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Tunesischer Regierungschef gibt auf

27. Februar 2011

Nach neuen blutigen Krawallen in Tunesien hat der Chef der Übergangsregierung, Mohammed Ghannouchi, seinen Rücktritt bekanntgegeben. Nachfolger soll der Jurist Béji Caïd Essebsi, ein früherer Minister, werden.

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Ministerpräsident Mohammed Ghannouchi (Foto: dapd)
Tunesiens Ministerpräsident Mohammed Ghannouchi tritt nach Protesten zurückBild: dapd
Tunesien hat einen neuen Regierungschef. Als Nachfolger des zurückgetretenen Ministerpräsidenten Mohammed Ghannouchi wurde am Sonntagabend (27.02.2011) der Jurist Béji Caïd Essebsi ernannt. Essebsi hate schon in der Vergangenheit ein Ministeramt inne. Ghannouchi hatte mit dem Rücktritt die Konsequenzen aus den Krawallen vom Wochenende gezogen, bei denen es nach neuen Angaben mindestens fünf Tote sowie zahlreiche Verletzte gab.

Ghannouchi war ein langjähriger Verbündeter von Ex-Präsident Zine El Abidine Ben Ali. Der Diktator war nach seinem Sturz am 14. Januar ins Ausland, nach Saudi-Arabien, geflüchtet. Ghannouchi hatte danach den Vorsitz der Übergangsregierung übernommen und angekündigt, das Land bis zur Abhaltung von Wahlen, die für den Sommer geplant sind, führen zu wollen.

"Ich bin nicht die Sorte Mensch, die Entscheidungen trifft, die Opfer zur Folge haben könnten", sagte Ghannouchi bei der Bekanntgabe seines Rücktritts. Er werde kein Ministerpräsident der Unterdrückung sein.

Wieder Straßenschlachten in Tunis

Ein Demonstrant mit einer Rauchbombe in der Hand (Foto: pa/dpa)
Gewalt beherrschte die Straßen in Tunis auch am SonntagBild: picture alliance/abaca

Seit Freitag hatten in der Hauptstadt Tunis Tausende Menschen gegen die Übergangsregierung demonstriert. Diese gilt nach Ansicht vieler Tunesier mittlerweise als kompromittiert. Vor allem Ghannouchi wurde immer wieder zur Zielscheibe des Unmuts. Den zumeist jungen Demonstranten gingen die von Ghannouchi angekündigten Reformen nicht weit genug.

Bei den Protesten am Wochenende kam es wieder zu Straßenschlachten mit der Polizei. Zahlreiche Jugendliche hatten laut Augenzeugenberichten versucht, in Richtung Innenministerium zu marschieren. Sie errichteten Barrikaden und bewarfen Polizisten mit Steinen. Die Sicherheitskräfte reagierten mit Tränengas und Warnschüssen.

Flüchtlingsstrom aus dem Nachbarland Libyen

Karte von Tunesien (Grafik: DW)

Die angespannte Lage in Tunesien wird durch den Strom von Flüchtlingen vor den Kämpfen in Libyen noch verschärft. Das Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) geht davon aus, dass bereits 50.000 Menschen aus Libyen nach Tunesien geflüchtet sind. Die Grenzbeamten am wichtigsten libyschen Übergang Ras Jedir sollen ihre Posten mittlerweile verlassen haben. Das Rote Kreuz in Tunesien warnte vor einer humanitären Katastrophe.

Der Aufstand gegen die autoritären Führungen in der arabischen Welt hatte in Tunesien begonnen, sich in Ägypten fortgesetzt und ist auch in Libyen und zahlreichen anderen Staaten in Nordafrika und Nahost angekommen.

Autorin: Ursula Kissel (dpa, afp, dapd)
Redaktion: Stephan Stickelmann