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Wohin mit den Piraten?

Benjamin Wüst5. März 2009

Die Situation ist grotesk, beinahe peinlich. Neun Piraten sind auf einer deutschen Fregatte gefangen und keiner weiß so recht, was man mit ihnen anfangen soll.

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Sechs somalische Piraten fahren mit ihrem einfachen Motorbott auf dem Meer (Foto: AP)
Attacke! Somalische Piraten auf der Suche nach BeuteBild: AP

Seit Monaten überfallen Piraten am Horn von Afrika Frachtschiffe. Sie nähern sich mit Schlauchbooten, Panzerfäusten und Maschinengewehren, kapern Schiffe und erpressen die Reedereien. Sie wollen Lösegeld. Im Dezember 2008 hat die Europäische Union den Kampf mit den somalischen Piraten aufgenommen. Sechs Kriegsschiffe und drei Flugzeuge der EU-Mitgliedsstaaten jagen seitdem im Rahmen der Mission "Atalanta" Piraten.

Drei deutsche Marinesoldaten sitzen auf ihrem Boot. Im Hintergrund ist ein großes Frachtschiff zu erkennen (Foto: Picture-alliance)
Deutsche Marine-Soldaten im Pirateneinsatz (Archivfoto)Bild: picture-alliance/ dpa

Teil des Einsatzes ist auch die deutsche Marine. Am Dienstag (03.03.2009) gab es die erste Erfolgsmeldung: Die deutsche Fregatte "Rheinland-Pfalz" vereitelte einen Piratenangriff. Die neun Angreifer wollten den Frachter "MV Courier", der einer Hamburger Reederei gehört, überfallen. Die Marine griff ein und nahm die Piraten fest.

Seitdem glühen die Telefondrähte, denn keiner weiß so recht, was man nun mit den Piraten anfangen soll. In Berlin bildete sich eine Kommission aus den Ministerien Justiz, Inneres, Äußeres und Verteidigung, um eine Lösung auszuarbeiten - bisher vergeblich.

Das Problem: Es gibt kein Auslieferungsabkommen

Rainer Stinner, Experte für Piraterie-Bekämpfung bei FDP, sieht drei Möglichkeiten. "Die erste Option ist: Wir stellen die Piraten in Deutschland vor Gericht, dazu wären wir aufgrund des Seerechtsübereinkommens berechtigt. Die zweite Variante ist: Wir überstellen die Piraten einem Drittland, bei dem wir sicher sind, dass dort nach rechtsstaatlichen Verfahren abgeurteilt wird. Die dritte Variante, die ich politisch nicht für akzeptabel halte, ist: Wir lassen sie wieder frei."

Die dritte Variante klingt kurios, wäre aber nicht neu. Ein dänisches Schiff beispielsweise setzte im vergangenen Jahr gefangengenommene Piraten kurzerhand am Strand aus und versenkte deren Boot. Eine Option, die in Deutschland mittlerweile vom Tisch ist, auch weil ein solches Vorgehen die Soldaten demotivieren würde, sickerte aus der Kommission durch.

Die Piraten nach Deutschland zu bringen und sie dort zu verurteilen sei zwar rechtlich möglich, sagt Stinner, aber fände wohl keinen Zuspruch. Die Sorge, die Piraten könnten hier ihre Strafe absitzen, freikommen und Asyl beantragen, sei bei vielen zu groß. Bliebe die Option, die Piraten an ein Drittland auszuliefern. Aber auch das ist nicht so einfach, denn noch fehlt das notwendige Abkommen. "Es ist für mich unerklärlich, dass die Bundesregierung, die das Problem über Monate hat auf sich zukommen sehen, nicht in der Lage ist, ein solches Abkommen zu schließen", sagt Stinner.

Ein Piraten-Strafgerichtshof könnte die Lösung sein

Acht Piraten stehen nebeneinander in dunklen Häftlingsanzügen vor einem Gericht in Kenia (Foto: picture-alliance)
Piraten vor Gericht in Kenia (Archivfoto)Bild: picture-alliance/ dpa

EU-Partnerländer wie Großbritannien und Frankreich haben solche Abkommen abgeschlossen. Sie liefern gefangengenommene Piraten an Kenia aus. Deutschland ist bisher auf bilateraler Ebene nicht aktiv geworden, wartet stattdessen auf ein EU-weites Abkommen mit Kenia. Diese Einigung ist in Arbeit, aber eben noch nicht unterschrieben.

Nach deutschem Recht dürfen Gefangene ohne richterliche Befugnis maximal 48 Stunden festgehalten werden. In dem Fall der neun Piraten greift nun eine Ermächtigung der EU, die es den Staaten erlaubt, die Piraten bis zu 12 Tage festzuhalten. Hier bricht EU-Recht deutsches Recht. Im Hintergrund wird nun an einer raschen bilateralen Lösung mit Kenia gearbeitet, um die Piraten schnellstmöglich zu übergeben. Eine langfristige Lösung wird noch gesucht. Die wohl international mit dem größten Konsens versehene Möglichkeit, wäre ein internationaler Piraten-Strafgerichtshof, meint Piraten-Experte Stinner.