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Regierung gegen Lobbyisten-Register

8. April 2011

Gesetze werden vom Parlament beschlossen. Die Entwürfe aber werden oft von Externen formuliert - eine fragwürdige Praxis. Dadurch steigt der Einfluss von Lobbyisten, vor allem aus der Wirtschaft.

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Zwei Männer in dunklen Anzügen stehen sich im vertraulichen Gespräch gegenüber (Foto: Illuscope)
Wieviel Einfluss nehmen Lobbyisten?Bild: Illuscope

Das Wort Lobby stammt aus dem Englischen. Ursprünglich war damit die Wandelhalle in Parlamenten gemeint. An dieser Bedeutung hat sich nichts geändert, auch im Deutschen Bundestag gibt es eine Lobby. Das klingt harmlos. Wenn es jedoch um die Ausübung von Lobbyismus geht, ist damit der Versuch gemeint, Einfluss auf Politiker zu nehmen. Das hört sich schon ganz anders an.

Schon 1972 richtete Deutschland als erstes Land der damaligen Europäischen Gemeinschaft (EG) ein Lobbyisten-Register ein. Allerdings ist die Registrierung nach wie vor freiwillig. Rund 2100 Verbände und Organisationen sind aktuell angemeldet. Schätzungen zufolge tummeln sich in Berlin 4500 Lobbyisten. Ein verpflichtendes Lobbyisten-Register befürwortet nur die Opposition.

Der SPD-Abgeordnete Michael Hartmann während einer Rede im Deutschen Bundestag (Foto: Deutscher Bundestag/Lichtblick/Achim Melde)
Michael Hartmann (SPD): "Gekaufte Republik?"Bild: Deutscher Bundestag / Lichtblick/Achim Melde

Dazu gehören die Sozialdemokraten (SPD), deren Abgeordneter Michael Hartmann im Bundestag sagte, es gehe nicht darum, durchaus wünschenswerte Einflussnahme generell als illegitim zu brandmarken. "Wenn aber versteckter Einfluss nicht wahrgenommen wird, dann muss das schärfstens zurückgewiesen oder aber offengelegt werden", fordert der SPD-Politiker. Es handele sich nicht um eine "Nebensache", sondern es gehe um das Selbstverständnis von Staat, Politik und öffentlicher Verwaltung, meint Hartmann.

Immer mehr Gesetzestexte von Externen

In der deutschen Verfassung, dem Grundgesetz, ist in Artikel 33 geregelt, von wem Gesetze normalerweise zu entwerfen sind. Demnach ist die "Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse (...) als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen". Ausnahmen von der Regel gibt es offenbar immer häufiger.

Der Abgeordnete Wolfgang Neskovic von der Fraktion "Die Linke" verweist auf 16 Gesetzentwürfe, die allein im Jahre 2009 von Externen verfasst worden seien. Im Jahrzehnt von 1990 bis 1999 hingegen sei es lediglich ein einziger Text gewesen. Der frühere Bundesrichter Neskovic verlangt deshalb, die "Praxis des Gesetzgebungs-Outsourcings" unverzüglich einzustellen.

Der Linken-Abgeordnete Wolfgang Neskovic äußert sich gegenüber Journalisten (Foto: DPA) (Foto:dpa)
Wolfgang Neskovic (Linke): "Outsourcing einstellen!"Bild: picture-alliance/ dpa

Die Grünen im Deutschen Bundestag unterstützen die Forderung von Linken und Sozialdemokraten nach einem Lobbyisten-Register. Ihr Parlamentarischer Geschäftsführer Volker Beck warnt aber auch davor, alle Interessenvertreter in einen Topf zu werfen. Man dürfe die ehrlichen Lobbyisten nicht diffamieren. Die würden mitunter auf Fehler bei Gesetzentwürfen hinweisen oder eben ihre berechtigten Interessen vortragen, verweist Beck auf die seines Erachtens oft hilfreiche Arbeit von Interessenvertretern. Gleichzeitig müssten aber die, "die mit Geld unterwegs sind und nicht sagen, mit wem man es zu tun hat", außen vorgehalten werden, betont der Grüne Beck.

Strikt gegen ein verpflichtendes Lobbyisten-Register sind die regierenden Christdemokraten (CDU). Der Abgeordnete Bernhard Kaster nennt den Vorschlag der Oppositionsfraktionen ein "bürokratisches Monster". Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages wüssten sehr wohl mit Lobby-Interessen umzugehen, "sowohl im Guten wie im Schlechten". Und deswegen hält Kaster weitergehende gesetzliche Regelungen für überflüssig.

Der CDU-Abgeordnete Bernhard Kaster vor einer weißen Wand (Foto: Bernhard Kaster)
Bernhard Kaster (CDU): "Bürokratisches Monster"Bild: http://www.bernhardkaster.de

In anderen Ländern gibt es Gefängnis-Strafen

In einigen anderen Ländern ist man da anderer Meinung. Litauen, Polen und Ungarn sowie Kanada und die USA haben strenge Gesetze erlassen. Lobbyisten sind zu zahlreichen Angaben verpflichtet: über ihre Auftraggeber, die betroffenen Gesetzgebungsverfahren, Regierungsressorts und die geleisteten Honorare. Wer gegen diese Vorgaben verstößt, muss in den drei europäischen Ländern mit Geldbußen rechnen, in Kanada und den USA sogar mit mehrjährigen Haftstrafen.

Aus Sicht des Sozialdemokraten Michael Hartmann wären strengere Regeln auch in Deutschland ein wichtiger Beitrag zu mehr Transparenz und Vertrauen in die Politik. "Denn man bekommt gelegentlich schon die Frage gestellt, ob unsere Republik eine gekaufte Republik ist." Wie berechtigt diese Frage ist, zeigt ein aktueller Korruptionsskandal im Europäischen Parlament, in den mehrere Abgeordnete verwickelt sind. Journalisten der britischen "Sunday Times'" hatten als angebliche Lobbyisten Geld für die Änderung von Gesetzen geboten.

EU-Parlament will Regeln verschärfen

Der beschuldigte österreichische Abgeordnete Ernst Strasser und sein slowenischer Kollege Zoran Thaler haben bereits ihr Mandat niedergelegt. Der Rumäne Adrian Severin weigert sich noch. Er muss damit rechnen, dass seine Immunität aufgehoben wird. Dann könnten rechtliche Schritte gegen ihn eingeleitet werden. Das Europäische Parlament will infolge des Skandals die Regeln für den Umgang mit Lobbyisten verschärfen. Ein verpflichtendes Register gibt es - wie in Deutschland - nicht.

Autor: Marcel Fürstenau
Redaktion: Diana Hodali