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Was tun, wenn das Öl kommt?

10. April 2011

Auf den Wasserstraßen an den Küsten Deutschlands werden täglich Gefahrgüter transportiert - auch Öl. Was geschieht, wenn nach einem Unfall eine Ölpest droht? Was wird getan, um die deutschen Küsten zu schützen?

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(Foto: AP)
Bild: AP

Die deutschen Küstengewässer gelten als anspruchsvolle Reviere. Die Ostsee, weil es ein relativ enges Gewässer mit eingeschränktem Tiefgang ist und die Nordsee, weil hier die Gezeitenströme besondere Anforderungen an die Seeleute stellen. Gerade hier, in der Deutschen Bucht, wären die Folgen einer Ölpest wahrscheinlich verheerend. Denn vor der Nordseeküste liegt ein einzigartiges und empfindliches Biotop, das Wattenmeer, das zum UNESCO-Weltnaturerbe gehört.

Seehunde im Wattenmeer (Foto: DW)
Seehunde im Wattenmeer

Für die Sicherheit auf den deutschen Wasserstraßen ist das Bundesverkehrsministerium in Berlin zuständig. Dort ist man der Ansicht, für einen möglichen Tankerunfall gut gerüstet zu sein. Der parlamentarische Staatssekretär Enak Ferlemann ist jedenfalls sicher, dass das Nötige getan ist. In einem Interview mit DW-WORLD.DE räumte er zwar ein, dass "es Gefahrenpotentiale gibt." Er fügte aber hinzu: "Gott sei Dank passiert so gut wie gar nichts, weil wir Sicherungssysteme haben, die so greifen, dass eben nichts passiert."

Die "Pallas" und die Folgen

In der Tat hat es an den deutschen Küsten noch keine Ölpest größeren Ausmaßes gegeben - wie etwa an der französischen Küste oder an den Stränden Galiziens in Spanien. Doch dass eine Gefahr besteht, hat das Unglück des Holzfrachters "Pallas" gezeigt.

Das unter der Flagge von Bahamas fahrende Frachtschiff war im Oktober 1998 vor der dänischen Küste in Seenot geraten und schließlich vor Amrum gestrandet. Diese deutsche Insel liegt im "Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer". Damals liefen rund 90 Tonnen Öl aus und verschmutzten ein Vogelschutzgebiet, tausende Seevögel verendeten qualvoll. Die Havarie der "Pallas" führte zu einem Umdenken beim Küstenschutz. Es wurde eine Kommission eingerichtet, die das Geschehen analysieren und Vorschläge für die zukünftige Sicherung der Wasserstraßen geben sollte.

(Grafik: DW)
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Eine Konsequenz aus der "Pallas"-Havarie war die Einführung des sogenannten Notschleppkonzeptes. Damit soll verhindert werden, dass ein havariertes und möglicherweise nicht mehr steuerfähiges Schiff unkontrolliert auf die Küste zutreibt, wo es stranden und auseinanderbrechen könnte. Im Rahmen dieses Konzeptes sind Schleppfahrzeuge in Dienst gestellt worden, die so nah wie möglich an den Schifffahrtsrouten stationiert sind, etwa auf Helgoland oder nördlich von Norderney. So können sie relativ schnell am Ort eines Seenotfalls eintreffen und von dort das verunglückte Schiff in den nächsten Hafen schleppen.

Schlepper und Doppelte Wände

Eine weitere Neuerung nach dem "Pallas"-Unglück betraf die Organisationsstruktur. In Zukunft werden von Cuxhaven an der Deutschen Bucht aus alle Hilfseinsätze zentral geleitet, und zwar vom sogenannten Havariekommando. Staatssekretär Ferlemann beschreibt dieses Konzept so: "Im Fall einer Havarie übernimmt das Havariekommando die alleinige Befehlsgewalt. Es führt den Einsatz und den Zugriff auf sämtliche Möglichkeiten, die wir haben. Und von daher haben wir eine sehr effiziente Art, wie wir die Küsten sichern." Damit soll verhindert werden, dass es wieder zu einem Kompetenzwirrwarr kommt wie bei der Havarie der "Pallas".

Im November 1998 war der Frachter 'Pallas' vor Amrum gestrandet und hatte Öl verloren (Foto: dpa) Quelle: dpa
Die brennende und vor Amrum gestrandete "Pallas"Bild: picture-alliance / dpa/dpaweb

Andere Sicherungsmaßnahmen wurden bereits vor längerer Zeit getroffen, beispielsweise die Einrichtung von Verkehrstrennungsgebieten. Dies sind Seegebiete, in denen nur noch ein "Einbahnstraßenverkehr" herrscht. Vergleichbar dem Verkehr auf einer Autobahn, wo die beiden Fahrtrichtungen auch getrennt sind.

Eine weitere Vorsichtsmaßnahme ist die Verpflichtung der Reeder, nur noch Tanker fahren zu lassen, die eine zweite Bordwand haben - sozusagen eine Schützhülle um den Schiffsrumpf, damit bei einem Loch in der Außenhaut eines Tankers das Öl nicht gleich ins Meer läuft. Inzwischen fahren viele dieser "Doppelwandtanker" in Nord- und Ostsee, was auch Nadja Ziebarth begrüßt. Sie arbeitet im Projekt "Meeresschutz" beim BUND, dem "Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland". Frau Ziebarth weist jedoch darauf hin, dass nicht nur Öltanker eine Ölpest auslösen können, weil "inzwischen auch die Containerschiffe so groß sind, dass sie teilweise genauso viel Öl an Bord haben wie ein kleines Tankschiff."

Lotsen im engen Fahrwasser?

Nicht nur in der Nordsee könnte es nach einem Unfall zu einer Ölpest kommen, die Ostsee ist ebenso gefährdet. Denn für die Schifffahrt sind die Gewässer vor der Küste zwischen Rostock und Flensburg ein gefährliches Revier: Die Verkehrswege sind eng und bieten kaum Platz für Ausweichmanöver. Ein besonders gefährlicher Engpass ist der Verkehrsweg "Kadettrinne", nordöstlich von Kiel. Hier herrscht auf wenig Raum viel Verkehr, sagt Nadja Ziebarth und fügt hinzu: "Daher fordern wir schon seit langem, daß wir dort eine Lotsenannahmepflicht brauchen. Aber das ist nicht so einfach, das muss international geregelt werden."

Archivaufnahme der 'Neuwerk' (Foto: AP)
Die "Neuwerk" ist Teil des NotschleppkonzeptesBild: AP

Staatssekretär Ferlemann hält eine Lotsenpflicht dagegen für unnötig. Er verweist auf die Möglichkeiten der modernen, satellitengestützten Navigation, das sogenannte GPS. Wenn jeder Schiffsführer dieses Hilfsmittel nutzt und sorgfältig navigiert, dann könne eigentlich gar nichts passieren.

Bei der Frage, welche Sicherheitsmaßnahmen er noch ergreifen würde, wenn Geld dabei keine Rolle spiele, kommt Staatssekretär Ferlemann nur kurz ins Grübeln. Seiner Ansicht nach gibt es nichts mehr zu verbessern, man sollte alles lassen, wie es ist. Er würde lediglich "die notwendigen Finanzressourcen und Personalressourcen so bereitstellen, wie wir es derzeit haben und da nicht mehr dran drehen."


Autor: Dirk Kaufmann
Redaktion: Wim Abbink