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Senioren trumpfen auf

Pablo Kummetz27. August 2007

In Deutschland sind 30 Millionen Menschen über 50 Jahre alt. Und der Anteil der Alten nimmt zu. Dieses demographische Dilemma verlangt nach Antworten. Einige sind gefunden.

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Ein älterer Herr sitzt auf der Games Convention in Leipzig vor einem Laptop, Quelle: AP
Von wegen altes Eisen - immer mehr alte Menschen holen in Sachen Internet und Technik aufBild: AP
Vier ältere Leute schauen aus einem Fenster, Quelle: dpa
Immer mehr Alte - von der Gesellschaft immer mehr gebrauchtBild: picture-alliance / dpa

Im Jahr 2050 wird nur noch jeder sechste Deutsche unter 20, dafür aber jeder Dritte 60 Jahre oder älter sein. Aus der alten Bevölkerungspyramide ist eine Bevölkerungsbirne geworden: Nicht eine breite Basis junger Menschen beherrscht das Gesamtbild, sondern ein Mittelbau von Menschen, die 40, 50 und mehr Jahre alt sind.

Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Denn wie beim Wetter kommt es nicht so sehr darauf an, wie die Lage ist, sondern wie man sie empfindet. Getreu dem Motto "Man ist so alt, wie man sich fühlt" fühlen sich die Deutschen immer jünger. Gehörten Menschen über 50 vor einigen Jahren schon fast zum "alten Eisen", so fühlen sich heute viele von ihnen "im besten Alter".

"Best Age" - Im besten Alter

Einen Paradigmenwechsel nannten das prompt die Soziologen und erfanden für sie auch noch den passenden Begriff: das "alte Eisen" wurde zum "Best Ager". Streng wissenschaftlich umfasst dieser Begriff die Altersgruppe zwischen 50 und 64 Jahren. Danach zählt man zu den die Senioren. Doch die "Best Ager" scheren sich nicht um die Begrifflichkeiten: Eine Verschiebung der Kategorien nach oben ist nicht ausgeschlossen.

Von der Arbeitswelt wechseln heute viele Deutsche direkt in den verdienten Unruhestand: Reisen, Geselligkeit, Sport und Wellness sind für ältere Semester heute quasi ein Muss. Fast jeder zweite Deutsche über 50 treibt in seiner Freizeit Sport, und zwar regelmäßig.

Drei Seniorinnen trainieren an Fitness-Geräte, Quelle: dpa
Fitness-Studio für SeniorenBild: picture-alliance/dpa

Mobilität spielt für die Best Ager eine immer wichtigere Rolle. Und wenn es zu Fuß nicht mehr geht, dann muss ein Wagen her: In den letzten zehn Jahren ist der Anteil der Pkw-Fahrer unter ihnen von 61 auf 71 Prozent angestiegen. Laut Umfragen haben 4,4 Millionen Deutsche über 50 vor, sich in den nächsten ein bis zwei Jahren ein Auto zu kaufen. Die Industrie stellt sich darauf ein und entwickelt Fahrzeuge, die leichter zu bedienen sind und eine gute Rundumsicht sowie bequeme Ein- und Ausstiegsmöglichkeiten bieten.

Neue Medien werden zur Selbstverständlichkeit

Das Internet ist längst nicht mehr nur eine Sache für junge Leute. Immer mehr wird es auch für ältere Menschen zur Selbstverständlichkeit. Heute nutzt jeder zweite Deutsche über 50 das Internet. Vor fünf Jahren waren es nur 16 Prozent. Die von den "Best Agern" meist benutzten Internet-Dienste sind E-Mail, Informationen, Online-Einkauf und Online-Banking. Die Online-Einkäufe der Deutschen über 50 sind in den letzten Jahren um ein Drittel gestiegen. Fast 60 Prozent der über 50-Jährigen surfen regelmäßig im Internet.

Waren bis vor kurzem ältere Menschen in der Werbung mehr oder weniger tabu, so erobern sie jetzt zunehmend auch den Anzeigenmarkt. O tempora, o mores: eine Falte war bis vor nicht allzu langer Zeit ein Makel - heute ist sie ein Zeichen von Reife, das man gerne zeigt.

Das Ganze hat aber auch handfeste wirtschaftliche Gründe: Die "Best Ager" verfügen über eine hohe Kaufkraft - über 200 Euro mehr im Monat als der Durchschnitt der Deutschen. Da verwundert es nicht, dass die über 50-Jährigen von der Wirtschaft regelrecht umgarnt werden.

Wirtschaft: Betriebe stellen sich um

Ein alter Mann zeigt ein Handy für Senioren, Quelle: dpa
Die Industrie stellt sich auf seniorengerechte Artikel ein - wie dieses Handy mit großem Display und übersichtlicher TastaturBild: picture-alliance/dpa

Die Produkte, die von den "Best Agern" konsumiert werden sollen, wollen aber auch produziert werden. Angesichts des immer größer werdenden Problems, Nachwuchskräfte zu finden, fangen viele Firmen an, ältere Mitarbeiter länger im Betrieb zu behalten oder auch erneut einzustellen.

Vorbei sind die Zeiten des Vorruhestands mit 55. Die große Erfahrung älterer Mitarbeiter wird immer mehr als eine wichtige betriebswirtschaftliche Ressource angesehen - die sich noch dazu rechnet: bei den Neueinstellungen von älteren Mitarbeitern ist die Einarbeitungsphase aufgrund ihrer größeren Erfahrung viel kürzer als bei Berufseinsteigern.

Bei der großen Entlassungswelle vor zehn Jahren hat man eines übersehen: Nicht nur die Mitarbeiter wurden nach Hause geschickt, auch ihr Wissen ging den Betrieben verloren. Viele Firmen versuchen jetzt hektisch, das rückgängig zu machen und legen "Wissensdatenbanken" an. Und wenn das vorhandene Wissen nicht mehr ausreicht, wird schnell mal ein älterer Mitarbeiter a.D. (außer Dienst) herbeitelefoniert, der meistens auch eine Lösung findet.

Alte können Fachkräftemangel ausgleichen

Man kann die Lage ohne Übertreibung als dramatisch beschreiben: In Deutschland werden pro Jahr 14.000 Ingenieure der Elektro- und Informationstechnik benötigt, aber weniger als 7000 Studenten dieser Fächer verlassen jährlich die Hochschulen. Dass man immer mehr auf ältere gut ausgebildete Arbeitnehmer angewiesen ist, liegt auf der Hand.

In zehn Jahren werden viele Belegschaften im Durchschnitt etwa fünf Jahre älter sein als heute. Um weiterhin eine hohe Produktivität zu garantieren, sind viele Firmen dazu übergegangen, das Thema Alterung offensiv anzugehen: Mit einer internen Gesundheitsberatung, flexiblen Arbeitsstrukturen und ergonomischen Arbeitsplätzen, einer permanenten Weiterqualifizierung, individuellen Arbeitszeit- und Austrittsmodellen und einer guten internen Kommunikation.

Und wenn die Deutschen nicht ausreichen…

… kommt man an Ausländern nicht vorbei. Ein zentraler Punkt für die Wirtschaft ist deswegen auch die Einwanderungspolitik. Wie viele Einwanderer und mit welchen Qualifikationen Deutschland anziehen kann, wird die Anzahl der verfügbaren qualifizierten Arbeitskräfte - und damit der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft - in naher Zukunft stark beeinflussen.

Auch bei der Entwicklungszusammenarbeit macht die Anpassung an die neuen Realitäten nicht halt. Der "Senior Experten Service" bietet qualifizierten Ruheständlern die Möglichkeit, ihre Kenntnisse an andere Menschen in Entwicklungsländern weiter zu geben. Als ehrenamtliche Senior Experten beraten und fördern bereits viele dort die Weiterbildung von Fach- und Führungskräften. Ein System, von dem alle Beteiligten profitieren.