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Libyen-Krise treibt den Ölpreis über 100 Dollar

22. Februar 2011

Mit Libyen haben die Unruhen in der arabischen Welt den ersten großen Öl-Exporteur erfasst. Die Preise für Rohöl sind drastisch gestiegen. Muss sich Deutschland jetzt Sorgen um seine Energieversorgung machen?

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Symbolbild, das einen bewaffneten Mann in Armeeuniform vor einer dunkelgrauen Rauchwolke und einer roten Zapfsäule zeigt (Foto: AP/DW)
Die Unruhen in Libyen lassen den Ölpreis drastisch steigenBild: AP/DW-Montage

Das Fass Rohöl ist so teuer wie seit zweieinhalb Jahren nicht mehr. Der durchschnittliche Ölpreis kletterte am Dienstag (22.02.2011) auf mehr als 100 Dollar, wie die Organisation Erdölexportierender Länder (OPEC) mitteilte. Der Preis für das "schwarze Gold" steigt, weil Anleger Angst haben, die Gewalt in Libyen könnte auch auf andere erdölexportierende Länder in Nordafrika und am Persischen Golf übergreifen. Libyen ist nach Nigeria und Angola der drittgrößte Ölproduzent in Afrika.

Preise steigen, Aktien fallen

Demonstranten gehen an Feuern im Zentrum von Tripolis vorbei (Foto: youtube dpa)
Angst der Anleger: Proteste in Libyen könnten sich auch auf andere Öl-Staaten ausweitenBild: picture alliance/dpa

Die OPEC nutzt Preise von Ölsorten aus 12 Mitgliedstaaten, um einen Referenzpreis für Öl zu errechnen. Drastisch verteuert hat sich etwa US-Leichtöl der Sorte WTI. Mit über 96 Dollar kostete ein Fass zeitweise rund zehn Prozent mehr als noch am Montagabend und damit soviel wie seit Oktober 2008 nicht mehr. Nordseeöl der Marke Brent übertraf am Dienstag die Marke von 108 Dollar je Fass. Auch die Aktien- und Devisenmärkte reagierten nervös auf die zunehmend chaotische Lage in Libyen. Der deutsche Aktienindex DAX fiel zeitweise deutlich, auch der japanische Nikkei-Index brach zeitweilig ein. Die Aktien der großen Ölkonzerne BP und Shell gaben ebenfalls nach, denn viele Investoren fürchten grundlegende politische Veränderungen in Nordafrika. Diese könnten bestehende Lizenz- und Versorgungsvereinbarungen gefährden.

OPEC-Staaten besorgt über Preisspekulanten

Außenansicht des OPEC-Hauptquartiers in Wien mit blauem OPEC-Schriftzug (Foto: AP)
Herrscher übers Öl: Die OPEC-Staaten sorgen sich um LibyenBild: AP

Wichtige OPEC-Vetreter zeigten sich besorgt über die Lage im OPEC-Mitgliedstaat Libyen. Der Ölpreis werde durch Spekulationen und die schlechten politischen Nachrichten aus der Region bestimmt, erklärte der Ölminister Kuwaits, Sheikh Ahmad Abdullah al-Sabah, am Rande eines informellen Treffens der OPEC-Staaten in der saudischen Hauptstadt Riad. "Wir beobachten die Lage und sind bereit zu handeln, wenn es notwendig wird", sagte der Energieminister der Veinigten Arabischen Emirate, Mohammad bin Dhaen al-Hamli. Einen genauen Preis, bei dem sie einschreiten würden, nannten die OPEC-Minister jedoch nicht. Die OPEC-Staaten fördern und decken rund 40 Prozent des weltweiten Ölbedarfs.

Auch der Chef der Internationalen Energie-Agentur (IEA), Fatih Birol, warnte davor, dass die Ölpreise bei einer Ausbreitung der Unruhen weiter steigen könnten. "Die Ölpreise sind eine ernste Gefahr für die weltweite Konjunkturerholung", sagte Birol. Nach Einschätzung seiner Agentur seien die Industriestaaten aber bereit, wegen der Libyen-Krise ihre Ölreserven anzuzapfen.

Deutsche Ölversorgung in Gefahr?

Libysches Öl gilt als sehr hochwertig, viel davon wird nach Europa exportiert. Investoren und Händler sorgen sich jetzt um mögliche Lieferengpässe. "Libyen allein produziert nicht soviel Öl, als dass es dadurch Engpässe geben könnte, selbst wenn das Land völlig kollabiert", sagte Rohstoffanalyst Carsten Fritsch von der Commerzbank. Das Land fördere rund 1,6 Millionen Barrel (159 Liter) Öl am Tag, während die OPEC Reserven von sechs Millionen Barrel habe.

Auch nach Einschätzung des deutschen Mineralölverbandes (MWV) ist die Energieversorgung in Deutschland bisher nicht gefährdet. "Für die deutsche Ölversorgung besteht keine direkte Gefahr durch die politischen Unruhen in Nahost und Nordafrika", erklärte der Verband in Berlin. Libyen ist nach Angaben des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) Deutschlands fünftgrößter Öllieferant. 2010 stammten knapp acht Prozent des hiesigen Ölberdarfs aus dem norafrikanischen Land. Das meiste Öl bezieht die Bundesrepublik mit rund 36 Prozent aus Russland, weitere wichtige Lieferanten sind Großbritannien und Norwegen. Insgesamt liefern 33 Staaten Erdöl nach Deutschland.

Öl-Konzerne holen Mitarbeiter nach Hause

Das Verteilerkreuz einer Ölleitung der Firma Wintershall auf dem Ölfeld As Sarah in Libyen. (Quelle: Wintershall dpa)
Ölleitung des deutschen Konzerns Wintershall in Libyen: Mitarbeiter der Firma wurden ausgeflogenBild: picture alliance/dpa

Internationale Öl- und Gaskonzerne, darunter Shell und die deutsche BASF-Tochter Wintershall, haben ihre Mitarbeiter inzwischen aus Libyen abgezogen. Die Aufstände hatten in der vergangenen Woche im ölreichen Osten des Landes begonnen. Inzwischen haben sich die Unruhen auch auf die Haupstadt Tripoli ausgeweitet. Wegen der bürgerkriegsähnlichen Unruhen fiel die Förderung um geschätzte sechs Prozent. Libyen steht auf der Rangliste der weltweit größten Öl-Produzenten auf Platz 18. Gemessen an den nachgewiesen Ölreserven belegt Libyen weltweit den neunten Platz.

Autorin: Julia Hahn (mit rtr, afp, ap, dapd)
Redaktion: Martin Schrader