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Bolivien will Koka-Kauen legalisieren

20. Januar 2011

Das UN-Drogenabkommen von 1961 verbietet sowohl das Kauen als auch das Kokablatt selbst. Bolivien will die Entkriminalisierung der Jahrtausende alten Kulturpflanze erreichen.

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Koka-Bauer vor einem Koka-Strauch im Chapare in Bolivien (Foto: AP)
Auf 12.00 Hektar darf in Bolivien legal Koka angebaut werdenBild: DW/Steffen Leidel

Der bolivianische Außenminister David Choquehuanca befindet sich zurzeit auf besonderer Mission in Europa. Er wirbt in Spanien, Frankreich, Belgien, Großbritannien und Schweden für die Legalisierung der Koka. Bolivien will eine Änderung der 50 Jahre alten UN-Drogenkonvention erreichen. Deren eigentliches Ziel war die Eindämmung der Kokainproduktion. Allerdings missachtete das Abkommen die Traditionen und Riten der indigenen Völker und forderte zugleich, auch das Koka-Kauen innerhalb von 25 Jahren nach Inkrafttreten abzuschaffen. Da die Konvention in Bolivien 1976 gültig wurde, ist das Kauen von Kokablättern folglich seit 2001 illegal.

Zwar wurden den anerkannten Koka-Ländern Peru, Ecuador, Kolumbien und Bolivien später in einem weiteren Abkommen der traditionelle Gebrauch des Blattes sowie der kontrollierte Anbau von Koka-Sträuchern erlaubt. Das Kauen von Koka-Blättern jedoch wurde weiterhin als strafbare Handlung in der Konvention geführt.

Traditionelle Heilpflanze

Die Koka-Pflanze ist seit über fünftausend Jahren in den Anden Teil des Alltags. Die Bewohner des Hochlandes verwenden sie seit jeher als Medizin und bei religiösen Kulthandlungen. Unter der spanischen Kolonialherrschaft, als die indigene Bevölkerung unter sklavenähnlichen Bedingungen in den Silberminen arbeiten musste, begannen die Menschen Koka-Blätter gegen den Hunger und die Müdigkeit zu kauen.

Die harten grünen Blätter sind reich an Kohlenhydraten, Calcium sowie Proteinen, Eisen, Vitamin A und B2. Für die indigene Bevölkerung in den Anden war die Koka-Pflanze bis zur Ankunft der spanischen Eroberer die einzige reichhaltige Calcium-Quelle. Getrocknete Koka-Blätter enthalten zwischen 0,5 und 1,3 Prozent Alkaloide, davon wiederum sind bis zu drei Viertel Kokain.

Kokablätter im UN-Plenum

Evo Morales mit Koka-Blättern während seiner Rede vor der UN-Vollversammlung 2009 in New York (Foto: AP)
Präsident Morales vor der UN-Vollversammlung 2009: Koka-Blätter sind gesund!Bild: AP

In der 2009 verabschiedeten neuen bolivianischen Verfassung ist die Koka-Pflanze als "nationales Kulturgut" anerkannt. Bis zu zwei Millionen Bolivianer (bei einer Gesamtbevölkerung von zehn Millionen) kauen regelmäßig Koka-Blätter, sowohl der Langstreckenbusfahrer als auch die Marktfrau oder der Minenarbeiter bis hin zu Studenten und nicht zuletzt Präsident Evo Morales selber.

Auf einer UN-Vollversammlung in New York 2009, bei der Morales um die Modifizierung des Drogenabkommens geworben hat, steckte sich der ehemalige Anführer der bolivianischen Koka-Bauern demonstrativ einige der umstrittenen Blätter in den Mund und kaute sie, während er die gesundheitlichen Vorteile der Pflanze pries. "Es ist bewiesen, dass das Koka-Blatt nicht schädlich, sondern gesund ist. Es hilft unter anderem gegen Diabetes", so Morales bei seinem Auftritt vor der UNO. Eine Studie der Weltgesundheitsorganisation kam 1995 zu dem Schluss, dass der "Gebrauch von Koka-Blättern keine negativen Folgen hat, sondern möglicherweise auch zu Therapiezwecken eingesetzt werden kann." Das Kauen von Koka-Blättern verbessert die Sauerstoffaufnahme und mindert so die Höhenkrankheit, es reguliert den Blutzuckerspiegel und wirkt als Aphrodisiakum.

Widerstand der USA

Am 31. Januar läuft die Frist ab, bis zu der die UNO-Mitgliedsstaaten über die Änderung des Drogenabkommens entscheiden müssen. Sollte jedoch auch nur ein Land dagegen stimmen, dann bliebe das Koka-Kauen weiterhin illegal. Bolivien hat inzwischen Länder wie Kolumbien, Somalia und Ägypten von seiner Position überzeugen können. Die USA jedoch haben bereits Einspruch angekündigt. Washington befürchtet, eine Entkriminalisierung der Koka-Pflanze werde zu einem Anstieg des Drogenschmuggels führen. Bolivien ist der drittgrößte Kokainproduzent der Welt, die USA der größte Konsument der weißen Droge.

Legaler Anbau

In Bolivien darf der Kokastrauch für traditionelle Zwecke angebaut werden. Bis 2006 erlaubte das bolivianische Gesetz eine jährliche Anbaufläche von 12.000 Hektar in der Yungas-Region. Die tatsächliche Anbaufläche der Koka-Plantagen wird jedoch um ein Vielfaches höher geschätzt. In jüngster Zeit können auch im Chapare offiziell kleine Flächen mit Kokasträuchern bepflanzt werden. 2010 wurden nach Angaben aus Regierungskreisen 19.000 Tonnen Koka in Bolivien legal verkauft. Da die Nachfrage nach Koka-Blättern zum Kauen parallel zum Bevölkerungswachstum in Bolivien ansteigt, will die Regierung die Fläche für den legalen Koka-Anbau auf 20.000 Hektar erweitern.

Kokaverkauf auf einem Markt in Bolivien (Foto: AP
Neben Obst und Gemüse wird auf den Märkten in Bolivien auch Koka verkauftBild: DW/Steffen Leidel

"Das Kauen von Koka-Blättern ist eng mit unserer Kultur und unserer Identität verbunden", so Präsident Morales am Montag (17.01.2011), zu Beginn der internationalen Kampagne zur Legalisierung des Koka-Kauens. "Millionen Bolivianer kauen Koka-Blätter und werden davon nicht abhängig." Dabei betont der bolivianische Staatschef, dass die geforderte Änderung des UN-Drogenabkommens keinen Einfluss auf die Gesetzgebung in den UN-Mitgliedsstaaten haben werde, da lediglich die Legalisierung des Kauens von Koka-Blättern verlangt werde, nicht aber die Streichung der Koka-Pflanze von der internationalen Betäubungsmittelliste.

Autorin: Mirjam Gehrke
Redaktion: Sven Töniges