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UN im Kosovo: Der nächste macht das Licht aus

14. Juni 2006

Der Leiter der UN-Mission im Kosovo (UNMIK), Sören Jessen-Petersen, hat seinen Rücktritt erklärt. Welche Auswirkungen wird dieser Schritt auf die Lage in der Region haben? Fabian Schmidt kommentiert.

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Auf den ersten Blick scheint Jessen-Petersens Rücktritt zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt zu erfolgen. Die Verhandlungen zwischen Pristina und Belgrad unter UN-Vermittler Martti Ahtisaari haben Anfang des Jahres begonnen, und einige Ergebnisse sind schon vorweisbar. Ahtisaari hat sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, bis zum Jahresende den Status des Kosovo völkerrechtlich zu lösen. Für UNMIK rückt damit das Ende der Mission in greifbare Nähe. Nun muss für diese möglicherweise sehr kurze Abschlussphase eine neue Missionsleitung gefunden werden. Das könnte im Entscheidungsprozess der UN schwierig werden und möglicherweise zu einer Entscheidungsblockade im Kosovo führen. Stets ist die Furcht berechtigt, dass eine schwache und gelähmte UNMIK in Krisensituationen scheitert, wie es im März 2005 der Fall war, als ethnische Gewalt in der Region eskalierte.

Den Absprung geschafft

Auf den zweiten Blick wird aber deutlich, dass Jessen-Petersen gerade noch rechtzeitig den Absprung geschafft hat, bevor die Verhandlungen über die Zukunft in die heiße Phase treten. Bislang sprachen die Verhandlungsdelegationen beider Seiten in Wien über Fragen der lokalen Selbstverwaltung und der territorialen Dezentralisierung, über den Schutz des Kulturerbes des Kosovo und insbesondere der serbisch-orthodoxen Kirchen und Klöster sowie über Fragen der Wirtschaft und des gemeinsamen finanziellen Erbes der Nachfolgestaaten des einstigen Jugoslawien.

Die wirklich kritische Frage nach der völkerrechtlichen Zukunft des Kosovo wird erst nach der Sommerpause auf den Tisch kommen. In dieser Frage ist zwischen Pristina und Belgrad auch keinerlei Kompromissbereitschaft sichtbar. Daher ist dies zweifellos die risikoträchtigste und potenziell explosivste Verhandlungsphase. Klar ist schon jetzt, dass letztlich die internationale Gemeinschaft gegen den Willen der einen oder anderen Seite eine Lösung verfügen muss, weil sie es nicht beiden Seiten Recht machen kann: Denn Serbien besteht darauf, dass Kosovo völkerrechtlich zu Serbien gehöre, während die Regierung des Kosovo die Unabhängigkeit der Region postuliert.

Entstehendes Vakuum schnell füllen

Umso wichtiger ist es daher nach Jessen-Petersens Abtritt, dass die UN unverzüglich einen starken und profilierten Nachfolger benennt, der in der Lage ist, das Vakuum zu füllen und willens ist, auch unpopuläre Entscheidungen zu treffen und durchzustehen. Jessen-Petersens Stellvertreter, US-General Steven Schook, ist mit seiner langjährigen Erfahrung im Kosovo zweifellos in der Lage, die Amtsgeschäfte nach Juni fortzuführen. Schwierig dürfte es für UN-Generalsekretär Kofi Annan aber werden, einen hochrangigen Nachfolger für Jessen-Petersen zu finden. Denn dessen Hauptaufgabe wird, nach Ende der Verhandlungen, die Schließung der eigenen Mission sein.

Fabian Schmidt

DW-RADIO/Albanisch, 12.6.2006, Fokus Ost-Südost