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Umworbene Expatriates

Martin Schrader21. April 2005

Die Globalisierung führt dazu, dass immer mehr Unternehmen Angestellte für einige Monate oder auch Jahre ins Ausland schicken. Sie achten darum verstärkt auf die Höhe von Steuern und Abgaben in den Zielländern.

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Keine Steuer-Oase: Deutschlands Finanzzentrum Frankfurt am MainBild: AP

Im internationalen Wettstreit um die Ansiedlung von Unternehmen gewinnt die Entsendung von Mitarbeitern ins Ausland immer größere Bedeutung. Ins Blickfeld von Konzern-Managern und Wirtschaftspolitikern rückt dabei verstärkt die Besteuerung dieser so genannten Expatriates in ihrem Zielland. Das hat das Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Zusammenarbeit mit der Unternehmensberatung Pricewaterhouse Coopers (PwC) in einer Studie herausgefunden.

"Es wird immer deutlicher", heißt es dort, "dass internationale Unternehmen neue Standorte auch nach der Höhe der Steuerlast für besonders qualifizierte Mitarbeiter auswählen." Denn bei Auslandseinsätzen treffen Unternehmen mit Angestellten meist Nettolohnvereinbarungen; das Unternehmen zahlt also nicht nur den Lohn, sondern auch die persönliche Einkommensteuer, Sozialbeiträge und ähnliche Kosten.

Zahlen des Versicherungskonzerns Allianz zeigen, wie schnell die Gruppe der Expatriates wächst. Während die Versicherung im Jahr 2004 etwa 55.000 im Ausland tätige Angestellte krankenversicherte, rechnet sie mit einer Verfünffachung dieser Zahl in den nächsten zehn Jahren. Weltweit geht die Allianz von rund 30 Millionen Expatriates aus.

Frankfurts Sorgen

Im Hinblick auf die Einkommensteuer von Expatriates schneidet Deutschland nach Einschätzung des ZEW mittelmäßig ab. Vergleicht etwa ein US-Unternehmen die Belastung bei Entsendungen von Mitarbeitern in die 18 untersuchten europäischen Länder, so landet Deutschland bei einem ledigen Arbeitnehmer auf Rang 14. Bei einem verheirateten Arbeitnehmer kommt Deutschland aufgrund des günstigen Splittingtarifs für Ehepaare immerhin auf Rang 9. Deutschland hat dabei von den Einkommensteuersenkungen zu Beginn des Jahres 2005 profitiert: Ein Jahr zuvor lag Deutschland noch auf Rang 16 (ledig), beziehungsweise Platz 10 (verheiratet).

Roland Koch
Der hessische Ministerpräsident Roland KochBild: AP

Das Problem beunruhigt in Deutschland vor allem das Bundesland Hessen mit seiner Finanzmetropole Frankfurt. "In den letzten Jahren haben bereits 4000 ausländische Spitzenarbeitskräfte Frankfurt verlassen", sagte Hessens Ministerpräsident Roland Koch im März der "Welt am Sonntag". Er will deshalb ausländischen Managern, die nach Deutschland kommen, für die Dauer von drei Jahren maximal 30 Prozent Einkommensteuer abziehen - bisher liegt der Spitzensatz bei 42 Prozent. Der Zeitung zufolge halten auch Finanzexperten von SPD und Grünen den Vorschlag für sinnvoll, es gebe aber angesichts von fünf Millionen Arbeitslosen da "ein rein emotionales Problem", sagte die Vorsitzende des Bundestags-Finanzausschusses, Christine Scheel (Grüne).

Solche Gefühlsduselei leisten sich Länder wie Dänemark, Spanien und Finnland nicht. Sie werben bei ausländischen Unternehmen mit besonders günstigen Steuersätzen für Expatriates. Dänemark und Spanien bieten ihnen Sonder-Steuersätze von jeweils 25 Prozent, Finnland bietet 35 Prozent. Die Niederlande berechnen zwar den vollen Steuersatz, aber nur auf 70 Prozent des Einkommens, der Rest ist steuerfrei.

Große Unterschiede

Das führt in deutschen Unternehmen zu kuriosen Konsequenzen: "Die Entsendung eines Mitarbeiters ins Ausland ist unter Umständen billiger als die Beschäftigung des betreffenden Mitarbeiters in Deutschland", sagt Dieter Endres, PwC-Vorstand und Leiter des Geschäftsbereichs Tax. Der Einsatz eines ledigen deutschen Expatriates ist beispielsweise in Russland für das entsendende deutsche Unternehmen um 6,7 Prozent günstiger als in Deutschland, in der Schweiz um 5 Prozent und in der Slowakei noch um 2,3 Prozent. Dabei seien spezielle Entsendekosten wie für Heimatreisen und Wohnung im Ausland bereits eingerechnet.

Kostspieliger als in Deutschland sind nach ZEW-Angaben dagegen Einsätze in Belgien und Slowenien, die das entsendende Unternehmen um fast die Hälfte teurer kommen können. Im Durchschnitt liegen die Steuerkosten für den Auslandseinsatz deutscher Mitarbeiter um 13,8 Prozent über den Steuerkosten bei einer Beschäftigung in Deutschland. Im Vergleich zur Anstellung eines lokalen Mitarbeiters in den 19 untersuchten Gastländern sind Entsendungen deutscher Mitarbeiter durchschnittlich sogar um knapp ein Drittel teurer.