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Datenschutz-Beauftragter von Regierung enttäuscht

12. April 2011

Vorratsdaten-Speicherung, SWIFT-Abkommen, Google Street View - immer mehr Daten werden gesammelt und immer öfter auch an Dritte übermittelt. Grundlegende Rechte der Bürger werden dabei oft vernachlässigt.

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Symbolisch wird das Thema Datenschutz dargestellt, indem ein Finger z usehen ist, der auf eine Computer-Maus klickt. Im Hintergrund ist ein Bildschirm zu sehen, im Vordergrund einer überdimensionaler Finger-Abdruck. Darüber steht auf grünem Grund das Wort Datenschutz. Quelle: DW-Montage
Bild: AP/ DW-Fotomontage

Alle zwei Jahre legt der Bundesdatenschutzbeauftragte seinen Tätigkeitsbericht vor. Schon als Peter Schaar 2009 Bilanz zog, war die auf europäischer Ebene eingeführte Vorratsdaten-Speicherung von Telekommunikations-Verbindungen ein heiß umstrittenes Thema. Kritiker Schaar hoffte damals auf ein noch ausstehendes Urteil des Bundesverfassungsgerichtes. Im März 2010 erklärten die Richter das Gesetz zur Vorratsdaten-Speicherung tatsächlich für "nichtig".

Vom Tisch ist es deshalb aber keinesfalls, denn dieselben Richter machten gleichzeitig deutlich, dass im Anti-Terror-Kampf unter bestimmten rechtsstaatlichen Voraussetzungen sehr wohl Telefon- und Internetverbindungen auf längere Zeit gespeichert werden dürften. Allerdings hat es die seit Herbst 2009 regierende Koalition aus Konservativen (CDU/CSU) und Freidemokraten (FDP) bislang nicht vermocht, sich auf ein neues Gesetz zu verständigen. CSU-Innenminister Hans-Peter Friedrich fordert weiterhin eine sechsmonatige Speicherung auf Basis einer Richtlinie der Europäischen Union.

Justizministerin plädiert für "Quick Freeze"

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger antwortet auf Fragen von Journalisten, die ihr zahlreiche Mikrofone entgegenhalten. (Foto: dpa)
Weniger und kürzer speichern: Sabine Leutheusser-SchnarrenbergerBild: picture alliance/dpa

Datenschützer Peter Schaar indes unterstützt die FDP-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Von ihr stammt der Vorschlag, in konkreten Verdachtsfällen Daten für einen kurzen Zeitraum einzufrieren. Das Verfahren wird als "Quick Freeze" bezeichnet. "Gerade bei den Grundrechten sollte man versuchen, mit minimalen Eingriffen ein maximales Ergebnis zu erreichen", warnt Schaar vor allzu großer Sammelwut. Weil sich die Koalition weiter streitet, dürfen zur Zeit überhaupt keine Daten gespeichert werden. Zudem mussten die Telekommunikations-Unternehmen die zuvor gesammelten Daten löschen. Die momentane Situation helfe weder den Opfern von Verbrechen, noch lasse sich damit Terrorismus bekämpfen, meint Schaar.

Die Bundesregierung und das Parlament fordert er auf, beim Datenschutz insgesamt "aufs Tempo zu drücken". Denn auch für Geodaten-Dienste wie "Google Street View" fehlen noch immer gesetzliche Regelungen. Seit einem Gipfel-Treffen von Politikern und Wirtschaftsvertretern im Spätsommer 2010 ist nichts Greifbares passiert. Der Bundesdatenschutz-Beauftragte verlangt, international tätige Unternehmen müssten sich an deutsches und europäisches Recht halten.

Europäischer Gerichtshof rügt fehlende Unabhängigkeit

Der Bundesdatenschutz-Beauftragte Peter Schaar mit der linken Hand gestikulierend während einer Presse-Konferenz. (Foto: dpa)
Will mehr Befugnisse: Datenschützer Peter SchaarBild: picture-alliance/ dpa

Kritik am Umgang mit Gesetzen und Vereinbarungen übte Schaar auch im Zusammenhang mit der Übermittlung von Bank-Daten. Im Rahmen des Anti-Terror-Kampfes erhalten die USA von der EU umfangreiche Informationen über Konto-Bewegungen, obwohl das Europäische Parlament sein Veto gegen das sogenannte SWIFT-Abkommen eingelegt hatte.

Ginge es nach Peter Schaar, müssten grundsätzlich alle nationalen Sicherheits-Gesetze auf ihren Nutzen hin überprüft werden. Auch diese Hoffnung scheint unerfüllt zu bleiben, denn die Koalition denkt über eine Entfristung nach. Als die FDP noch in der Opposition war, hatte sie das strikt abgelehnt. Ob der Sinneswandel ihrem Image als Bürgerrechtspartei schade, mochte der vom Parlament gewählte Datenschutz-Beauftragte nicht kommentieren.

Eine klare Position bezog Schaar in eigener Sache. Er hofft nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes auf mehr Unabhängigkeit. Die Richter rügten die im internationalen Vergleich in Deutschland unzureichenden Befugnisse der Datenschutz-Beauftragten.

So fehle beispielsweise die Möglichkeit, Verstöße gegen den Datenschutz mit Bußgeldern zu sanktionieren. Weil das so ist, müssen sich nun die Länder auf finanzielle Strafen einstellen. Er rechne damit, dass demnächst Strafgelder in zweistelliger Millionen-Höhe fällig würden, sagte Schaar.

Bürger stellen immer mehr Anfragen

Bei aller Kritik an den politisch Verantwortlichen freut sich Peter Schaar aber über das offenkundig wachsende Interesse der Öffentlichkeit am Thema Datenschutz. Dazu dürften vor allem zahlreiche Skandale in privaten wie staatlichen Unternehmen gesorgt haben. Dabei ging es unter anderem um heimliche Video-Überwachung am Arbeitsplatz und das betriebliche Speichern von Telekommunikationsdaten. Die Bürgerinnen und Bürger seien sich der Tatsache zunehmend bewusst, "dass sie immer stärker überwacht, erfasst, registriert und dass Profile über ihr persönliches Verhalten gebildet werden", glaubt der oberste deutsche Datenschützer.

Das gilt insbesondere für den Daten-Verkehr im Internet, ob beim elektronischen Einkauf oder in sozialen Netzwerken wie "Facebook". Die Zahl der schriftlichen und telefonischen Bürger-Anfragen hat sich im Zeitraum 2009/2010 um etwa ein Drittel auf gut 25.000 erhöht. Für den Bundesdatenschutz-Beauftragten ein Indiz dafür, wie groß der Handlungsbedarf für aus seiner Sicht bessere Gesetze ist.

Autor: Marcel Fürstenau

Redaktion: Hartmut Lüning