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Vertreibungen in Bosnien

17. März 2011

Ein Gericht in Paris hat die ehemaligen Staatschafs der Serbenrepublik, Radovan Karadzic und Biljana Plavsic zu einer Geldstrafe von 200.000 Euro verurteilt. Sie wurden der ethnischen Säuberung für schuldig befunden.

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Adil und Zuhra Kovac (re.) und Anwalt Jurasinovic nach dem Urteil (Foto: DW) Foto: Dzevas Sabljakovic
Vertriebene aus Bosnien bekommen EntschädigungBild: DW

Die Klage im Namen der Familie Kovac, die Opfer "ethnischer Säuberungen" in der bosnischen Serbenrepublik geworden war, hatte der französische Rechtsanwalt, Ivan Jurasinovic, bereits 2005 bei einem französischen Zivilgericht eingereicht. Die Rechtsgrundlage dafür bot das UN-Tribunal für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag. Plavsic und Karadzic standen bereits damals wegen Kriegsverbrechen unter Anklage dieses Gerichtshofes.

Plavsic wurde verurteilt und hat ihre Haftstrafe bereits verbüßt. Karadzic war lange flüchtig, ist aber schließlich gefasst worden. Sein Prozess vor dem UN-Tribunal läuft noch. Bei der Anklageerhebung stellte der Gerichtshof es anderen Gerichten frei Schadensersatzklagen gegen die Beschuldigten zu erheben.

Als der Rechtsanwalt der Familie Kovac die Klage bei einem französischen Gericht eingereicht hatte, befand sich die französische Justiz zuerst für nicht zuständig. Nach fünfeinhalb Jahren und vielen Verhandlungstagen gelang es dem jungen Rechtsanwalt jedoch, der französischen Justiz ihre Zuständigkeit in diesem Fall nachzuweisen.

"Ein moralischer Sieg"

Ehemalige Staatsführung der Republika Srpska Biljana Plavsic (li.) und Radovan Karadzic (re.)
Plavsic und Karadzic zu Geldstrafe verurteiltBild: DW

Nun entschied ein Gericht in Paris, dass Karadzic und Plavsic der Familie 201.500 Euro Entschädigung zahlen müssen. Nach der Urteilsverkündung sagte Zuhra Kovac der Deutschen Welle: "Das ist ein großer Sieg für die Gerechtigkeit, weil diese Kriegsverbrecher in Paris ein Urteil bekommen haben, dass es aus Den Haag bisher noch nicht gibt."

Die Familie fühle sich jetzt besser, sagte sie und fügte hinzu: "Es geht hier nicht nur um Geld - es ist ein moralischer Sieg. Wir haben den Prozess gegen sie angestrengt, aber wir wussten nicht, ob wir sie besiegen werden, ob wir wir bis zum Ende durchstehen können."

Die Familie Kovac ist aus der Umgebung der ostbosnischen Stadt Foca. Dort wüteten im Bosnien-Krieg die Militärkräfte der bosnischen Serben. Sie gingen mit aller Härte gegen bosnische Muslime vor, folterten, mordeten, brandschatzten und vertrieben sie.

Der Familienvater Fadil Kovac leidet noch heute an den Folgen der Folter durch die Angehörigen der Armee der Republika Srpska, die im April 1992 ihr Haus umzingelten. Er wurde so zusammengeschlagen, dass seine Frau und seine damals minderjährigen Kinder dachten, er sei tot. Ihr Haus wurde niedergebrannt mit all ihren Habseligkeiten. Daraufhin floh die Familie Kovac aus Bosnien und kam in der französischen Stadt Angers unter.

Urteil aus Paris noch vor Den Haag

Rechtsanwalt Ivan Jurasinovic in einer schwarzen Robe (Foto: DW)
Anwalt Jurasinovic blieb hartnäckigBild: DW

Dort lernten sie den jungen Anwalt bosnischer Herkunft kennen. Er ist nach dem jetzigen Urteil der erste Anwalt, der eine zivilrechtliche Klage wegen Entschädigung nach dem Bosnien-Krieg vor einem europäischen Gericht erfolgreich geführt hat. Nach der Urteilsverkündung sagte er: "Wir haben schon lange auf dieses Urteil gewartet. Ich bin sehr zufrieden mit dem Ausgang des Prozesses."

Jurasinovic hob besonders hervor, dass nicht nur Biljana Plavsic verurteilt wurde, sondern auch Radovan Karadzic, obwohl das Strafverfahren in Den Haag gegen diesen noch nicht abgeschlossen ist. Das Pariser Gericht befand dennoch, dass es ausreichend Beweise für seine Schuld gab und er verurteilt werden kann. "Das ist eine historische Entscheidung. Sie relativiert auch die Rolle des UN-Tribunals. Unabhängig von dem Ausgang des Prozesses in Haag gilt Karadzic für die französischen Richter als Kriegsverbrecher", sagt Jurasinovic.

Autoren: Dzevad Sabljakovic / Mirjana Dikic
Redaktion: Fabian Schmidt