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US-Armee hat Nachwuchssorgen

14. Juni 2005

Die Anschlagsserie im Irak nimmt kein Ende und sie bringt die nach eigenen Angaben "besten Streitkräfte der Welt" zunehmend in die Bredouille. Immer weniger junge Amerikaner wollen zur US-Armee.

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Anschlag in Kirkuk - abschreckende WirkungBild: AP

Die Meldungen über Anschläge im Irak sind so häufig, dass Zeitungen und Fernsehsender schon längst nicht mehr über alle berichten. Tun sie es, dann weil ein Anschlag besonders tödlich oder spektakulär war. Wie zum Beispiel die zwei Sprengstoffanschläge am Dienstag (14.6.2005), bei denen mindestens 29 Menschen ums Leben kamen. Im nordirakischen Kirkuk starben 19 Menschen, als eine Bombe vor einer Bank explodierte, in der Zivilisten ihre Gehälter und Pensionszahlungen abholen. 63 weitere Iraker wurden nach Angaben der Polizei verletzt. In Kanaan bei Bakuba tötete eine Autobombe fünf irakische Soldaten. Ein weiterer Soldat und zwei Zivilisten wurden verletzt, als der Sprengsatz neben einer Militärpatrouille explodierte.

Sprengstoffanschläge im Irak - Zwei Russen getötet
Sprengstoffanschlag auf einen Bus in BagdadBild: dpa

Die Bilder von zerfetzten Autowracks und blutüberströmten Passanten werden dann zur Primetime in den Nachrichtensendungen der US-Medien gezeigt und sie entfalten eine Wirkung, die den Strategen im Pentagon zunehmend Sorgen bereitet. Der Irak erscheint vielen jungen Amerikanern als "schlimmster Ort auf Erden". Die Folge: Immer weniger können sich vorstellen, zur US-Armee zu gehen.

1700 tote US-Soldaten im Irak

Nicht nur die Gefahr, Opfer eines Anschlags zu werden, schreckt viele ab, sondern auch die Arbeitsbedingungen. Besonders die Nicht-Berufssoldaten unter den Streitkräften, die zusammen mit den Nationalgardisten 40 Prozent der US-Soldaten im Irak stellen, sind so stark strapaziert, dass sie vor dem Zusammenbruch steht und künftige Missionen gefährdet sind. Extrem lange Einsatzzeiten im Irak und in Afghanistan, kurzfristige Mobilisierungen mit manchmal nur drei Tagen "Vorwarnzeit" und zudem auch noch Ausrüstungsprobleme machen den Soldaten zu schaffen. Unbeliebt ist auch die Praxis des Verteidigungsministeriums, Soldaten nach Ablauf ihrer Dienstzeit nicht immer gleich ins Privatleben zu entlassen.

Das "Rekrutierungsziel" sei im Mai um 25 Prozent verfehlt worden, musste das Verteidigungsministerium kürzlich einräumen. Damit konnte die Armee den fünften Monat in Folge ihr Soll nicht erfüllen. Dabei hatten die Militärs die angestrebte Zahl der monatlichen Neueintritte vor mehreren Wochen von 8050 auf 6700 verringert. Besserung ist nicht in Sicht, im Gegenteil. Die Hiobsbotschaften aus dem Irak reißen nicht ab. Mit dem Tod von vier amerikanischen Marineinfanteristen am Wochenende stieg die Zahl der getöteten US-Soldaten im Irak auf mehr als 1.700. Militärsprecher führen den Rückgang an Interessenten für die Army jedoch auch die bessere wirtschaftliche Situation in den USA zurück.

Werbekampagne für die US-Army

Militärexperten fürchten nun sogar, dass das Rekrutierungs-Jahresziel verfehlt werden könnte. In den zwölf Monaten bis zum 30. September wollen das Heer 80.000 und die Marineinfanterie 38.195 neue Soldaten insgesamt anwerben. Lawrence Korb, in den achtziger Jahren im Verteidigungsministerium für Personalfragen zuständig, äußerte die Befürchtung, die "überbeanspruchten" Streitkräfte würden wohl "Mitte 2006" einen "Knackpunkt" erreichen. Dann könnten sie ihre Aufgaben nicht länger erfüllen.

Die Nachwuchssorgen sind dabei beim Heer und der Marineinfanterie, die die Bodentruppen im Irak stellen, am größten. Die Marine und Luftwaffe haben dagegen ihre Vorgaben bislang erfüllt. Das wäre schwerwiegend: Das US-Heer hat seit 1999, die Marineinfanterie seit 1995 kein Jahresziel mehr verpasst.

Das Pentagon reagiert und rührt kräftig die Werbetrommel für US-Army. In den Fernsehspots werden durchtrainierte Soldaten perfekt in Szene gesetzt und an das Vaterlandsgefühl der jungen Menschen appelliert. Der Konflikt im Irak aber wird ausgeklammert. Zielgruppe der Rekrutierer sind aber auch die Eltern von jungen Leuten, um sie von der Bedeutung des Dienstes zu überzeugen. Außerdem wurden die finanziellen Anreize erhöht.

Wehrpflicht wieder in der Diskussion

Allmählich werden wieder Expertenstimmen für die Wiedereinführung der Wehrpflicht ernst genommen. Regierungsvertreter versichern, die Wiedereinführung der Wehrpflicht werde nicht erwogen. Seit 1973 dienen in den USA nur professionelle Soldaten und Soldatinnen. Doch Friedensgruppen trauen den Zusagen nicht. Der Quäkerverband "American Friends Service Committee" warnte Pazifisten, sich auf eine mögliche Wehrpflicht vorzubereiten. (stl)