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Schluss mit dem Jugendkult!

9. März 2011

Deutschlands Bevölkerung wird immer älter, gleichzeitig kommen weniger Kinder zur Welt. Ein Kongress in Bonn beschäftigt sich mit dieser Entwicklung. DW-WORLD.DE sprach mit dem Altersforscher Ralf E. Ulrich.

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Prof. Ralf E. Ulrich (Foto: privat)
Prof. Ralf E. UlrichBild: ralf ulrich

DW-WORLD.DE Die Deutschen werden immer älter, gleichzeitig werden immer weniger Kinder geboren. Welche Probleme führen diese Entwicklungen mit sich?

PROF. RALF E. ULRICH: Das größte Problem, das sich aus dem demographischen Wandel und insbesondere der demographischen Alterung ergibt, ist eine zu erwartende Schieflage der sozialen Sicherungssysteme, der Rentenversicherung, der Krankenversicherung, usw. In diesen Systemen verringert sich die Zahl der Beitragszahler und erhöht sich die Zahl der Leistungsempfänger. Und da die Systeme nach dem so genannten Umlageverfahren funktionieren, bei dem die jährlichen Beiträge sofort ausgezahlt werden, kann man sich leicht vorstellen, zu welchen Problemen das führen wird.

Welche Lösungen fallen Ihnen ein?

Die beste Lösungsmethode, um diese Schieflage zu beheben und damit gleichzeitig auch die wachsende Personalknappheit für viele Unternehmen zu entlasten, besteht in einer Verlängerung der Lebensarbeitszeit. Das ist eine Möglichkeit, dem Arbeitsmarkt noch länger Menschen zur Verfügung zu erhalten und damit auch den Transfer des Wissens von älteren zu jüngeren Arbeitnehmern zu fördern. Denn da müssen auch die Unternehmen mehr tun, zum Beispiel im Bereich der Weiterbildung für ältere Arbeitnehmer. Und der noch in einigen Unternehmen anzutreffende Jugendkult muss enden; dass man jüngere Arbeitnehmer bevorzugt oder möglichst versucht, nur jüngere Arbeitnehmer einzustellen und die älteren möglichst in den Vorruhestand zu schicken.

Wie sieht es bei Fachkräften im Bereich der Pflege aus?

Die Zahl der Pflegebedürftigen wird sich in den nächsten Jahrzehnten verdoppeln. Die Versuche und Ideen, den Pflegebereich in stärkerem Maße zu automatisieren - mit Robotern oder in anderer Weise – werden sicherlich nicht diesen zusätzlichen Bedarf auffangen können, möglicherweise werden sie die Arbeit der in der Pflege Tätigen erleichtern können. Deshalb werden wir mehr Fachkräfte im Pflegebereich brauchen. Ob das auch doppelt so viele sein müssen, können wir heute noch nicht sagen. Das setzt aber auch voraus, dass die Gehälter in dem Bereich so wachsen, dass er attraktiv bleibt. Das ist in der Vergangenheit nicht immer der Fall gewesen. Die Arbeitslast ist gewachsen, der Lohn nicht. Wenn sich das fortsetzt, kann es zu einer noch größeren Fachkräfteknappheit kommen als sonst in der Wirtschaft.

Ralf. E. Ulrich ist Professor für Gesundheitswissenschaften mit dem Schwerpunkt Demografie und Gesundheit und Direktor des Instituts für Bevölkerungs- und Gesundheitsforschung an der Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld. In Bonn findet vom 9. bis 11. März die Jahrestagung der "Deutschen Gesellschaft für Demographie e.V." unter dem Motto "Schrumpfend, alternd, bunter – Antworten auf den demographischen Wandel in Deutschland" statt.

Das Gespräch führte Mirjam Gehrke.