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"Freitag der Wut" in Ägypten

28. Januar 2011

Am vierten Tag in Folge gehen die Ägypter auf die Straße, um gegen die Regierung zu demonstrieren. Das Regime reagiert mit Internetzensur und verstärkter Polizeipräsenz – Wasserwerfer und Tränengas kommen zum Einsatz.

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Protestanten in Kairo (Foto: AP)
Am Nachmittag werden weitere Großdemonstrationen erwartetBild: AP

Zehntausende Ägypter haben nach ihrem muslimischen Gebet am Freitag (28.01.2011) in Kairo gegen den autoritär regierenden Präsidenten Husni Mubarak protestiert. Die Polizei setzte in der Innenstadt von Kairo nach Angaben von Augenzeugen Wasserwerfer und Tränengas ein, um die Demonstranten auseinander zu treiben. In einigen Straßen patrouillierten gepanzerte Fahrzeuge, Soldaten feuerten laut Augenzeugen Schüsse in die Luft, um die Menge zu zerstreuen. Der arabische Nachrichtensender Al-Dschasira meldete weiter, auch in der südlichen Provinz Minia habe es Proteste gegeben. Bei Protesten in der Hafenstadt Alexandria sei es zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei gekommen.

Regierungsgegner hatten zu einem "Freitag der Wut" aufgerufen. Muslime sollten von den Moscheen aus losmarschieren, Christen nach dem Kirchgang auf die Straße gehen. Da Demonstrationen in Ägypten meist nicht geduldet werden, benutzen die Ägypter häufig das Freitagsgebet, um sich trotzdem zu versammeln.

Die ägyptische Regierung versuchte bereits in der Nacht zum Freitag mit ihren Machtinstrumenten, den geplanten Massendemonstrationen entgegenzuwirken: So sind zahlreiche Oppositionelle festgenommen worden. Darunter waren mehrere Führer der verbotenen Muslimbruderschaft, berichtete der arabische Nachrichtensender Al Dschasira am frühen Morgen. Die Muslimbruderschaft hatte ihre Anhänger aufgerufen, sich an der Protestbewegung zu beteiligen.

El Baradei verhaftet?

Mohammed El Baradei (Foto: AP)
Mohammed El Baradei - die Alternative zu Mubarak?Bild: AP

Der Oppositionspolitiker und Friedensnobelpreisträger Mohammed El Baradei soll nach einem Bericht von Al Dschasira Freitag in Kairo festgenommen worden sein. El Baradei war am Donnerstagabend in Kairo eingetroffenen, um sich der Protestbewegung anzuschließen. Der frühere Direktor der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) will sich an die Spitze der Protestbewegung stellen. El Baradei bot zudem an, Chef einer Übergangsregierung zu werden. Allerdings ist er sowohl bei Regimekritikern als auch bei der Jugend umstritten.

Bei seiner Ankunft in Kairo sagte El Baradei: "Eine Hand ist ausgestreckt, aber die Führung muss verstehen, dass Wandel absolut notwendig ist." Es gebe keinen Weg zurück. Ägypten stehe an einem Scheideweg, sagte der 68-Jährige. Er hoffe auf einen friedlichen Machtwechsel.

UN: Ägypten muss Menschenrechte respektieren

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon forderte die ägyptische Regierung angesichts der Proteste auf, die Versammlungsfreiheit und Meinungsfreiheit vollständig zu gewährleisten. Alle betroffenen Völker und Regierungen in der Region von Tunesien über Ägypten bis Jemen müssten sicherstellen, dass es dort nicht zu mehr Gewalt komme. Für die Regierungen in den jeweiligen Ländern biete die derzeitige Lage die Chance, sich mit den berechtigten Sorgen und Wünschen ihrer Völker auseinanderzusetzen.

Wichtige Internetseiten blockiert

Sicherheitsleute und Demonstranten (Foto: AP)
Der polizeiliche Machtapparat solle es nach dem Willen der Regierung richtenBild: AP

Seit Mitternacht sind die Internetverbindungen in Ägypten massiv gestört. Die italienische Internetfirma Seabone, einer der größten Online-Dienstleister des Landes, teilte mit, dass nach Mitternacht kein Datenverkehr nach und aus Ägypten mehr möglich gewesen sei. Auch die SMS-Dienste für Mobiltelefone und Blackberry-Messenger-Dienste wurden unterbrochen.

Für die Organisation der Proteste zentrale soziale Netzwerke wie Twitter und Facebook wie auch der E-Mail-Dienst von Google waren vollständig blockiert. Deshalb sind in Kairo viele Menschen von Tür zu Tür gegangen, um ihre Mitbürger zur Teilnahme an den Demonstrationen zu ermutigen.

Obama: Proteste Folge von Frust

US-Präsident Barack Obama mahnte in einem vom Videoportal YouTube übertragenen Interview politische und wirtschaftliche Reformen in Ägypten an. Zugleich wies Obama darauf hin, dass Mubarak ein enger Verbündeter "in einer Menge von bedeutenden Fragen" und ein Partner im arabisch-israelischen Friedensprozess gewesen sei. "Präsident Mubarak ist sehr hilfreich bei einer Reihe von schwierigen Angelegenheiten im Nahen Osten gewesen", so Obama.

Die Proteste zeigen nach seinen Worten jedoch die "aufgestaute Frustrationen" über die Lage der ägyptischen Gesellschaft. Es sei von grundlegender Bedeutung, dass Menschen in jedem Land frei seien, "ihre legitimen Beschwerden zum Ausdruck zu bringen".

Seit Beginn der ägyptischen Protestwelle am Dienstag gab es mindestens sieben Tote, etwa 1000 Menschen wurden festgenommen. Es sind die größten Proteste seit der Machtübernahme von Präsident Mubarak vor 30 Jahren.

Autorin: Naima El Moussaoui (dpa, afp, dapd, rtr)

Redaktion: Thomas Grimmer