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Streik in Frankreich - aus illegalen werden plötzlich legale Immigranten

Carolin Lohrenz28. April 2008

Seit dem 15. April streiken die illegalen Angestellten der französischen Gastronomie. Die Köche und Kellner haben dabei nicht etwa eine Gehaltserhöhung im Sinn: Sie fordern eine Arbeitserlaubnis – nun kam der Erfolg.

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Ein Transparent der Gewerkschaft, die den Streik der Arbeiter ohne Bleiberecht unterstützt, am Fenster der Pizzeria Manzano im Zentrum von Paris am 18.04.2008. Yamadou Sissoko backt seit einigen Jahren Pizza in einem italienischen Restaurant in der Nähe der Pariser Oper. Vor vier Tagen ist er in den Streik getreten, um dagegen zu protestieren, dass er in Frankreich kein Bleiberecht bekommt - obwohl er Arbeit hat und sogar Sozialabgaben zahlt. Es ist das erste Mal, dass in Frankreich Arbeiter ohne Papiere in den Streik treten. Foto: Ulrike Koltermann dpa (zu Korr: "Streiken fürs Bleiberecht - Afrikanischer Pizzabäcker in Paris" vom 19.04.2008) +++(c) dpa - Bildfunk+++ Politik, Personen, Frankreich, Migration,
Zum ersten Mal sind in Frankreich Arbeiter ohne Papiere in den Streik getreten. Auch in dieser Pizzeria im Zentrum von Paris.Bild: picture-alliance/dpa

Einwanderer ohne Aufenthaltsgenehmigung. Einige arbeiten bereits seit 14 Jahren in Frankreich, zahlen Steuern und den Beitrag in die Rentenkasse. Trotzdem bleiben sie weiterhin illegal. Zum ersten Mal in der Geschichte Frankreichs traten nun 800 illegale Einwanderer im Pariser Großraum in Streik - und bekamen nach nur 10 Tagen eine vorläufige Aufenthaltsgenehmigung.

Mangel an Arbeitskräften gibt den Illegalen die Chance zur Legalität

Im schicken "Café de la Jatte" stehen mittlerweile alle Angestellten wieder am Herd. Mit der Unterstützung ihrer Chefs haben sie von der Präfektur eine befristete Arbeitserlaubnis erhalten. Abud Ramansar arbeitet seit 14 Jahren hier. Er ist überzeugt, eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis zu bekommen, denn der Malier erfüllt sämtliche Kriterien, die die Regierung im Herbst für Aufenthaltspapiere festlegte: eine feste Arbeit in einer Branche mit Arbeitskräftemangel.

Wenn die Arbeitgeber sie beschäftigen wollen, dann erfüllen sie alle Kriterien für eine Arbeitserlaubnis, denn ohne die Chefs bekämen sie niemals eine Arbeitserlaubnis, erzählt Abu Ramansar. "Seit gestern, seit ich meine Papiere zum ersten Mal in der Hand hielt, schwebe ich auf einer Wolke der Erleichterung: Endlich, jetzt ist es soweit", sagt er freudstrahlend.

Mit wenig doch viel bewirken

Schon ein Streik von zehn Tagen reichte für Abu Ramansar, um die unerreichbar geglaubten Papiere zu erhalten. Ohne die Unterstützung seines Chefs, der sogar persönlich mit zur Präfektur gekommen war, wäre dies unmöglich gewesen. Die Rekord-Zeit, in der die zehn Angestellten des "Café de la Jatte" zu legalen Angestellten wurden, ist nun auch ein Hoffnungsschimmer für alle anderen, denn in Frankreich leben geschätzte 200.000 bis 400.000 illegale Immigranten.

Der Pizzabäcker Yamadou Sissoko aus Mali streikt am 18.04.2008 in Paris für sein Bleiberecht in Frankreich. Yamadou Sissoko backt seit einigen Jahren Pizza in einem italienischen Restaurant in der Nähe der Pariser Oper. Vor vier Tagen ist er in den Streik getreten, um dagegen zu protestieren, dass er in Frankreich kein Bleiberecht bekommt - obwohl er Arbeit hat und sogar Sozialabgaben zahlt. Es ist das erste Mal, dass in Frankreich Arbeiter ohne Papiere in den Streik treten. Foto: Ulrike Koltermann dpa (zu Korr: "Streiken fürs Bleiberecht - Afrikanischer Pizzabäcker in Paris" vom 19.04.2008) +++(c) dpa - Bildfunk+++ Politik, Personen, Frankreich, Migration,
Auch Pizzabäcker Yamadou Sissoko aus Mali streikt wie viele andere seit dem 18.04.2008 in Paris für sein Bleiberecht in Frankreich.Bild: picture-alliance/dpa

Über 900 stellten im Pariser Großraum nun ihren Antrag. Die endgültige Entscheidung, ob sie im Land bleiben dürfen, fällt am 09. Mai. Issa Traoré, der Koch, ist optimistisch, denn für ihn sind die Aufenthaltspapiere auch eine Frage der Gerechtigkeit. "Ich zahle seit sechs Jahren Steuern. Wohin geht dieses Geld? Wir, die Illegalen, haben kein Recht auf Krankschreibung. Wenn wir krank werden, dann bezahlt man uns eben nicht", erklärt er. Sie wollen nur, dass man ihnen endlich Papiere gebe. Das würde ihnen so sehr die Last von den Schultern nehmen.

Französische Regierung gibt erst einmal kein grünes Licht für alle

Doch ganz so einfach scheint es dann doch nicht zu sein. Trotz der Mobilisierung der Arbeitgeber und der Medien, die den Streik der Illegalen zum Topthema lancierten, hält die französische Regierung an ihrem Wahlslogan fest: Einwanderung soll ein Wunsch und nicht Leid sein. Am Sonntag erklärte Premierminister François Fillon, dass maximal einige Hundert Antrage genehmigt werden.

French President Nicolas Sarkozy attends a prime time television interview Thursday April 24, 2008 at the Elysee Palace in Paris. Nicolas Sarkozy says he made mistakes in his first year as French president but that he remains committed to deep reforms. Sarkozy says he understands "disappointment" in his leadership. His poll ratings have plunged in recent months amid frustrations that he has not lived up to campaign promises. (AP Photo / Eric Feferberg, Pool)
Präsident Nicolas Sarkozy bleibt vorerst hart - fragt sich noch wie lange.Bild: AP

Und auch Präsident Nicolas Sarkozy schlug gegenüber den Firmenchefs, die die Legalisierung ihrer Angestellten fordern, einen rauen Ton an. Er nannte die Unternehmer, die vorgaben von den falschen Papieren ihrer Angestellten nichts gewusst zu haben, kurzerhand "Heuchler". Unter den legalen Einwanderern betrage die Arbeitslosenquote 22 Prozent. Es solle bloß keiner erzählen, dass er gezwungen war, einem armen Illegalen Arbeit zu geben. "Eine massive Legalisierung kommt nicht in Frage. Die führt uns geradewegs ins Chaos", fügte Sarkozy hinzu. Man werde nicht Franzose, nur weil man in der Küche eines Restaurants eine Arbeit habe, und sei es noch "so nett" da.

Dennoch: Ein "nettes Restaurant" wie der französische Staatschef anmerkte, war in der Tat Ursprung der Protestbewegung . Im "Café de la Jatte", im schicken Pariser Vorort Neuilly, ist Nicolas Sarkozy selbst seit Jahren Stammgast und das ist vielleicht eine Brutstätte für eine neue Lobby zur Verteidigung illegaler Immigranten.