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Migration ohne Brain Drain

16. Mai 2011

Bislang galt in der Entwicklungspolitik: keine Abwerbung von Qualifizierten aus Entwicklungsländern. Wie sollen sich Industrieländer daran halten, wenn ihnen Fachkräfte fehlen? Die deutsche Antwort: zirkuläre Migration.

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Eine junge Wissenschaftlerin aus Indien im Labor (Foto: picture alliance/Dinodia Photo Library)
Bild: picture alliance/Dinodia Photo Library

Die Idee von Entwicklungshilfe der Industriestaaten ist es, den Menschen in den Entwicklungs- und Schwellenländern zu helfen, ihre Situation zu verbessern. Dazu gehört, dass die Intelligenz im Land bleibt. Doch wie sollen sich Industrieländer an diese Grundregel halten, wenn ihnen selbst Fachkräfte fehlen?

Zum Beispiel Deutschland. Hier werden die Arbeitsplätze nicht weniger werden, dafür aber die Zahl der Arbeitskräfte. Aufgrund des Geburtenrückgangs wird unter gleich bleibenden Bedingungen bis zum Jahr 2025 die Zahl derjenigen, die arbeiten können und wollen, um 6,5 Millionen zurückgehen. Auch wenn mehr Frauen erwerbstätig werden und die Arbeitslosenzahlen im Land zurückgehen, wird eine Lücke von Millionen offen bleiben. Deshalb ist Deutschland auf Zuwanderung angewiesen - auch aus Entwicklungs- und Schwellenländern.

Migration aus Entwicklungsländern ohne Brain Drain

Der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dirk Niebel (FDP) (Foto: dpa)
Dirk Niebel: Migration aus den Entwicklungsländern - aber ohne Brain DrainBild: picture alliance/dpa

Allerdings wolle man darauf achten, so der deutsche Entwicklungsminister Dirk Niebel, "dass der sogenannte Brain Drain nicht eintritt", die Abwerbung also von Fachkräften aus den Entwicklungs- und Schwellenländern. Es sei keine gute Entwicklungspolitik, so Niebel, wenn in afrikanischen Staaten medizinische Fachkräfte ausgebildet und dann von dem Industrieland, das die Qualifikation finanziert hat, für die eigenen Krankenhäuser abgeworben werden. Die Konsequenz für die betroffenen Entwicklungsländer in einem solchen Fall: ihr Gesundheitssektor bleibt genauso schlecht, wie vor der Ausbildung.

Trotz solcher Bedenken: Tatsache bleibt, dass die weltweite Migration zunehmen wird. Da liegt es nahe, dass sich auch Deutschland, das auf Zuwanderung angewiesen ist, Gedanken macht, wie es einen Teil der Migrationsströme ins eigene Land lenken kann. Und zwar ohne, dass es zu einem Brain Drain kommt.

Triple Win

Dr. Jürgen Wilhelm, Vorstandsmitglied Deutsche Gesellschfaft für Zusammenarbeit (GIZ) (Foto: Paul Hahn) (Foto:
Jürgen Wilhelm: mit dem Triple-Win-Project Migration nachhaltig gestaltenBild: Paul Hahn

Die Antwort lautet: Triple Win, also dreifacher Gewinn, so Jürgen Wilhelm, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ): "Die Idee des Triple-Win-Projekts ist es, den Migrationsprozess so zu gestalten, dass er für alle Beteiligten Vorteile bringt: für das Herkunftsland, für das Zielland und natürlich für die Menschen selbst."

Triple-Win ist ein Pilotprojekt der staatlichen GIZ und der Bundesagentur für Arbeit, der Behörde also, die in Deutschland für die Arbeitsvermittlung zuständig ist. Wie deren Vorstandsmitglied Raimund Becker erläutert, wolle man in einem Pilotprojekt mit Fachkräften aus sogenannten Mangelberufen wie Ingenieure, Krankenschwestern oder Krankenpfleger probieren, ob man Migration für alle Beteiligte mit Gewinn gestalten kann.

Pilotprojekt "Zirkuläre Migration"

Es ist geplant, dass im Rahmen dieses Pilotprojektes rund 40 Pflegekräfte aus Bosnien nach Deutschland kommen, außerdem rund 40 Experten aus den so genannten MINT-Berufen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik - vor allem aus asiatischen Ländern. In den nächsten Jahren sollen sie sich weiter qualifizieren und danach auch eine Weile in Deutschland arbeiten, bevor sie in ihre Heimatländer zurückkehren.

Raimund Becker, Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit (Foto: Paul Hahn)
Raimund Becker: Pilotprojekt mit MINT- und Pflegeberufen gestartetBild: Paul Hahn

Mit Hilfe dieser Fachkräfte soll ein Modell der zirkulären Migration erarbeitet werden. Man möchte herausfinden, ob womöglich arbeits- und aufenthaltsrechtliche Bestimmungen in Deutschland verändert werden müssen. Und ob man zum Beispiel diese Migranten bei ihrer Rückkehr mit einem Hilfskredit ausstatten kann, damit sie sich in ihrer Heimat selbständig machen. Oder auch, wie man sie in die Lage versetzt, mit dem Wissen, das sie in Deutschland erworben haben, die Entwicklung in ihrem Land zu unterstützen und zu Multiplikatoren zu werden.

Soweit die Theorie. In der Praxis könnte es dann aber sehr wohl auch so sein, dass ein Teil dieser Menschen für immer hier bleibt. So wie die einstigen Gastarbeiter.

Autor: Panagiotis Kouparanis
Redaktion: Hartmut Lüning