1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Tag der Wahrheit

Daniel Wortmann15. August 2002

In den USA lief am Mittwoch (14.8.) ein bisher einzigartiges Ultimatum ab. Bis zu diesem Tag mussten die Vorstandsvorsitzenden von knapp tausend Großunternehmen einen Eid auf ihre Bilanzen geleistet haben.

https://p.dw.com/p/2YVN
An der Wall Street wächst die SpannungBild: Bilderbox

Nach den Finanzskandalen rund um Firmen wie Enron, WorldCom und Xerox hatte die amerikanische Börsenaufsicht SEC die Unternehmens- und Finanzchefs von 947 US-Großkonzernen aufgefordert, ihre Bilanzen zu überprüfen. Die Richtigkeit der Angaben sollen sie bis zum 14. August unter Eid bezeugen.

Oskar-Erich Kuntze, Experte für Weltwirtschaft am Institut für Wirtschaftsforschung in München, ist zuversichtlich, dass die meisten Unternehmen den Stichtag einhalten werden: "Die Manager werden jetzt natürlich fieberhaft ihre Bilanzen prüfen, um diesen Eid leisten zu können."

Größte Skandale überstanden

Würde ein Manager den Eid verweigern, so würde dies die Vertrauenskrise an den Finanzmärkten noch weiter verschärfen. Experten glauben allerdings, dass die größten Skandale mittlerweile überstanden sind. Leif Millarg, Fondsmanager bei Activest, rechnet damit, dass es unter der Masse der Unternehmen nur einige schwarze Schafe gab. Diese habe man bereits enttarnt.

Jetzt hoffen die Konzerne, das nötige Vertrauen wiederherstellen zu können. Der Eid auf die Bilanzen ist nach Millargs Ansicht dabei ein Schritt in die richtige Richtung. "Es ist gut, dass anstelle der Unternehmen nun die Manager persönlich für Bilanzfälschungen haftbar gemacht werden. Diese Maßnahme hat eine wichtige Signalwirkung für die Investoren."

Politik und Unternehmer

Vodoo II
Auch in Chicago hoffen Börsianer auf die heilende Wirkung der EideBild: AP

Vor dem Hintergrund der Bilanzskandale stellt sich die Frage, warum nicht schon zuvor verstärkte Kontrollen eingeführt wurden. Der Grund hierfür scheint das spezielle Verhältnis von Politik und Unternehmertum in den USA zu sein. "In den USA ist der Unternehmer heilig," erklärt Wirtschaftsexperte Kuntze. "Der Staat hält sich in der Wirtschaft so weit wie möglich im Hintergrund." Dieser Grundsatz verbietet ihm auch, Manager mit Verordnungen, Gesetzen und Regeln zu überhäufen.

Anders sieht es in Deutschland aus, bestätigt auch Fondsmanager Millarg. Dort gebe es ein konservativeres Bilanzierungsrecht, das wenig Wahlfreiheit zulasse. Trotzdem könne man natürlich mit krimineller Energie auch in Deutschland Bilanzfälschung betreiben.

Der gegenwärtige Vertrauensverlust beschränkt sich für Millarg allerdings auf die USA. Dort müssten also auch die Mittel und Wege aus der Krise gefunden werden.