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Urlaub im Mittelalter: Zwischen Erbsenmus und Wurfaxt

Birgit Johannsmeier17. Juli 2008

Die Letten besinnen sich auf ihre Vergangenheit und locken mit dem so genannten Schlosstourismus Gäste aus der ganzen Welt an, die unter anderem Kurse im Bogenschießen belegen und sich wie Könige fühlen können.

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Ein Tourist wird in der Burg Cesis vom gespielten Hochmeister des Livländischen Ordens zum Ritter geschlagen (20.04.2007/dpa)Schauspieler einer mittelalterlichen Laienspielgruppe stehen vor der Burg Cesis in Lettland (20.04.2007/dpa)
Lettische Schlösser locken mit einem Hauch von Nostalgie und AbenteuerBild: picture-alliance/ dpa

Lettland gehörte bislang für deutsche Touristen nicht zu den beliebtesten Urlaubsländern. Um das zu ändern, machen die Letten ihre zahlreichen Burgen und Schlösser, die zum Teil in sehr gutem Zustand sind, dem Tourismus zugänglich. Einer der Schlossherren ist Kaspars Sivanis. Der dreißigjährige Lette ist nicht nur ein Profi im Umgang mit der Armbrust, sondern auch ein begeisterter Fan des Mittelalters und mittelalterliche Waffen. Über letztere kann Kaspars Sivanis stundenlang Geschichten erzählen. Seinen Kunden bietet der Lette nicht nur Kurse im Armbrustschießen, sondern bringt ihnen auch das Zielen mit Pfeil und Bogen, Speerwerfen oder den Umgang mit einer Wurfaxt bei. Wer von den "Schülern" die meisten Treffer erzielt, den lädt Sivanis zu einem richtigen Kanonenfeuer ein.

Mittelalter als Marktlücke

Ein Koch auf dem Mittelaltermarkt in Esslingen (18.12.2005/dpa)
Speisen aus dem müssen kein Schweinebraten seinBild: dpa

Die Idee, eine Marktlücke zu schließen, kam dem Letten, als er die vielen Touristen sah, die Tag für Tag das Schloss Jaunpils besichtigten. Als direkter Nachbar wollte er auch von den Gästen aus dem Ausland profitieren und las sich Fachwissen über das Leben im Mittelalter an. Bald darauf organisierte er die ersten Wettkämpfe. Wo heute Werkstatt und Schießstand des Letten stehen, wurde einst Gemüse für die deutschen Burgherren angebaut. Das waren die Ritter des Livländischen Orden, die das Schloss Jaunpils, das einstige Neuenburg, als Festung nutzten. Die Ritter übergaben das Schloss später dem Deutschen Baron von der Recke. Noch heute lebt die Burg vom mittelalterlichen Charme, der sich auf das ganze gleichnamige lettische Dorf Jaunpils übertragen hat.

Diesen Charme will sich die Gemeinde zunutze machen. Die Bürgermeisterin Ligita Gintere hat neben einfachen Unterkünften vier exklusive Hotelzimmer einrichten lassen. Es habe auch schon Interessenten für das mittelalterliche Schloss gegeben, erzählt Ligita Gintere, aber der Gemeinderat habe abgelehnt, da die Burg offen für alle bleiben müsse. Die Bürgermeisterin glaubt, dass die Gemeindebewohner den Stolz des alten Barons von der Recke geerbt hätten, der den Schwedischen König besiegte und so Jaunpils sieben Jahre lang zu einem autonomen Dorf machte. Auch heute wollten die Bewohner Burgherren bleiben.

Münchhausens Hochzeit wird Marketingidee

Ein Tourist wird in der Burg Cesis vom gespielten Hochmeister des Livländischen Ordens zum Ritter geschlagen (20.04.2007/dpa)Schauspieler einer mittelalterlichen Laienspielgruppe stehen vor der Burg Cesis in Lettland (20.04.2007/dpa)
Lettische Schlösser locken mit einem Hauch von Nostalgie und AbenteuerBild: picture-alliance/ dpa

Wer hat gewusst, dass der Deutsche Lügenbaron Münchhausen nördlich der Lettischen Hauptstadt Riga geheiratet hat? Mit dieser und ähnlichen Legenden will Richard Baerug Touristen in die Burgen, Paläste und Herrenhäuser an der Ostsee locken. Nach Ansicht Marketingexperten hat eine Schlössertour durch Lettland Zukunft, da es allein heute schon Häuser gibt, die westlichen Standards entsprechen. Anders als in Norwegen, wo es weder Schlösser noch Herrenhäuser gebe, könnten Reisende sich in Lettland wie ein König fühlen, meint Richard Baerug. Auch deutsche Urlauber hätten schon entdeckt, wie reich Lettland an deutscher Geschichte sei, so dass der Tourismus stetig zunähme.

Vom Ansturm auf Lettland wird sogar Kaspars Sivanis überrascht. Der Waffenexperte bietet neben den Waffenkursen auch mittelalterliche Gerichte an. Die Touristen sind ganz wild darauf zu erfahren, was ein Ritter während der Kreuzzüge gegessen habe, erzählt Kaspars Sivanis. Vom Linsenbrei oder von den Teigtaschen mit Erbsenmus seien sie dann immer ein bisschen enttäuscht, da sie daran zweifelten, dass er nach Originalrezepten koche. Viele Touristen seien der Ansicht, die Ritter hätten nur gegrilltes Fleisch gegessen, weil dies im Kino so dargestellt würde. Dabei, so der Mittelalterexperte, hätten die Krieger schlechte Zähne gehabt, weshalb in den Küchen meist Brei gekocht worden sei.