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Keine Angst vor dem Ausland

5. Mai 2011

Sie sind das Rückgrat der deutschen Wirtschaft und sie gelten als sehr standorttreu: familiengeführte Unternehmen. Das hindert viele von ihnen aber nicht daran, in Schwellenländern neue Wachstumsmärkte zu erschließen.

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Zwei Mitarbeiter der Firma Schäper Sportgerätebau schweißen in einer Werkhalle in Münster ein Fußballtor aus Aluminium zusammen. Seit mehr als 40 Jahren stellt das Familienunternehmen Fußball-, Handball- und Hockeytore sowie Leichtathletikhürden her. (Foto: dpa)
Mitarbeiter der Firma Schäper Sportgerätebau in MünsterBild: picture alliance/dpa/dpaweb
August Oetker (r.) und sein Bruder Richard (Foto: dpa)
Typische Familienunternehmer: August Oetker (r.) und sein Bruder RichardBild: picture alliance/dpa

Rund 95 Prozent aller Unternehmen in Deutschland befinden sich in Familienbesitz oder werden maßgeblich von einer Familie gesteuert. Rund 2 700 von ihnen gelten als die Großen, das heißt, ihr Umsatz übersteigt 50 Millionen Euro pro Jahr. Zu diesen Familienunternehmen gehören beispielsweise weltbekannte Konzerne wie Bahlsen, BMW, Miele oder Dr. Oetker. Familiengeführte Unternehmen gelten als besonders standorttreu und haben somit auch eine besondere Bedeutung für den deutschen Arbeitsmarkt. Doch die Globalisierung lässt sie auch auf ausländischen Märkten immer aktiver werden.

Neun von zehn der großen deutschen Familienunternehmen machen Geschäfte im Ausland. Ihre besten Kunden sitzen im Nachbarland Frankreich. Das ist der aktuelle Stand, der sich in den nächsten drei Jahren aber ändern wird. Dann wird China vor Frankreich, den USA und Russland das wichtigste Exportland für die großen deutschen Familienunternehmen sein. "Wir haben heute schon das Phänomen, dass mittelständische Unternehmen in China mehr produzieren und absetzen als in ihrem Heimatmarkt Deutschland", sagt Jürgen Fitschen, Vorstandsmitglied der Deutschen Bank. "Und wenn diese Entwicklung in China noch einige Jahre anhält, dann wird die Anzahl derjenigen, denen es ebenso geht, nachhaltig zunehmen."

Schwellenländer werden immer wichtiger

Schulkinder tragen die indischen Nationalfarben und proben für die Feierlichkeiten zum 64. Unabhängigkeitsstag Indiens am Roten Fort in Neu Delhi (Foto: UNI)
Wachstumsmarkt der Zukunft: IndienBild: UNI

Noch vor ein paar Jahren gingen deutsche Unternehmen nach China, um bei der Produktion Kosten zu sparen. Inzwischen ist die Nähe zu den wichtigen Absatzmärkten das Hauptargument für ein Engagement im Ausland. Und das gelte nicht nur für China und Russland, sondern auch für Indien, den Wachstumsmarkt der Zukunft, sagt Frank Wallau vom Institut für Mittelstandsforschung in Bonn. Allerdings: "Viele haben noch Bedenken. Da geht es um rechtliche und politische Rahmenbedingungen, aber auch um Handelsbeschränkungen und Zölle. Und viele suchen auch noch den richtigen regionalen Partner vor Ort."

Diese Suche hat der deutsche Kirchhoff-Konzern längst hinter sich. Das Unternehmen mit Stammsitz im nordrhein-westfälischen Attendorn unterhält weltweit 42 Werke in 16 Ländern. Das Familienunternehmen stellt Werkzeug her, Abfallsammelmaschinen, Fahrzeugumbauten für gehandicapte Menschen, vor allem aber Teile für die Automobilindustrie. "Deutschlands Stärke liegt ja darin, dass wir nicht nur exportieren, sondern wir sind auch führend in der Integration von Wertschöpfungsprozessen", sagt Firmenchef Arndt G. Kirchhoff. "Wir führen ja auch sehr viel ein, bevor wir es wieder exportieren. Im Autobereich sind das etwa 50 Prozent, und wenn Sie in den Maschinenbau gehen, dann stammen 70 Prozent der Vorleistungen aus dem Ausland. Wir integrieren die Leistungen hier in Deutschland, bevor wir sie wieder exportieren."

Rein in neue Märkte

Ein Mechaniker komplettiert einen Montageautomaten für die Automobilzulieferindustrie (Foto: picture alliance/dpa)
Maschinenbau: 70 Prozent der Vorleistungen stammen aus dem AuslandBild: picture-alliance /ZB

Kirchhoff ging aber schon zu Beginn der neunziger Jahre einen Schritt weiter und streckte die Fühler zunächst ins europäische Ausland, dann aber auch in die USA, nach Mexiko und China aus. "Die Länder lernen davon. Wenn ich Teile meiner Maschine oder meines Autos im Ausland kaufe, dann bringe ich denen etwas bei, transferiere Know-how, das ist ja auch gewollt. Denn auf diese Weise erzeuge ich ja auch Kaufkraft und Nachfrage in den Märkten." Dann sei bald ein Punkt gekommen, an dem man selbst in die Märkte vor Ort gehen müsse. "Ansonsten riskiert man, dass man dort die Hoheit über diesen Markt verliert."

Das haben die meisten der großen deutschen Familienunternehmen inzwischen erkannt. Etwa zwei Drittel haben externe Vertriebs- und Servicestätten im Ausland aufgebaut und rund die Hälfte der Unternehmen produziert bereits außerhalb Deutschlands. Einer Studie des Instituts für Mittelstandsforschung zufolge planen rund 30 Prozent der Unternehmen, in Zukunft weitere Produktionsstätten im Ausland aufzubauen, fast zwei Drittel davon sollen in Asien entstehen.

Eine Frage des Kurses

Ein Bankangesteller hält gebündelte Renminbi-Scheine (Foto: picture alliance/dpa)
Chinesische Renminbi-Scheine: Angst vor WechselkursschwankungenBild: picture-alliance / Newscom

Doch Auslandsgeschäfte bergen nicht nur Chancen, sondern auch Risiken, vor allem auf der finanziellen Seite. Ganz vorne rangieren dabei Wechselkursschwankungen. Viele Unternehmen unterhalten daher Konten in ausländischen Währungen. Das soll demnächst auch bei Geschäften mit China möglich sein, wie Deutsche Bank-Vorstand Fitschen erklärt. "Im Klartext heißt das für deutsche Unternehmen, dass sie nunmehr auch Konten in Renminbi in Deutschland führen können. Das ist eine gute Nachricht für uns als Bank. Ich bin mir sicher, dass hunderte von mittelständischen Kunden zum Jahresende diese Konten eröffnet haben werden. Das wird den Handel weiterhin positiv beeinflussen."

Wer nach China liefert, kann den erhaltenen Betrag künftig dort auch wieder ausgeben und beispielsweise Rohstoffe oder Teile für die Zulieferung kaufen. In Deutschland umtauschen kann man den Renminbi aber weiterhin nicht, weil er international nicht frei konvertierbar ist. Dafür muss das Geld an eine Bank in China überwiesen werden, die Euro, Dollar oder andere handelbare Devisen zurückschickt.

Autorin: Sabine Kinkartz
Redaktion: Rolf Wenkel