kokettierte der in Vietnam geborene und als Adoptivkind in Deutschland aufgewachsene Arzt mit seiner eigenen Vita, seinem asiatischen Aussehen. Und er tat das humorvoll. Viele Menschen würden ihn fragen, wo er eigentlich herkäme. Wenn er dann sage, aus Hannover, werde er mitunter kritisch angeguckt. In solchen Momenten sage er dann, natürlich sehe man ihm an, dass er nicht ganz aus Hannover komme. "Ein bisschen südlicher ist es schon, genau genommen komme ich aus Bückeburg."

Integration und Patriotismus

FDP-Chef Rösler (r.) ersetzt Rainer Brüderle (l.) als Bundeswirtschaftsminister (Foto: dapd)
FDP-Chef Rösler (r.) ersetzt Rainer Brüderle (l.) als BundeswirtschaftsministerBild: ap

Mit selbstironischen Anspielungen auf seine Herkunft, vorgetragen in einem ruhigen, mitunter geradezu bedächtigen Tonfall, nahm er die FDP-Basis für sich ein. Welch ein Kontrast zu dem schrillen Guido Westerwelle, der seine Partei-Freunde zwar mit rhetorischer Brillanz begeistern konnte, aber ihre Herzen nur selten erreichte. Ganz anders Philipp Rösler, der einen von ihm selbst so bezeichneten "mitfühlenden Liberalismus" propagiert. Und damit ist weit mehr als Mitleid gemeint.

Deshalb wirbt die neue Nummer eins der FDP in einem Atemzug für mehr Integration und Patriotismus. Gerade eine weltoffene Partei wie die FDP wisse, dass ein Heimat-Gefühl für den gesellschaftlichen Zusammenhalt wichtig sei. Beides zusammen, Weltoffenheit und Bekenntnis zur Heimat, heiße, "dass wir gerne auch andere Menschen hier bei uns haben, um ihnen eine Heimat geben zu wollen", sagte Rösler.

"Es gibt Parallel-Gesellschaften"

Zuwanderung à la Rösler muss allerdings auch und keinesfalls zuletzt den wirtschaftlichen Interessen Deutschlands dienen. Daran ließ der FDP-Vorsitzende keinen Zweifel. Für Liberale dürfe es keine Tabu-Themen geben. Defizite in der Integration von Zuwanderern hält Rösler für eine nicht zu leugnende Realität.

"Es gibt Parallel-Gesellschaften, es gibt intolerantes Verhalten der Menschen untereinander", sagte Rösler. "Integration wird man nicht schaffen durch multikulturelle Aktionstage und bunte Straßenfeste." Entscheidend sei bessere Bildung für alle. Das gelte für Menschen mit Migrationshintergrund, aber auch für Menschen ohne Migrationshintergrund.

Philipp Röslers Freiheitsbegriff ist stark geprägt von seinen ganz persönlichen Lebenserfahrungen. Dabei berief er sich auf den Theologen, Philosophen und Arzt Albert Schweitzer. "Ich will weder meine Freiheit gegen Wohltaten hergeben noch meine Menschenwürde gegen milde Gaben. Ich habe gelernt, selbst für mich zu denken und zu handeln, der Welt gerade ins Gesicht zu sehen." Das sei sein liberales Lebensmotto. Und mit dieser Geisteshaltung will der neue FDP-Chef seine Partei aus der Misere führen. Wie gut ihm das gelingt, wird sich bei den in diesem Jahr noch ausstehenden Landtagswahlen zeigen: in Bremen, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern.

Autor: Marcel Fürstenau

Redaktion: Hartmut Lüning