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"Der politische Wille in China ist da"

4. März 2011

Beim chinesischen Volkskongress soll in diesem Jahr der Umwelt- und Klimaschutz eine zentrale Rolle spielen. Welche Strategie verfolgt Peking? Darüber sprach DW-WORLD.DE mit Sinologin Eva Sternfeld von der TU Berlin.

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Mit Mundschutz gehen diese Anwohner von Shenyang am örtlichen Kohlekraftwerk vorbei (Foto: AP)
Mit Mundschutz gehen diese Anwohner von Shenyang am örtlichen Kohlekraftwerk vorbeiBild: AP

DW-WORLD.DE: Frau Sternfeld, was sind die größten Herausforderungen, mit denen China im Umweltbereich fertig werden muss?

Eva Sternfeld: Es ist ein großes Land mit vielen ganz unterschiedlichen Umweltproblemen. Es gibt Probleme, mit denen China traditionell zu kämpfen hat: zum Beispiel in vielen Regionen vor allem im Nordwesten der Volksrepublik die extreme Trockenheit und die fortschreitende Verwüstung. Es gibt aber auch Probleme, die im Zuge der sehr raschen und massiven Industrialisierung auftreten, wie zum Beispiel die Luftverschmutzung in den Städten. Und in den vergangenen Jahren ist China natürlich auch als mittlerweile größter Emittent von Treibhausgasen in den Fokus der Weltgemeinschaft gerückt. Das Land ist maßgeblich verantwortlich für den Klimawandel.

Im Westen wird China immer wieder als Bremser wahrgenommen, als Blockierer verbindlicher Vereinbarungen zum Klimaschutz. Wie schätzen Sie die Strategie der Staats- und Parteiführung ein?

Ich denke, die Führung fährt zweigleisig. Sie verhandelt hart auf dem internationalen Parkett, wo sie China auch immer noch als Entwicklungsland darstellt. Dabei ist die Volksrepublik mittlerweile ein Schwellenland – und zwar das größte der Welt. Aber die Führung spricht natürlich auch für den großen Teil der chinesischen Bevölkerung, der immer noch relativ arm ist und deshalb ein Recht auf Entwicklung beansprucht. Von daher sagt China auf den internationalen Klimaverhandlungen: 'Erst einmal müssen die Industrieländer anfangen, sie haben eine historische Verantwortung. Wir haben zunächst einmal ein Recht auf Entwicklung, und wir haben noch lange nicht soviel Treibhausgase in die Atmosphäre geblasen wie ihr das seit Jahrhunderten tut.' Im eigenen Land ist die Politik schon ein bisschen anders. Man kann nicht sagen, dass die Regierung der Entwicklung tatenlos zuschaut. Insbesondere seit dem Jahr 2007, als der erste nationale Klimabericht erschien, dessen Ergebnisse auch in den Bericht des UN-Klimarates eingeflossen sind. Darin werden auch die für China sehr massiven Auswirkungen des Klimawandels thematisiert. Das heißt, Peking stellt sich schon darauf ein und versucht immerhin, Energie effizienter zu nutzen. Schon der letzte Fünfjahresplan sah radikale Maßnahmen im Umweltbereich vor.

Es gibt ein Schlagwort, das immer wieder fällt: die "Low Carbon Economy". Was verbirgt sich dahinter, und welche konkreten Projekte gibt es schon?

Im Bereich der Erneuerbaren Energien hat China in den letzten Jahren enorm aufgeholt und Länder wie beispielsweise Deutschland sogar überholt. In diesen Bereich wurde viel investiert. Die Chinesen sind da sehr pragmatisch. Sie machen so etwas nicht nur, um das Klima zu schützen, sondern aus Gründen der Energie-Sicherheit. Zurzeit ist China noch wie kaum ein anderes Land der Welt von Kohle abhängig. 80 Prozent der Energie werden aus Kohle gewonnen. China hat eigene Öl-Vorkommen, aber seit 1993 wird Öl importiert. Und in den kommenden zehn Jahren wird das Land voraussichtlich bis zu 80 Prozent seines Öls importieren müssen. Daher ist die Volksrepublik natürlich auch sehr stark von den Entwicklungen des Ölpreises abhängig. Und vor diesem Hintergrund haben die Chinesen auch die Bedeutung erneuerbarer Energien erkannt. Was außerdem unter das Schlagwort "Low Carbon Economy" fällt, ist, dass sehr viele kleine Kraftwerke geschlossen werden und dafür größere und hochmoderne Kraftwerke gebaut werden. Dann gehört dazu natürlich auch energie-effizientes Bauen. So steht es zumindest auf dem Papier. Ich bin allerdings sehr skeptisch, ob solche Dinge auch tatsächlich durchgesetzt werden. In China steht sehr viel auf dem Papier und der politische Wille ist da. Aber die Frage ist, ob man das zum Beispiel Investoren vermitteln kann, die vor allem eins wollen: schnell Häuser hochziehen – die zwar vielleicht gut aussehen, aber alles andere als energie-effizient sind.

Eva Sternfeld ist Sinologin an der Technischen Universität Berlin. Sie ist Spezialistin für Umweltgeschichte, Ressourcenökonomie und chinesische Umweltpolitik. Von 2000 bis 2008 war sie als Umwelt-Expertin für die chinesische Regierung in Peking tätig.

Das Interview führte Thomas Kohlmann
Redaktion: Esther Felden