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Aufbauhilfen Haiti

12. Januar 2011

Nach dem Erdbeben in Haiti am 12. Januar 2010 waren 60 Prozent der Gebäude zerstört, 1,3 Millionen Menschen obdachlos und 230.000 Tote zu beklagen. Deutsche Hilfsorganisationen kommen mit dem Aufbau nur schwer voran.

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Erdbebenopfer reißt Arme in den Himmel (Foto: AP)
Die Verzweiflung in Haiti hält anBild: AP

Mehr als eine Million Menschen haben nach wie vor kein Dach über dem Kopf, die Cholera wird nach Meinung der Mehrheit der Helfer vor Ort erst in drei bis vier Monaten unter Kontrolle sein. Vielerorts gibt es Überschwemmungen nach Regenfällen. Der Aufbau geht voran, aber es geht nur sehr langsam. Viele Haitianer sind enttäuscht, wie die in Haiti tätigen Hilfsorganisationen berichten.

Aus der Bundesrepublik sind die deutsche Sektion von "Ärzte ohne Grenzen", die "Welthungerhilfe" und die Aktion "Deutschland hilft", ein Zusammenschluss von zwölf Organisationen - darunter auch die "Johanniter" und "Care Deutschland" - weiter vor Ort. Hinzu kommen eine Reihe privater Initiativen. Frank Dörner, Geschäftsführer der deutschen Sektion von "Ärzte ohne Grenzen", beklagt allerdings im Gespräch mit der Deutschen Welle, dass viele der spontan vor einem Jahr gegründeten Hilfsgruppen inzwischen aufgegeben hätten.

Nach Erdbeben und Cholera folgt die Bürokratie

Frau vor Trümmern (Foto: AP)
Ein Jahr danach - immer noch Leben in TrümmernBild: AP

All jene, die Häuser wieder aufbauen wollen, schlagen sich seit Monaten mit ungeklärten Eigentumsverhältnissen herum, mit unklaren Baunormen, mit Korruption und mit Lieferungen, die immer noch an der Grenze zwischen der Dominikanischen Republik und Haiti aufgehalten werden.

Die Präsidentschaftswahl ist immer noch nicht entschieden, dies soll am 16. Januar geschehen. Somit sind die politischen Verhältnisse weiter unklar. Simone Pott von der "Welthungerhilfe" berichtet, dass trotz aller Bemühungen, die örtliche Bevölkerung bei allen Maßnahmen einzubeziehen, die Arbeit schwierig bleibe, weil die internationale Gemeinschaft, die UN und auch die Regierung Haitis nur wenige verlässliche Gesprächspartner hätten. "Wenn man zum Beispiel darüber redet, die Infrastruktur wieder aufzubauen, dann muss man natürlich auch mit dem zuständigen Ministerium darüber reden können, um zu guten Ergebnissen zu kommen", so Pott.

Die Unruhen, die zwischenzeitlich aufgeflammt waren, aus Unzufriedenheit und Angst vor der Cholera-Ausbreitung, haben sich weitgehend gelegt, aber voran geht es trotzdem nicht. Elmar Frank von "Deutschland hilft" nennt einen Hauptgrund: "Es ist die Unmenge an Bauschutt. Unvorstellbar, was da zusammenkommt. Das muss erst einmal alles weg. Die kleinen und schmalen Straßen und das gebirgige Gelände erlauben aber kein schweres Räumgerät. Das geht nur mit der Hand. Wir sehen also überall in den Städten Kolonnen von Menschen, die mit blutigen Händen den Bauschutt in Schubkarren ablegen, um den Inhalt dann an Sammelpunkten abzuliefern, wo dann nachts alles abgefahren wird."

Haitianer auf Haustrümmern (Foto: AP)
Vieles bleibt HandarbeitBild: AP

Erfolge beim Aufbau auf dem Land

Inzwischen konzentrieren sich vor allem die deutschen Hilfsorganisationen auf ländliche Gebiete, weil Zuständigkeiten hier eindeutiger geregelt sind. Saatgut wird organisiert und verteilt, Wassersysteme werden aufgebaut und repariert. Nicole Bergmann, Helferin vor Ort, setzt auf Aufklärung und Hygiene-Schulung. "Wir haben bewirkt, dass es in vielen Lagern mehr Hygiene-Bewusstsein gibt. Letztlich hat unsere Aufklärung verhindert, dass noch viele tausend Menschen mehr erkrankt sind."

In den meisten Schulen gibt es wieder Unterricht, und auch bei der Versorgung von Kranken und Verletzten gibt es gute Erfolge. Elmar Frank von der Aktion "Deutschland hilft" verweist auf Zehntausende von Menschen, die durch das Erdbeben Arme und Beine verloren haben. Care und Malteser halfen, Mechaniker zu finden, die passgenaue Prothesen herstellen können. Zusätzlich werden die Betroffenen psychologisch betreut, um mit der neuen Situation umgehen und das Trauma überwinden zu können.

Millionen Hilfsgelder warten noch

Krankenstation in Haiti (Foto: AP)
Teuer: Die medizinische Versorgung der Erdbeben-OpferBild: AP

Die Nachfrage nach dem Verbleib von Millionen Spendengeldern wird offen beantwortet. Man könne jederzeit die Bücher einsehen, erklärt zum Beispiel Frank Dörner, Geschäftsführer von "Ärzte ohne Grenzen" in Deutschland. Mehr als 100 Millionen Euro habe man alleine im letzten Jahr ausgegeben, um die Gehälter für 8000 Ärzte und Helfer zu zahlen, 1000 stationäre Betten und sieben große Behandlungszentren zu unterhalten und um Cholera-Tabletten zu kaufen.

Die Aktion "Deutschland hilft" erhielt vor einem Jahr 16 Millionen Euro Spendengelder. Davon sei nur etwas mehr als die Hälfte ausgegeben, erklärt Elmar Frank, was daran liege, dass die zweite Katastrophe, die Cholera, viel verzögert habe: "Hilfsziele wurden neu definiert und haben nochmals Mittel gebunden."

Simone Pott von der "Welthungerhilfe" ergänzt, dass es nicht immer einfach sei, den Verbleib von 21 Millionen Euro Spendengeldern zu erklären. "Viele Spender denken, wir könnten alles auch gleich ausgeben. Aber die Haitianer erwarten, dass wir langfristig als Helfer zur Verfügung stehen. Also müssen wir für die nächsten Jahre planen."

Die meisten Hilfsorganisationen beschwören, es sei kein Geld verlorengegangen, aber man müsse damit rechnen, dass angesichts der Dimension der Katastrophe und auch des Zustandes, in dem sich Haiti schon vor der Katastrophe befand, man erst in vier bis fünf Jahren wirkliche Veränderungen in Haiti sehen werde.

Autor: Wolfgang Dick
Redaktion: Kay-Alexander Scholz