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Weltwirtschaft 2024: China, Trump sorgen für Unsicherheit

Arthur Sullivan
3. Januar 2024

Die vergangenen Jahre haben uns eines gelehrt: Wer 2024 auf wirtschaftliche Stabilität setzt, der wird wohl abermals enttäuscht werden.

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Chinas Präsident Xi Jinping sitzt bei einer Konferenz zwischen anderen Männern, deren Hinterköpfe oder Halbprofile man sieht
Wichtiger Akteur für die Weltwirtschaft: Chinas Präsident Xi JinpingBild: Yomiuri Shimbun/AP/picture alliance

Die 2020er Jahre waren für die Weltwirtschaft bisher ein holpriges Jahrzehnt. Die Corona-Pandemie hatte die Volkswirtschaften zwei Jahre fest im Griff. Gerade als diese Krise überwunden war, kam es mit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine im Februar 2022 zur nächsten Katastrophe.

Die Ölpreise schossen in die Höhe und heizten die Inflation an. Die Lieferketten - bereits durch die Pandemie in Mitleidenschaft gezogen - wurden weiter strapaziert. Europa beendete die die Zusammenarbeit mit Russland - seinem wichtigsten Energielieferanten.

Und es gab auch einige Nebenschauplätze: den Absturz der Kryptowährungen, die Revolution der Heimarbeit und den Vormarsch Künstlicher Intelligenz (KI) im Arbeitsalltag. Dieses Jahrzehnt war bisher ein wilder Ritt. Wird 2024 nun endlich das Jahr der lang ersehnten Ruhe und Stabilität?

Darauf sollten Sie besser nicht wetten.

Das Erbe der vergangenen Jahre

Obwohl sich die Inflation in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften der Welt deutlich verlangsamt hat, bleiben die Zinsen weiter hoch. Und es ist ungewiss, wann sie wieder sinken werden. Denn die Notenbanken haben weiterhin Zweifel, ob die Inflation wirklich eingedämmt ist. Deshalb zögern sie, die straffe Geldpolitik aufzugeben.

Einige Experten sind der Meinung, dass sich die Auswirkungen dieser Geldpolitik sogar erst 2024 richtig zeigen werden: "Die Weltwirtschaft hat sich nicht so stark abgeschwächt, wie wir es angesichts all der Schocks, die wir erlebt haben, vielleicht erwartet hätten", so Adam Slater, leitender Ökonom bei Oxford Economics, gegenüber der DW. "Wir glauben, dass einiges davon nur eine Frage der Zeit ist."

US-Notenbankchef Jerome Powell steht an einem Rednerpult vor mehreren Fahnen, darunter der Nationalflagge der USA
Muss 2024 wichtige Zins-Entscheidungen treffen: Jerome Powell, Vorsitzender der US-NotenbankBild: Mandel Ngan/AFP/Getty Images

Slater erwartet, dass das globale Wachstum im nächsten Jahr deutlich schwächer ausfallen wird und schließt eine technische Rezessionen nicht aus - also zwei negative Quartale hintereinander. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) erwartet für das kommende Jahr ein globales Wachstum von 2,7 Prozent. Der Internationale Währungsfonds (IWF) geht von einem Wachstum von 2,9 Prozent aus, während die Europäische Zentralbank (EZB) eine Rate von drei Prozent prognostiziert. Dabei gibt es große regionale Unterschiede. So rechnet der IWF beispielsweise mit einem wesentlich stärkeren Wachstum in den USA als in China oder Europa.

Fokus auf China und Taiwan

Die Abkühlung der chinesischen Wirtschaft ist in der Tat etwas, das man 2024 genau beobachten sollte. Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt ist für den gesamten Globus von entscheidender Bedeutung. "Sie ist wichtig für das globale Wachstum und für die regionale Dynamik in Asien", meint Slater von Oxford Economics.

Sushant Singh vom indischen Centre for Policy Research glaubt, dass die Frage, ob Chinas Wirtschaft "wieder auflebt oder untergeht", eine entscheidende Frage für 2024 wird. Zu Beginn dieses Jahres warnte die Weltbank, dass Chinas wirtschaftliche Probleme besonders Ostasien schwer belasteten. Ostasien wiederum ist traditionell einer der großen Wirtschaftsmotoren der Welt.

Junge Menschen in Mänteln stehen in einer Halle Schlange vor einem Mann, der an einem Tisch sitzt und in Papieren blättert
China muss auch innenpolitische Probleme lösen - zum Beispiel die hohe Jugendarbeitslosigkeit (Bild aus einem Jobcenter)Bild: Schifres Lucas/dpa/picture alliance

William Reinsch vom Center for Strategic and International Studies (CSIS) in Washington ist mit Blick auf China optimistischer. "Eines der interessanten Merkmale staatlich kontrollierter Volkswirtschaften ist ihre Fähigkeit, die Folgen ihrer Fehler aufzuschieben", sagt er der DW. "Sie werden den Banken sagen: Gebt diesem Sektor Kredite. Sie werden den Unternehmen sagen, dass sie nicht pleite gehen dürfen, oder sie werden ihnen sagen, dass sie pleite gehen müssen, wenn sie ein Signal senden wollen. Aber es ist die Regierung, die das Sagen hat."

Reinsch ist der Meinung, dass Prognosen über eine wirtschaftliche Implosion in China übertrieben sind, auch wenn er dort ernsthafte wirtschaftliche Probleme sieht. "China hat einige sehr starke Exportsektoren, angefangen bei Batterien für Elektrofahrzeuge über Unterhaltungselektronik bis hin zu Rohstoffen. Weite Teile der Wirtschaft sind sehr wettbewerbsfähig und das wird sich nicht ändern."

Nur wegen der Taiwan-Frage macht er sich Sorgen. Das das jüngste Treffen zwischen Xi Jinping und Joe Biden habe zwar etwas Tauwetter in die bilateralen Beziehungen gebracht. Aber die Drohung einer chinesischen Invasion Taiwans hänge so düster wie kaum ein anderes Ereignis über der Weltwirtschaft. "Xi denkt an sein Vermächtnis. Er will die letzten Teile seines Puzzles zusammensetzen."

Die Ukraine, Lebensmittel und Treibstoff

Ein weiterer Konflikt dürfte im Jahr 2024 erheblichen Einfluss auf die Weltwirtschaft haben: der Krieg in der Ukraine. Für Sushant Singh ist er nach wie vor die wichtigste Variable. "Der Krieg zwischen Russland und der Ukraine wirkt sich direkt auf drei Bereiche aus: Lebensmittel, Düngemittel und Treibstoff. Diese drei Bereiche betreffen die meisten Menschen, vor allem im globalen Süden."

Ein ukrainischer Soldat in Tarnkleidung steht im Schnee zwischen Sträuchern und einer Holzleiter im Schützengraben
Folgen für Lebensmittel- und Energiepreise: Der Krieg in der Ukraine wird vermutlich weitergehenBild: Ozge Elif Kizil/Anadolu/picture alliance

Schon im vergangenen Jahr hatte der Ukraine-Krieg tiefgreifende Auswirkungen auf die globalen Energie- und Lebensmittelmärkte, wobei die Ärmsten der Welt am stärksten betroffen waren: "Wenn die Situation stabilisiert oder gelöst wird, könnte eine große Zahl von Menschen im globalen Süden davon profitieren."

Generell sei es problematisch, dass sich Wirtschaftsprognosen auf die reicheren Länder konzentrieren, ohne die Entwicklungsländer und die dortigen ökonomischen Probleme zu berücksichtigen. Die meisten davon hätten sich seit der Corona-Pandemie verschlimmert.

Indien sei ein gutes Beispiel. Die hohen Wachstumsraten verschleierten die Lebenswirklichkeit der großen Mehrheit des Landes. So hat die indische Regierung vor kurzem angekündigt, dass sie mehr als 800 Millionen Menschen im Land kostenlos mit Getreide versorgen wird. "Wenn die Zukunft so rosig wäre, verspräche Herr Modi nicht zwei Dritteln des Landes kostenlose Lebensmittelrationen für die nächsten fünf Jahre", so Sushant Singh.

Die Welt im Wahlfieber

Indien ist eines von mehreren Ländern, in denen in diesem Jahr entscheidende Wahlen stattfinden werden. Tatsächlich ist 2024 das größte Wahljahr in der Geschichte. Mehr als vier Milliarden Menschen auf der ganzen Welt werden zu den Urnen gehen: In Brasilien, Pakistan, Indonesien, der Türkei, Mexiko, Bangladesch und möglicherweise im Vereinigten Königreich werden wichtige Wahlen stattfinden.

Viele von ihnen sind von globaler wirtschaftlicher Bedeutung, die US-Präsidentschaftswahlen 2024 sind wohl die entscheidendsten. Donald Trump liegt in den Umfragen derzeit vor Präsident Joe Biden und könnte im kommenden November für eine historische zweite Amtszeit gewählt werden.

Zwei Männer lächeln in die Kamera, während sie sich die Hand reichen, dahinter die Flaggen der USA und Indiens
Wichtige Wahlen finden 2024 in den USA und Indien statt - die Staatschefs beider Länder, Joe Biden (l) und Narendra Modi (r)Bild: India's PM Press Office/ UPI Photo/IMAGO

Bereits in seiner vergangenen Amtszeit hatte Trump einen Handelskrieg mit China angezettelt. Was könnte also eine zweite Präsidentschaft für die Weltwirtschaft bedeuten? "Es wäre ein großer Schock, denn Trump spricht bereits wieder über Zölle und eine Reihe von Dingen mit weitreichenden Konsequenzen", sagt William Reinsch. "Man kann ziemlich sicher sein: Der Rest der Welt wird überreagieren oder zumindest reagieren." Sollte Trump gewinnen, würde er sein Amt allerdings erst im Januar 2025 antreten.

Ökonomen blicken auch noch auf weitere Entwicklungen im Jahr 2024: Die ökologische Transformation zum Beispiel und die rasante Entwicklung der künstlichen Intelligenz - sie werden wahrscheinlich noch stärker in den Mittelpunkt der Debatte rücken.

Aber wie uns Ereignisse wie die Pandemie und der Angriff Russlands auf die Ukraine gezeigt haben, sind es oft die unerwarteten, unvorhersehbaren Dinge, die die größten Auswirkungen haben. "Was mir mehr Sorgen bereitet, sind die  sogenannten Schwarzen Schwäne also Ereignisse, die nicht vorhersehbar sind und zu katastrophalen Reaktionen führen", so Reinsch vom CSIS. Es sollte also niemanden verwundern, wenn 2024 noch mehr Überraschungen bereit hält.

Der Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert.

Globalisierung – Fluch oder Segen?