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Der Anfang ist gemacht

16. Juli 2010

US-Präsident Barack Obama hat die größte Finanzreform seit der 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts verwirklicht. Nun müssen die G20 im Herbst folgen, meint Rolf Wenkel aus der Wirtschaftsredaktion.

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Der Anfang ist gemacht. US-Präsident Barack Obama hat am Donnerstag (15.07.2010) im Senat die Zustimmung für die umfassendste Neuordnung der amerikanischen Finanzmärkte seit den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts bekommen. Mit der Reform sollen Finanzkrisen, wie sie die Welt seit drei Jahren in Atem gehalten hat, in Zukunft vermieden werden.

Über anderthalb Jahre hat der parlamentarische Kampf um dieses Gesetz gedauert, und es ist klar, dass der ursprüngliche Gesetzentwurf einige Federn lassen musste. Dafür haben unter anderem die Lobbyisten der großen Banken gesorgt, die täglich in Washington ausgeschwärmt sind, um die Abgeordneten in ihrem Sinne zu beeinflussen. Über eine Million Dollar sollen die Banken dafür auf den Tisch gelegt haben - pro Tag, wohlgemerkt - um das Gesetz zu verwässern, obwohl sie natürlich das Gegenteil behaupten.

Gute Noten

Redaktionsfoto der Wirtschaftsredaktion, Rolf Wenkel
Rolf Wenkel, WirtschaftsredaktionBild: DW

Trotzdem verteilen Experten der Reform ganz gute Noten. Einer spricht von einer Zwei bis Zwei plus, andere sagen, das Gesetz reiche zu zwei Dritteln an das heran, was ökonomisch wünschenswert gewesen wäre. Der 2000 Seiten starke Gesetzestext spannt einen weiten Bogen, von einer Verbraucherschutzbehörde unter dem Dach der amerikanischen Notenbank Fed über eine bessere Kontrolle des Derivate-Handels, mehr Transparenz und Haftung für Hedgefonds und Hypothekenhändler, Beschneidung des lukrativen, aber auch risikoreichen Eigenhandels der Banken, eine Aufsichtsbehörde über das Finanzsystem als Ganzes bis hin zu Regelungen über die Bezahlung von Managern.

Dennoch darf man nicht glauben, mit der Unterschrift des Präsidenten unter das Gesetzeswerk werde sich alles sofort und automatisch zum Guten wenden. Das hat zwei Gründe. Erstens muss das Gesetz in den USA selbst erst mit Leben erfüllt werden, und zweitens muss nun der nächste Schritt auf der internationalen Bühne folgen, denn die Akteure auf den Finanzmärkten agieren bekanntlich über alle Grenzen hinweg.

Mit Leben füllen

In den USA müssen erst die Kontrollbehörden und -institutionen geschaffen, muss Personal und Expertise rekrutiert werden, um das Gesetz mit Leben zu erfüllen. Vieles im Gesetz gleicht eher einer allgemein gehaltenen Vorlage, die die Regulierer dann mit Ausführungsbestimmungen zu konkretisieren haben. Das gilt zum Beispiel für den Derivatehandel. Die Banken argumentieren, der Derivatehandel sei unverzichtbar, weil man sich mit ihm seit Jahrhunderten gegen künftige Preis- und Kursschwankungen absichert. Doch mit Derivaten kann man eben auch riskante Wetten bis zum Bankrott ganzer Staaten abschließen und, wie gesehen, eine globale Wirtschaftskrise auslösen. Die künftigen Regulierer werden Grenzen ziehen müssen - die man beeinflussen kann. Für die Banken-Lobbyisten in Washington bleibt also ein weites Spielfeld, um weiterhin täglich eine Million Dollar zu kassieren - arbeitslos werden sie bestimmt nicht.

Dringender aber ist noch, dass auf dem nächsten Gipfel der 20 größten Schwellen- und Industrieländer im Herbst in Seoul der Schwung, den Obama mitbringt, ausgenutzt wird für ein internationales Regelwerk zur Kontrolle der Finanzindustrie. Was die Stichworte Kontrolle, Transparenz und Frühwarnung angeht, haben sich die Chancen für eine internationale Einigung dramatisch verbessert. Denn selbst London, das mit Rücksicht auf die Ertragskraft seiner City stets zu den Bremsern gehört hat, wird sich dem Vorbild Obamas nicht entziehen können.

Kostenfrage ungeklärt

Damit ist aber noch lange nicht geklärt, wer für die Kosten der Krise aufkommt. Hier sperren sich immer noch jene Länder gegen internationale Vereinbarungen, die nicht ganz zu unrecht sagen, unsere Banken sollen nicht für etwas bestraft werden, was sie nicht begangen haben. Präsident Obama hatte noch auf dem G20-Gipfel in Toronto versprochen, er werde die Banken an den Krisenkosten beteiligen. Doch das hat er noch nicht einmal in seinem Land durchsetzen können - am Ende zahlen eben immer wir, die Steuerzahler. Trotzdem: Der Anfang ist gemacht.

Autor: Rolf Wenkel

Redaktion: Andreas Becker