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Ägyptische Christen zürnen ihrer Regierung

2. Januar 2011

Der Anschlag auf eine koptische Kirche in Alexandria mit 21 Toten wirft die Frage auf, ob die Christen in Ägypten ausreichend vor Gewalt geschützt werden. Die Betroffenen haben jedenfalls nicht das Gefühl.

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Koptische Christen demonstrieren mit Jesus-Poster (Foto: AP)
Die Kopten fühlen sich in Ägypten nicht sicherBild: AP

Am Sonntag (02.01.2011) war die Kirche, vor der sich der Anschlag in der Neujahrsnacht ereignet hatte, unter strengem Polizeischutz wieder geöffnet. Eine Messe fand nicht statt. Dafür kamen viele Gläubige - die meisten von ihnen ganz in Schwarz gekleidet -, um ihrem Ärger und ihrer Wut Luft zu machen. Sie warfen der ägyptischen Regierung vor, die Christen im Land nicht ausreichend zu schützen.

An der Beisetzung der Anschlagsopfer nahmen am Sonntag Medienberichten zufolge mehr als 5.000 Menschen teil. Auch dabei gab es Proteste. Wiederholt kam es zu Zusammenstößen zwischen koptischen Demonstranten und Sicherheitskräften.

Bei dem Attentat waren 21 Gläubige getötet worden. Es war der schwerste Anschlag auf Christen in Ägypten seit 1999.

Kritik an Sicherheitsvorkehrungen

In der christlichen Gemeinde Alexandrias herrschen derweil offenbar erhebliche Zweifel an den Ermittlungen gegen die möglichen Hintermänner der Tat. Der führende koptische Geistliche in der Stadt, Erzbischof Arweis, sagte, die Polizei wolle einem Selbstmordattentäter die Schuld geben. So könne sie den Anschlag einem Einzelnen zuschreiben.

Er kritisierte zudem den mangelnden Schutz durch die Behörden. "Vor der Kirche standen nur drei Soldaten und ein Polizist", sagte er. "Warum gab es so geringe Sicherheitsvorkehrungen in einer Zeit, in der El Kaida so viele Drohungen ausspricht?"

Mubarak: Ziel der Täter war ganz Ägypten

Ägyptens Präsident Husni Mubarak (Foto: AP)
Laut Ägyptens Präsident Mubarak war der Anschlag auch ein Angriff auf die Muslime im LandBild: AP

Der ägyptische Präsident Husni Mubarak versicherte unterdessen, die Hintermänner des Anschlags würden gefasst. "Wir werden die Hände der Terroristen abschneiden", kündigte er an. "Dieser terroristische Akt hat das Gewissen des ganzen Landes erschüttert." Das Ziel der Täter sei ganz Ägypten gewesen, der Terrorismus "unterscheidet nicht zwischen Kopten und Muslimen", erklärte Mubarak.

Die muslimischen Führer des Landes sprachen den Christen ihr Beileid aus. Die größte Oppositionsgruppe, die verbotene Muslimbruderschaft, verurteilte den Anschlag. Zahlreiche Christen und Muslime kamen sowohl in der Nähe der Kirche in Alexandria als auch in der Hauptstadt Kairo zu Trauermärschen zusammen.

Zulauf für Fundamentalisten, Diskriminierung der Christen

Koptischer Priester in der Kirche in Alexandria (Foto: AP)
Ein koptischer Priester in der Kirche in AlexandriaBild: AP

In Ägypten haben Fundamentalisten in jüngster Zeit immer mehr Zulauf. Sie rufen zwar nicht zur gewaltsamen Durchsetzung ihrer Ziele auf, folgen jedoch einer ähnlichen radikalen Ideologie wie das Terrornetzwerk El Kaida. Es gibt Befürchtungen, die Gruppen könnten sich vor dem Hintergrund der aktuellen religiösen Spannungen weiter radikalisieren.

Christen, die meisten von ihnen orthodoxe Kopten, machen etwa zehn Prozent der ägyptischen Bevölkerung aus. Sie klagen immer wieder über Diskriminierung. Ägypten, das den Islam als Amtsreligion in der Verfassung verankert hat, benachteiligt die Christen in vielen Bereichen. Sie dürfen nur selten Kirchen bauen und werden im Staatsdienst gegenüber Muslimen benachteiligt.

Während Christen jederzeit zum Islam konvertieren können - und etliche das wegen der strengen Scheidungsbestimmungen in der koptischen Kirche auch tun -, ist es für einen Muslim unmöglich, den christlichen Glauben anzunehmen.

Nach Angaben der Gesellschaft für bedrohte Völker kam es seit 2008 zu 61 Übergriffen auf Christen durch Ordnungskräfte und islamistische Extremisten. Davon habe nur knapp jeder Zehnte mit einer Verurteilung der Täter vor Gericht geendet.

Autor: Thomas Grimmer (dapd, dpa, kna)
Redaktion: Walter Lausch