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Raumfahrt

12. April 2011

Vor genau 50 Jahren ist der Russe Jurij Gagarin als erster Mensch ins Weltall geflogen. Nach der Mondlandung der Amerikaner mussten die Russen ihre Führungsrolle an die USA abgeben. Nun bekommt Moskau eine neue Chance.

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Eine Sojus-Rakete startet vom Weltraumbahnhof Baikonur (Foto: AP)
Start vom Weltraumbahnhof BaikonurBild: AP

Sergej Wolkow hat gerade einen Baum mit Wasser gegossen und lächelt freundlich in die Kameras. Es ist sein ganz persönlicher Baum am Rande der Stadt Baikonur in Kasachstan. Seit der erste Kosmonaut der Welt Jurij Gagarin hier einen Baum gepflanzt hat, tun das alle Raumfahrer, die von hier ins Weltall starten.

Potrait von Jurij Gagarin (Foto: AP)
Jurij Gagarin flog vor 50 Jahren als erster Mensch ins AllBild: AP

Mehr als 100 Bäume wachsen heute an der Kosmonautenallee in Baikonur und der 38-jährige Wolkow muss zwei davon gießen – für sich und für seinen Vater. Er stammt aus der ersten russischen Raumfahrerdynastie, denn auch sein Vater war zu Sowjetzeiten ein Kosmonaut. Der 50. Jahrestag des Gagarin-Flugs am 12. April ist für Wolkow-Junior deshalb ein ganz besonderer Tag. "Das ist ein Datum des Triumphs unseres Landes", sagt der groß gewachsene Mann in dunkelblauer Uniform. "Es war eben die Sowjetunion, die vor 50 Jahren eine neue Ära begonnen hatte". Das wichtigste sei, dass es die Raumfahrt in Russland "auch nach 50 Jahren immer noch gibt".

Schwere Krise in den 1990er Jahren

Es ist alles andere als selbstverständlich, dass Russland heute mehrmals im Jahr Kosmonauten ins All schickt. Es ist nicht lange her, da lag die einstige Vorzeigebranche am Boden, erinnert der Moskauer Weltraumexperte Andrej Ionin. "Die 1990er Jahre waren für Russland sehr schwer. Der Staat war in der Sowjetunion der einzige Auftraggeber für Raumfahrttechnik". Ionin sagt, die Aufträge seien damals um das 20fache zurückgegangen.

Diese Zeit hat Spuren hinterlassen. Man sieht sie, wenn man mit dem Auto zum Weltraumbahnhof Baikonur fährt. Das gigantische Gelände ist mehr als doppelt so groß wie Luxemburg und gehört seit dem Zerfall der Sowjetunion zu Kasachstan. Russland zahlt Miete - jedes Jahr rund 115 Millionen US-Dollar. Rechts und links der Straße stehen heruntergekommene Betonbauten.

Sojus-Raumschiffe: alt aber zuverlässig

Um seine Raumfahrt vor dem Kollaps zu retten, musste Moskau neue Wege gehen. Seit Mitte der 1990er Jahre arbeitet Russland eng mit dem Westen zusammen. US-amerikanische und europäische Astronauten fliegen regelmäßig mit russischen Raumschiffen ins All. Die Trägerraketen und Raumschiffe vom Typ Sojus wurden zwar noch in den 1960er Jahren entwickelt, sind aber sehr zuverlässig, so der US-Astronaut Ronald Garan: "Ich glaube, dass die Sicherheitsbilanz der Sojus-Raketen und Raumschiffe für sich spricht. Es gab sehr viele Starts und sehr wenig Probleme".

Eine Sojus-Rakete wird zum Weltraumbahnhof Baikonur transportiert (Foto: AP)
Eine Sojus-Rakete auf dem Weg nach BaikonurBild: AP

Aus Geldnot hat Russland auch den Weltraumtourismus entdeckt. Als erster flog 2001 der US-Millionär Dennis Tito ins All - andere folgten. Da eine Sojus-Kapsel nur Platz für drei Personen bietet, mussten russische Kosmonauten am Boden bleiben. Eine frustrierende Erfahrung, sagt Sergej Wolkow. Sein Jahrgang sei davon besonders betroffen: "Wir haben uns zehn Jahre lang vorbereitet und dann sind an unserer Stelle andere Leute für Geld geflogen". Doch Wolkow hat auch Verständnis: "Es herrschte damals akute Geldnot. Vor diesem Hintergrund war der Flug des Weltraumtouristen Tito eine Rettung.”

Raumfahrt weniger attraktiv als zu Sowjetzeiten

Heute sei die Lage besser, sagt Igor Marinin, Chefredakteur der Moskauer Fachzeitschrift "Nowosti kosmonawtiki”. Es fließe wieder Geld in die Raumfahrtbranche, die Auftragsbücher seien voll: nicht zuletzt, weil viele Länder ihre Satelliten mit russischen Raketen ins All schickten. Außerdem baue Russland sein eigenes globales Navigationssystem GLONASS auf, das dem amerikanischen GPS Konkurrenz machen solle. Auch neue Raumschiffe würden entwickelt. Es stehe aber noch in den Sternen, wann sie zum ersten Mal starten. Marinin sieht die russische Raumfahrt mit zwei Grundsatzproblemen konfrontiert: "Das eine ist das Führungsproblem”, sagt Marinin. "Niemand gibt Ziele vor, die die Augen der Menschen zum Leuchten bringen", bedauert der Experte. "Ein Flug zum Mars wäre zum Beispiel so eine Aufgabe".

Das zweite Problem sei das Personal: "Man muss die Leute gut bezahlen, damit sie aus anderen Branchen in die Raumfahrt wechseln – wie zu Sowjetzeiten", so Marinin. Damals hätten Ingenieure in der Raumfahrtbranche "20-30 Prozent mehr verdient als die anderen". Es habe in Russland schon immer "genug kluge Köpfe" gegeben. Heute ziehe die Raumfahrtbranche nicht so viele an, weil sie zu wenig Anreize biete.

Die Technik weiterentwickeln

Die Internationale Raumstation schweb im All über der Erde (Foto: UPI)
Russen und Amerikaner arbeiten in der ISS zusammenBild: picture alliance / landov

Das könnte sich in den kommenden Jahren ändern. Die US-Raumfahrtbehörde NASA stellt ihre Space Shuttles in diesem Jahr außer Dienst, weil sie zu alt und reparaturanfällig geworden sind. Das ist Russlands große Chance. Die USA haben keine eigenen Raumschiffe, mit denen sie Astronauten zur Internationalen Raumstation ISS bringen können und sind auf russische Transportkapazitäten angewiesen. Moskau weiß seine Monopolstellung zu nutzen und hat die Preise für US-Astronauten auf rund 55 Millionen Dollar pro Flug verdoppelt.

Doch Geld ist nicht alles. Russland sollte seine neue Führungsrolle im All nutzen, um neue Raketen und Raumschiffe zu entwickeln, sagt Konstantin, ein 19-jähriger Student an der Moskauer Fachschule für Weltraumgerätebau. "Russland sollte stolz auf den sowjetischen Raketenkonstrukteur Koroljow sein, denn er hat die Technik entwickelt, die bis heute eingesetzt wird. Seine Technik wird die coolen Technologien der US-Amerikaner überdauern”, meint der Student mit einem Seitenhieb auf die US-Raumfähren. Trotzdem sollte Russland seine Technologien weiterentwickeln. "Wenn wir das nicht machen, wird es überhaupt kein Weiterkommen auf diesem Gebiet geben", sagt Konstantin.

Autor: Roman Goncharenko
Redaktion: Markian Ostaptschuk