Chinesische Waffen für Diktatoren in Afrika?
6. Januar 2011Entwicklungsländer brauchen finanzstarke Partner - und die waren über Jahrzehnte traditionell im demokratischen Westen zu finden. Mit China aber hat in den vergangenen Jahren ein neuer starker Akteur die internationale Bühne betreten. Allen voran bei afrikanischen Despoten scheinen die Investoren aus Fernost beliebt zu sein. Die Koffer voller Geld und Billigwaren, stellen sie weder unliebsame Fragen nach guter Regierungsführung noch nach der Einhaltung von Menschenrechten. So kommt es in den USA und Europa immer wieder zu berechtigen Klagen von Menschenrechtsgruppen und Politikern, die der chinesischen Regierung vorwerfen, die demokratische Entwicklung in Afrika mit ihrer Bonanzamentalität zu untergraben.
Die Politikwissenschaftler Indra de Soysa und Paul Midford von der Norwegischen Universität für Wissenschaft und Technik in Trondheim sind nun der Frage nachgegangen, ob das Bild des Despoten hofierenden chinesischen Regimes tatsächlich stimmt. Anhand von Daten des renommierten "Stockholm International Peace Research Institute" (SIPRI) verglichen sie Waffenverkäufe Chinas und der USA zwischen 1989 und 2008. "Wir haben herausgefunden, dass China einen weitaus geringeren Waffenhandel mit autokratischen Ländern - besonders in Afrika - betreibt als die USA", fasst Indra de Soysa, einer der Autoren der Studie, das Ergebnis zusammen.
Beim Waffenhandel geht es nicht um Entwicklungshilfe
Zwar verkaufte China auch Waffen an den Sudan - wofür Peking von westlichen Ländern scharf kritisiert wurde. Die Studie belegt jedoch, dass Russland zwischen 2001 und 2008 fünfmal mehr Waffen an das krisengeschüttelte nordostafrikanische Land verkaufte als China.
De Soysa betont, dass die Studie Chinas Waffengeschäfte keinesfalls schön reden wolle. "Wir sagen nicht, dass China die Menschenrechte nicht verletzt." Die Studie lenke den Blick auf Waffenhandel als außenpolitisches Werkzeug. "Dieses Werkzeug nutzt China nicht anders als die USA es tun." Beiden Proliferateuren gehe es in erster Linie darum, Regierungen zu stützen, die freundlich gesinnt seien, egal ob Demokratie oder Diktatur, meinen die Autoren.
Nach welchen Kriterien wird gezählt?
Die Studie sei unausgewogen, meint die Politikwissenschaftlerin Deborah Brautigam von der American University in Washington. Sie kritisiert, dass die Daten, die dafür verwendet wurden, auf dem Handelswert der Waffen beruhten, nicht auf der Stückzahl oder der Zerstörungskraft. Da amerikanische Waffen teurer seien als chinesische, werde die Statistik verzerrt. Brautigam weist außerdem darauf hin, dass die Studie nur den Handel von schweren Waffen wie Panzern, Hubschraubern oder Kampfflugzeugen untersuche.
Da es keine gesicherten Daten über kleine Waffen wie Sturmgewehre oder Pistolen gäbe, konnten diese auch nicht berücksichtigt werden, erklärt die auf Chinas Afrika-Engagement spezialisierte Wissenschaftlerin. Brautigam geht davon aus, dass das Ergebnis der Studie anders aussähe, wenn Daten über kleine Waffen verfügbar wären. Denn in den zahlreichen blutigen afrikanischen Bürgerkriegen und Konflikten würden hauptsächlich Sturmgewehre, aber kaum schwere Waffen eingesetzt. "Wir reden über AK-47er und die Munition dafür. Damit werden diese Kriege geführt. In vielen Kämpfen werden chinesische Waffen benutzt", so Brautigam. Allerdings sei nicht nur das Pekinger Regime ein wichtiger Lieferant für afrikanische Länder, fügt die Politologin hinzu. Auch die Ukraine und andere Staaten der ehemaligen Sowjetunion lieferten große Mengen an Waffen nach Afrika.
Verschobenes Bild?
Auch der Zeitraum der Studie sei problematisch, meint der Rüstungsexperte Otfried Nassauer vom Berliner Zentrum für transatlantische Sicherheit. "Sie umfasst zwei sehr unterschiedliche Phasen, nämlich einerseits die Jahre zwischen dem Ende des Kalten Krieges und 2001 und andererseits die Jahre danach", so Nassauer. In dieser Zeit war die Volksrepublik in Afrika noch nicht besonders aktiv. Hätte die Studie nur den Zeitraum der letzten fünf Jahre untersucht, würde das Ergebnis weniger positiv für China ausfallen, vermutet Nassauer. Die Kernaussage der Studie hält er allerdings für realistisch. Und die laute: China habe mit seinen Waffenexporten keinen negativeren Einfluss in Afrika als die Vereinigten Staaten.
Autor: Christoph Ricking
Redaktion: Adrienne Woltersdorf / Esther Broders