1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

EU-Gerichtshof stärkt Rechte biologischer Väter

21. Dezember 2010

Der Kontakt eines Kindes zu seinem leiblichen Vater ist ein unumstößliches Grundrecht. Zu diesem Urteil kommt der EU-Gerichtshof. Väter, die seit der Geburt keinen Kontakt zu ihren Kindern hatten, haben nun mehr Rechte.

https://p.dw.com/p/zo2L
Ein Vater und sein Sohn (Foto: dpa)
Biologische Väter haben in Zukunft mehre Rechte im Umgang mit ihren KindernBild: picture-alliance/dpa

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die Rechte biologischer Väter für den Umgang mit ihren unehelichen Kindern gestärkt. Väter dürften zu ihren leiblichen Kindern auch dann Beziehungen pflegen, wenn ein anderer Mann rechtlich als der Vater gelte. Die Straßburger Richter urteilten am Dienstag (21.12.2010), familiäre Beziehungen zu den leiblichen Kindern stünden unter dem Schutz der Europäischen Menschenrechtskonvention.

Kinder nie kennengelernt

Ein Vater mit seinem Sohn (Foto: BilderBox )
Für Eltern sind Kinder ein wichtiger Teil der IdentitätBild: BilderBox

Damit gab der Gerichtshof einem Nigerianer Recht, der Kontakt zu seinen Kindern aus einer früheren Beziehung suchte. Etwa zwei Jahre lang hatte der 43-Jährige eine Beziehung mit einer verheirateten Frau in Deutschland, die 2005 Zwillinge zur Welt brachte. Davor hatte sie sich von dem Nigerianer getrennt. Gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem rechtlichen Vater des Kindes, zieht sie die heute fünf Jahre alten Mädchen auf und hat das Sorgerecht. Der leibliche Vater hatte seine Kinder nie kennengelernt, da das Ehepaar den Kontakt des Nigerianers zu den Zwillingen ablehnte.

Das Familiengericht Baden-Baden gewährte dem damaligen Asylanten zunächst betreuten Umgang für eine Stunde pro Monat mit den Kindern. Aber Ende 2006 reichte das Ehepaar Klage gegen diese Entscheidung beim Oberlandesgericht in Karlsruhe ein. Sie wollten verhindern, dass der leibliche Vater eine familiäre Beziehung zu den Zwillingen aufbaut. Mit der Begründung, dass der Nigerianer in der Vergangenheit keinerlei Verantwortung übernommen und deshalb keine "sozial-familiäre Beziehung" zu seinen Kindern entwickelt habe, bestätigte das Oberlandesgericht das Kontaktverbot.

Ernsthaftes Interesse

Dagegen urteilte nun der Menschenrechtsgerichtshof, dass die Entscheidung deutscher Gerichte, dem Nigerianer den Umgang mit seinen Kindern zu verwehren, gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoße. Sie berücksichtige nicht das Wohl der Kinder. Der Nigerianer habe ein "ernsthaftes Interesse an ihnen gezeigt". Sowohl vor als auch nach der Geburt habe er den Wunsch geäußert, eine familiäre Beziehung zu ihnen aufzubauen.

Kinder spielen im Kindergarten (Foto: afp)
"Das Kindeswohl ist im Einzelfall immer entscheidend"Bild: AP

Aus der Perspektive der Straßburger Richter haben die deutschen Gerichte keine "gerechte Abwägung" der Interessen beider Parteien vorgenommen. In diesem Fall seien die Kinder "aus nicht bloß zufälligen, sondern zwei Jahre dauernden Beziehung hervorgegangen". Eine Beziehung zu den Kindern sei für den biologischen Vater "ein wichtiger Teil der Identität".

Als Entschädigung muß Deutschland dem Mann, der heute in Spanien lebt, insgesamt 5000 Euro Schmerzengeld zahlen. Die Kosten für das Gerichtsverfahren von über 4000 Euro muss die Bundesregierung ebenfalls übernehmen.

Deutsches Recht "auf dem Prüfstand"

Das Urteil des Menschenrechtsgerichtshof ist nicht endgültig, aber bindend. Eine Berufung kann beantragt werden. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger erklärte in Berlin, dass nun nach dem Sorgerecht auch das Umgangsrecht in Deutschland "auf den Prüfstand" komme. Bereits 2009 hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Sorgerechte eines unverheirateten Vater gestärkt. Das Bundesverfassungsgericht richtete sich danach.

Die Ministerin betonte, "Der Kontakt zum biologischen Vater darf nicht kategorisch ausgeschlossen werden". Das Kindeswohl im Einzelfall sei immer entscheidend. "Wir werden uns genau ansehen, ob das deutsche Recht die gebotene Abwägung zwischen biologischem und rechtlichem Vater gewährleistet". Bisher erhalten in Deutschland biologische Väter kein Umgangsrecht, wenn sie erstmals Kontakt zu Kindern aufnehmen wollen, die bei der Mutter und ihrem Ehemann in einer "funktionierenden" Familie leben.

Autorin: Anggatira Gollmer (ap, dpa, epd)
Redaktion: Hajo Felten