1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Aus BRIC wird BRICS

13. April 2011

Unter dem Kürzel BRIC sind Brasilien, Russland, Indien und China zum Inbegriff aufsteigender Wachstumsmärkte geworden. Die vier haben allerdings nur wenig gemeinsam. Trotzdem soll nun ein fünftes Land in den Club.

https://p.dw.com/p/10roy
Flugzeugpilot hält südafrikanische Flagge aus dem geöffneten Fensters seines Cockpits (Foto: AP)
Neues BRIC-Mitglied: SüdafrikaBild: AP

Im Juni 2009 kamen die Außenminister der vier Länder erstmals im russischen Jekaterinburg zusammen - aus dem einprägsamen Kürzel BRIC sollte nun eine schlagkräftige politische Kraft werden. Seither treffen sich die vier Schwellenländer regelmäßig. Am Donnerstag (14.04.2011) kamen die vier Staatsoberhäupter im südchinesischen Sanya zusammen. Erstmals dabei ist auch Südafrikas Präsident Jacob Zuma, denn sein Land soll bei dem Treffen in den Club der aufstrebenden Schwellenländer aufgenommen werden. Aus BRIC wird dann BRICS. Vermutlich wird der Club wie schon auf vorangegangenen Treffen medienwirksam seine Stärken und Gemeinsamkeiten betonen.

Kleinster gemeinsamer Nenner

Skyline von Peking (Foto: AP)
Allein in China leben 1,4 Milliarden MenschenBild: AP

Doch die vier Staaten, sagt Tobias Geyer, Emerging-Markets-Experte bei der Fondsgesellschaft Ökoworld, würden eher von unterschiedlichen Entwicklungen geprägt, so dass man als gemeinsamen Nenner eigentlich nur festhalten könne, dass sie starke Wachstumsstaaten und dass sie relativ groß seien. Es gebe durchaus andere Schwellenländer mit ebenso großem Wirtschaftswachstum und vielleicht sogar besserer demographischer Entwicklung. "Aber die sind von ihrer Größe einfach nicht so interessant", so Geyer im Gespräch mit DW-WORLD.DE

Rund 40 Prozent der Weltbevölkerung lebt in den BRIC-Staaten. Gemeinsam erwirtschaften sie knapp ein Viertel der weltweiten Wirtschaftsleistung. Zwischen vier und zehn Prozent wuchsen die BRIC-Länder im letzten Jahr, wobei Russland das Schlusslicht bildet und China mit den höchsten Wachstumsraten glänzt.

Russland: eigentlich ein schwarzes Schaf

Mehrere Öl-Bohrtürme von Yukos (Foto: AP)
Fest in Staatshand: das russische Geschäft mit Öl und GasBild: AP

Trotz des gemeinsamen starken Wachstums gibt es jede Menge Unterschiede zwischen den BRIC-Ländern, die an einer gemeinsamen Erfolgsgeschichte zweifeln lassen. "Brasilien und Russland sind sehr viel abhängiger von Rohstoff-Exporten als Indien und China. Indien und China sind sogar angewiesen auf Rohstoff-Importe", bringt es Markus Jäger von Deutsche Bank Research auf den Punkt. China wachse vor allem über Industrieexporte. In Indien hingegen sei das Wachstum oft vom Binnenmarkt getrieben.

Vor allem Russland passt schlecht in die Vierer-Gruppe. Es hat zwar das höchste Pro-Kopf-Einkommen, viele Beobachter glauben aber, dass sich Russland eigentlich im Niedergang befindet, während die drei übrigen ihr Machtpotential ausbauen. Auch Geyer von Ökoworld glaubt, dass Russland am schlechtesten von allen vieren dasteht - allerdings mit einer Einschränkung: "Bei dem Ölpreis, den wir im Moment sehen, muss man das relativieren. Da profitieren die Russen von den BRIC-Ländern am stärksten."

Viele Trennlinien - viel Ärger

Dilma Rousseff, brasilianische Präsidentin (Foto: DPA)
Dilma Rousseff, Brasiliens Präsidentin: Währungskurse dürfen kein Tabu seinBild: picture-alliance/dpa

Doch damit nicht genug: Russlands Demographie entwickle sich zudem negativ, sagt Jäger von DB Research zu DW-WORLD.DE. In Russland gibt es zu viele alte Menschen, die der Staat versorgen muss, aber zu wenig junge Menschen, die etwas erwirtschaften können. Etwas, das auch in China aufgrund seiner Ein-Kind-Politik noch zum Problem werden könnte. In Brasilien und Indien hingegen wächst eine Mittelschicht heran, die nicht nur produziert, sondern gerne auch konsumiert und so die Binnennachfrage stützt.

Und auch wenn sich in allen vier Ländern die Politik gerne in die Wirtschaft einmischt: Vor allem in China, aber auch in Russland kontrolliert der Staat wesentlich mehr als in Brasilien und Indien. In China gehören dem Staat die größten Banken und Industrieunternehmen. In Russland kontrolliert er vor allem die wichtige Erdölindustrie: Ihm gehören mehr als 70 Prozent der Anteile am Erdölkonzern Rosneft.

Konflikte wie der Währungsstreit werden zunehmen

All diese Unterschiede bleiben nicht ohne Folgen: "Die BRIC-Länder geben zwar Kommuniqués heraus und sagen, dass sie in vielen Dingen übereinstimmen", sagt Jäger von DB Research, "aber es gibt auch eine ganze Menge Reibungspunkte ökonomischer Natur zwischen diesen Ländern."

Karte Brasilien, Russland, Indien, China (DW-Grafik: Peter Steinmetz)
BRIC-Territorium: mit Südafrika wird sich die Größe kaum ändernBild: DW

Ein Beispiel: Brasiliens Exporte leiden momentan unter einem relativ starken Real. Der Wert der brasilianischen Währung hat sich im Vergleich zum Dollar in den letzten acht Jahren glatt verdoppelt. China hingegen, so der Vorwurf aus Brasilien, hält seine Währung künstlich auf niedrigem Niveau. Der Währungsstreit hat sogar schon dazu geführt, dass Brasilien in dieser Frage aus dem Club der vier ausscherte und Kontakt zum mächtigsten Gegenspieler der BRIC suchte: zu den USA. Kein Wunder also, dass China schon im Vorfeld zum geplanten BRIC-Treffen in Sanya angekündigt hat, dass es über Währungskurse nicht sprechen wird.

Solche Konflikte könnten in Zukunft noch zunehmen, wenn nun Südafrika offiziell in den Club aufgenommen wird, denn Südafrika unterscheidet sich deutlich von allen anderen. Seine Wirtschaft wächst jährlich nur um drei Prozent, noch weniger als Russland. Und mit 50 Millionen Einwohnern ist Südafrika im Vergleich zu den vier anderen BRIC-Ländern eher ein Zwerg.

Es spricht einiges dafür, dass die BRIC-Staaten mit der Aufnahme Südafrikas eigentlich nicht das Land, sondern den ganzen Kontinent im Visier haben - um ihren enormen Rohstoffhunger zu stillen, wie das in China der Fall ist, oder um am Abbau der Rohstoffe mitzuverdienen, wie im Falle Brasiliens. Genau das aber macht viele Südafrikaner misstrauisch. Sogar der stellvertretende Minister für wirtschaftliche Entwicklung Enoch Godongwana zeigte sich skeptisch: Es sei noch unklar, ob dieses Engagement "den Interessen Afrikas dient oder sie untergräbt".

Autor: Jutta Wasserrab
Redaktion: Henrik Böhme